Sonntag, 7. Mai 2017
Seit 2010 pilgere ich mit Kollegen jeweils im Oktober an den Cannstatter Wasen in Stuttgart — für Uneingeweihte dem Baden-Württembergischen „Oktoberfest“.
Es ist immer eine Riesen-Gaudi, das Essen ist super und an Flüssignahrung fehlt es selbstverständlich auch nicht. Und: Der Anlass ist nicht derart überlaufen, dass man im Frühjahr jeweils noch ein, zwei Tische/Boxen in einem Festzelt reserviert kriegt. An einem Samstag. Am Abend.
Doch da ich mich selber mittlerweile als angehender Veteran bezeichne, gibt es auch Dinge, die mir in den letzten Jahren immer stärker aufgefallen ist: Da wir eine immer grössere Gruppe werden (dieses Jahr sind 19 Personen angemeldet), wird die Bestellerei am Tisch im Festzelt immer unübersichtlicher.
Wie viele Leute wir auch immer sind — die Schlussabrechnung übersteigt jedes Jahr die Höhe der Verzehrgutscheine. Garantiert. Ohne Ausnahme. Lustig, ne?
Ich werde den Verdacht nicht los, dass die ServiererInnen jeweils die Quittungen nicht ganz wahrheitsgetreu ausfüllen und dabei das eine oder andere Menu und eine ganze Menge Masskrüge Bier hinzufügen. Als Quittung muss jeweils ein Fetzen Papier reichen, welcher am Tischende lagert und mit jeder Minute, in welcher Mitternacht nähr rückt, stärker in Bier und sonstiger Feuchtigkeit ersäuft.
Im letzten Jahr (2016) haben wir mit einer Gruppe von 16 Personen 1120 EUR an Verzehrgutscheinen vernichtet (70 EUR/Person). Trotz diesem stattlichen Betrag musste der Organisator am Feierabend bei der Schlussabrechnung noch weitere 288 EUR nachschiessen (weitere 20 EUR/Person).
Mittlerweile gehört es zum guten Ton, die Quittung jeweils am nächsten Tag im WhatsApp-Chat zu teilen und zu analysieren:
Perplex macht einen vor allem immer die Zahl an Massbieren („Volksfestbier“), weil man damit ausrechnen kann, wieviele Liter Bier pro Person im Schnitt getrunken wurden: 43 Volksfestbiere und 19 Radler ergeben 62 Liter Bier, geteilt durch 16 Personen ergibt 3.875 Liter/Person. Spitzenwert, und die Lebern und Blasen hört man noch im Nachbardorf schreien.
Umso erstaunlicher ist dieser Wert, wenn man bedenkt, dass unserer Gruppe im letzten Jahr (2016) zur Hälfte aus Frauen bestand. Und zwar aus Frauen, die alles andere als Bierliebhaberinnen sind. Geht man davon aus, dass die Damen maximal je zwei Mass Bier bestellt haben, hätte das männliche Pendant jeweils 5.75 Liter Bier trinken müssen, um den Schnitt zu retten. Da kann einfach etwas nicht stimmen — aus Erfahrung bin ich nämlich nach drei Mass Bier reif für einen tiefen Schlaf im Hotelbett.
Selbstverständlich muss man die Zahl noch etwas relativieren: Einerseits ist es wohl so, dass man zu fortgeschrittener Stunde eine Bestellung erhält und dann höchstens ein, zwei Schlücke aus einem Masskrug trinkt — und das Bier dann wegstellt. Die Flüssigkeit wird schlussendlich gar nicht konsumiert. Auch kann es sein, dass man in der Euphorie der Bierzeltstimmung auch mal eine „Runde“ bestellt, ohne dass eigentlich noch irgendjemand Durst hätte. Doch erklärt das wirklich die massiven Mengen?
Belegen kann ich mein ungutes Gefühl leider nicht (im Laufe des Abends nimmt das Schunkeln überhand und ich vergesse, die Aufzeichnung der Essens- und Getränkelieferungen zu überwachen) — doch seit einiger Zeit frage ich mich: Wie behalten eigentlich die Veteranen und Vollprofis die Übersicht über ihren Tisch und ihre Bestellungen? Das würde mich brennend interessieren.