Dienstag, 9. Oktober 2007, 17:51 Uhr

Freihandel bis zum Verhungern?

Das feine Ciabatta-Brot im Moskauer Supermarkt kostete bisher um die 30 Rubel (1,42 Franken). Doch eines Morgens stand plötzlich eine andere Zahl auf dem Preisschild: 41 Rubel. Der Konsument stöhnt, und mit ihm das ganze Land. Die Preise für Grundnahrungsmittel sind in Russland richtiggehend explodiert. Laut offiziellen Angaben kosten Brot, Milch und andere Kalorienlieferanten 17 Prozent mehr als noch Anfang Jahr. […]

Der Export von Weizen wird laut Medienberichten mit einer Steuer von zehn Prozent belegt. Dies, so die Hoffnung, hemmt die Ausfuhr und behält mehr Weizen im Land. Zugleich soll die Importsteuer auf Speiseöl, Käse und Milch gesenkt werden.

Quelle: Preisschock für Russlands Konsumenten

Verfechtern der (globalisierten) Marktwirtschaft werden die Haare zu Berge stehen: Das Böse ist in Form von prohibitiven Zöllen zurück!

Ich frage meine oftmals deutlich liberaleren Leser: Darf man seine Bevölkerung vor dem Verhungern schützen, auch wenn dabei liberale Prinzipien über den Haufen geworfen werden? Oder sind Zölle selbst ein Instrument der Ordnungspolitik, halt einfach auf einen liberalen Binnenmarkt bezogen? Gibt es demzufolge Globalisierende und Binnen-Liberale?

Kehrt ein totgeglaubter Geist zurück?

A propos:

Die Suche nach einem Ausweg aus dem Dilemma ist umso schwieriger, als dass die Schuldigen offenbar noch gar nicht feststehen. Die Wirtschaftsministerin gab sich sachlich: Ursache für den Preisanstieg sei die Teuerung an den Weltmärkten, hervorgerufen durch die verstärkte Nachfrage in China und Indien.

Wem der Name Malthus nichts sagt, mache sich in Wikipedia schlau darüber. Treffen seine Prophezeiungen mit über zweihundert Jährchen Verzögerung doch noch ein?

Ich befürchte fast, dass Kohle und Öl seither als Puffer dienten und uns vor dem Schlimmsten bewahrten – doch was, wenn die Energiequellen deutlich teurer werden, um schliesslich ganz zu verschwinden?

Nachtrag

„Die Welt verliert allmählich das Polster, das bisher vor großen Marktschwankungen geschützt hat“, warnt Abdolreza Abbassian, Experte für Getreidehandel bei der Welternährungsorganisation FAO. „Es entsteht ein Gefühl von Panik.“

Nutznießer des Trends sind Produzenten und Händler führender Exportnationen wie die USA, Australien oder Kanada, aber auch Argentinien und Namibia. Doch auch deren Verbraucher ächzen unter der Last inflationärer Preise – was wiederum teils drastische Exportbeschränkungen für Getreide provoziert. Die Politik will den heimischen Markt gut versorgt halten.

Um den weltweiten Bedarf zu decken, muss nach Schätzungen der Weltbank bis 2030 der Getreideanbau um fast 50 Prozent und die Fleischproduktion um 85 Prozent gesteigert werden.

Quelle: Politischer Kampf um Lebensmittel

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Labels: Wirtschaft

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