Heute habe ich an der SES-Veranstaltung „Elektromobilität: Mit Strom in den Verkehrskollaps?“ in Bern teilgenommen. Dort referierten Prof. Dr. Guzzella von der ETH Zürich sowie Dr. Axel Friedrich aus Deutschland über die Marktchancen von Elektroautos. Die Folien der Präsentationen stehen im Netz zum Download bereit.
Besonders der Vortrag von Prof. Guzzella hat einen grossen Eindruck auf mich hinterlassen — er hat seine äusserst klare Auffassungen mit grösster Effizienz ans Publikum gebracht, dabei aber einige Anwesende sicherlich vor den Kopf gestossen. Recht so, denn nur mit klaren Kontrapunkten kommt die Diskussion in die Gänge!
Mich hat dieser Vortrag im Eindruck bestärkt, dass wir auf dem Holzweg sind, wenn wir unsere gesamte Fahrzeugflotte von Benzin- auf Elektromotoren umstellen möchten. Obwohl er sich nicht mit den Peak Oil-Schauermärchen-Theorie anfreunden kann, ist auch er der Auffassung, dass mit einem solch hirnrissigen Umstieg vom Otto- auf den Elektromotor der Status Quo niemals aufrecht erhalten werden kann. Stattdessen propagiert er klar einen Paradigmenwechsel in den Köpfen der Schweizer und Westler: Sparen, sparen, sparen!
Konkret sähe er die Autoindustrie bereits heute in der Lage, 2 Liter Benzinmotoren herzustellen — doch die Mehrheit unserer Mitbürger sei nicht bereit, solche Fahrzeuge zu kaufen: Weil diese zu klein seien und viel zu langsam von 0 auf 100 beschleunigten. Süffisant liess er sich zur Nebenbemerkung hinreissen:
Das Auto ist nicht dazu da, um irgendwelche Psycho-Probleme zu lösen. 30 PS reichen!
Dies geht auch an die Adresse der Mehrheit meiner Kollegen. Da muss leider noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Die Zukunft des motorisierten Individualverkehrs liegt laut Guzzella auf Grund der unlösbaren Schwächen der Batterietechnologie nicht in Elektro- oder Hybridautos, sondern weiterhin im Verbrennungsmotor. Eindrücklich zeigt er dies auf Folie 22 seiner Präsentation, wo er die Energiedichten von Kohlewasserstoffen und Batterien vergleicht. Falls die Batterietechnologie doch noch markant verbessert werden könnte (was noch nicht erwiesen ist), würde dieses Unterfangen Jahrzehnte in Anspruch nehmen.
Exponenten, die mit unglaublichen Energiedichten ihrer Batterien schwärmen, hält er Toyota vor die Nasen: Wenn Toyota in seinem Prius keine solche Batterie verbaue, existieren diese Wunderbatterien schlicht und ergreifend nicht. Toyota sei ein Autohersteller, der Autos verkaufen müsse, weil das nun einmal das vernünftige Geschäftsmodell der Firma ist. Unrealisierbare Träumereien zu verkaufen überlassen die privatwirtschaftlichen Autohersteller den Hinterhoferfindern, denn diese müssten ja nichts marktfähiges realisieren und sind auch keinem Aktionär Rechenschaft schuldig.
Weiter gab er zu bedenken, dass heutige Elektroautos dem Markt vorbeigeplant seien: Wenn ein Bürger mit seinem Erspartem für 25’000 Franken ein Auto kaufe, werde er sich immer für dasjenige Modell entscheiden, welches auch mal 600 Kilometer an einem Stück mache und danach nicht für 8 Stunden an das Stromnetz angeschlossen werden müsse, sondern innert 3 Minuten aufgetankt sei und danach weitere 600 Kilometer zurücklegen könne (Folie 35). Und das ist nun einmal der VW Polo mit Verbrennungsmotor und nicht ein Elektromobil im Prototypen-Stadium. Wer sich ein Elektroauto kaufe, müsse sich noch einen Zweitwagen leisten, um auch mal vier Personen transportieren und längere Distanzen zurücklegen zu können. Und das könne ja nun wirklich nicht der Sinn der Sache sein.
Guzzella warnt deshalb die Politik davor, Elektroautos zu subventionieren. Das wäre das Gefährlichste, was ein Staat seiner Wirtschaft, Umwelt und seinen Bürgern antun könne. Stattdessen müssten Gesetze erlassen werden, die die Autoindustrie zwängen, effiziente und äusserst sparsame Autos herzustellen — und die Bürger (evtl. mit finanziellen Abgaben) derart einschränken, dass diese nur noch solche Fahrzeuge anschaffen würden.
Nebenbei: Folie 33 zeigt, was ich auch schon hier in meinem Blog erwähnt habe: Das grösste Manko in der IT-Industrie sind die Batterien. Die CPU-Leistung, die Speicherkapazität von RAM und Festplatten steigen zwar linear an, die Energiedichte von Batterien ist hingegen seit Jahrzehnten stagnierend.
Schlusswort
An der Veranstaltung nur von einem Beamten des Bundesamtes für Umwelt angesprochen wurde die Frage, ob wir denn überhaupt so viel Mobilität benötigen … Auch aus meiner Sicht wäre dies immer noch das Grundproblem in diesem weitreichenden Themenkomplex.
4 Kommentare Kommentare
Danke für die interessante Zusammenfassung, so brauch ich mir nicht reuige zu sein, dass ich keine Zeit daran teilzunehmen.
Eine Lösung für das Problem, dass nicht die ganze Fahrzeugflotte auf die Spitzenleistung ausgerichtet ist (Langstrecken, in die Berge, 3 oder mehr Kinder etc) bzw. für Kurzstrecken eben auch kleine, leichte, schwachmotorisierte Autos zur Verfügung stehen, ist der Verzicht auf das private Auto und dafür eine Mitgliedschaft bei Mobility. Die Autos würden dann auch mehr benutzt und weniger herumstehen.
Was der nette Herr jedoch unterschlägt, ist die Tatsache, dass es bereits heute Elektromobile mit 4 Sitzplätzen und einer einigermassen vernünftigen Reichweite gibt.. Beispielsweise Mitsubishi iMiev.
@Michu:
– Wo kann ich das Auto hier in der Schweiz ab der Stange kaufen?
– Zu welchem Preis?
– „einigermassen vernünftige Reichweite“ — offenbar hast du meinen Artikel nicht gelesen, oder noch schlimmer: nicht verstanden. Niemand (von Freaks abgesehen) kauft sich ein Elektroauto, wenn dieses nicht auch mal 600 Kilometer macht und nach 5 Minuten „Ladezeit“ (mit Benzin) nochmals dieselbe Distanz zurücklegt.
Elektroautos sind wie Atomkraftwerke: Die Frage, ob sie sinnvoll sind, lässt sich nicht einfach mit ja/nein beantworten.
Für gewisse Nutzungsprofile sind sie sicherlich effizienter als Verbrennungsmotoren. Fährt der durchschnittliche PW-Besitzer in der Schweiz wirklich so oft Strecken über 200km? Und falls ja, ist das nötig? Und falls ja, wird das auch in 20-50 Jahren noch so sein?
In einigen Spezialfällen wie z.B. Müllabfuhrwagen, welche alle paar Meter wieder anhalten müssen, ist Bremsenergie-Rückgewinnung sicherlich interessant, was mit einem reinen Verbrennungsmotor nicht funktioniert.
Dazu kommen auch noch andere Punkte: Elektromotoren sind konstant effizient; Verbrennungsmotoren oft nur bei einer bestimmten Umdrehungszahl. Hybridsysteme mit einem nur auf Optimaldrehzahl laufenden Verbrennungsmotor und einer Generator/Zwischenspeicher/Elektromotor-Kombination also allenfalls eine spannende Geschichte.
Ebenfalls zu berücksichtigen: Die Möglichkeiten mit Wasserstoff, die (potentielle) hohe Zuverlässigkeit von Elektromotoren und die Vereinfachung von Antriebssystemen, da bei elektrischen Systemen im Prinzip ein erheblicher Teil des Antriebsstrangs wegfallen kann.
Können Benzinmotoren in den nächsten 20 Jahren komplett ersetzt werden? Mit Sicherheit nicht. Aber das Elektromobil grundsätzlich als fragwürdig hinzustellen, ist auch etwas zu voreilig. :)
Auch nicht zu vergessen: Technologiesprünge passieren nur, wenn ein (zumindest eingebildeter) Bedarf existiert. Die Entwicklung neuer Batteriekonzepte (und generell effizienterer Fortbewegungsmöglichkeiten) wird durch das aktuelle Interesse an „grünen“ Fahrzeugen sicherlich beschleunigt. Wenn alle mit dem Benzinmotor glücklich sind, wird es nie eine Alternative geben…
Die meines Erachtens zentrale Frage wurde aber bisher gar nicht angesprochen: Woher kommt die Energie? Beim Öl ist es klar, und ebenso klar ist, dass eines Tages keines mehr da ist. Die Frage ist nur, was zuerst passiert: Die Erschöpfung aller fossilen Brennstoffreserven oder ein klimatechnisches Problem.
Dass Bio-Ethanol aufgrund der riesigen benötigten Anbauflächen ein fragwürdiges Konzept ist, dürfte sich inzwischen rumgesprochen haben.
Bei der Elektrizität ist es auch nicht einfacher: Wenn (rein hypothetisch) alle Autos und Heizungen elektrisch betrieben wären, würde die Schweiz 3x mehr Strom benötigen. Mit lokaler Wasser- oder Solarkraft ist das mittelfristig sowieso nicht zu schaffen, Atomkraftwerke sind zurzeit nicht besonders „en vogue“ und der aus dem Ausland importierte Strom würde zu erheblichen Teilen aus Kohlekraftwerke stammen, welche (im Normalbetrieb…) mehr Radioaktivität ausstossen als AKWs und ebenfalls fossil befeuert werden müssen.
Mit dem Fazit „Sparen, sparen, sparen“ bin ich daher absolut einverstanden. :) Aber freiwillig wird das in unserer auf Bequemlichkeit ausgerichteten Gesellschaft beinahe niemand umsetzen. Helfen würden allenfalls nur massiv höhere Energiekosten.
Und wenn wir das alles dann irgendwann einmal gelöst haben, können wir uns dem grösseren Problem zuwenden: Dem exponentiellen Wachstum der Weltbevölkerung…