Mittwoch, 31. Januar 2007
Mein gestern zu Ende gegangener Besuch in Kalifornien hat mir in vielen Bereichen die Augen geöffnet – dank dem Erlebten versteht man die Grossstadt-Amis nun ein bisschen besser:
Aufgeschmissen
Insbesondere die Liebe zum Auto ist für mich komplett nachvollziehbar. Während man in San Francisco mit dem ÖV (Muni) noch relativ gut über die Runden kommt (natürlich nicht so pünktlich und sauber wie in Bern), sieht es in Los Angeles schitter aus: Zwar verkehren auch in der Stadt Busse, doch die Kurse machen das Reisen sehr unflexibel. Die Metro wiederum erschliesst Downtown – startet man seine Erkundungstouren in Venice, hat man nichts davon. Deshalb bin ich Raffi überaus dankbar, dass er darauf insistiert hat, dass ich mir gleich am Flughafen einen Mietwagen schnappe und diesen kurz vor der Abreise wieder zurückbringe.
Freizeitbeschäftigung: Stau
Dank Google Maps konnte ich sofort nach meiner Ankunft in Los Angeles hautnah erleben, was eine Grossstadt mit mehreren Millionen Einwohnern und einem nicht-existenten öffentlichen Verkehr ausmacht: Staus. Und zwar habe ich direkt vom Flughafen die Interstat 405 (I-405N) genommen – und kaum hatte ich mich eingespurt, schon staute sich der Verkehr. „Bumper to bumper“, „Stossstange an Stossstange“, wie der LA-Bewohner so schönt sagt. Im Schneckentempo ging es vorwärts, die Dunkelheit um mich herum hell erleuchtet von Autolichtern – 4 Spuren in meiner Richtung, 4 Spuren in der anderen.
Glücklicherweise ist die Situation nur in Stosszeiten derart prekär, durch den Tag hindurch ist man auf dem Highway relativ flott unterwegs. Dennoch liest und hört man immer wieder, wie viele Stunden ein Einwohner Los Angeles bereits im Stau verbracht hat. Aus ökonomischer Sicht kann das ja nun wirklich nicht das Gelbe vom Ei sein (von der ökologischen Sicht gar nicht erst zu reden) …
Stop-And-Go
Auf der „Grünen Welle“ reitet man auch in LA dann und wann, doch je näher die Rush Hours rücken, desto schleppender geht es auf den Hauptstrassen vorwärts. Das Grid-System (rechteckige Parzellen, die von Strassen umgeben sind) mag zur Orientierung hilfreich sein, doch während dem Feierabendverkehr trifft oftmals Verkehr senkrecht aufeinander. Befindet sich in der Nähe dann noch eine Autobahnauffahrt (z.B. die I-405N/S beim Santa Monica Blvd), ist das Chaos auch hier perfekt. Wehe dem, der wie ich von der ganz linken Spur auf die äusserste rechte Wechseln muss … Die Spurwechsel müssen hart erkämpft werden (Motto: Zuerst wird eingespurt, dann geblinkt)
Go, Prius, Go!
Kein Wunder, dass sich die Anschaffung eines Hybrid-Autos (sehr häufig angetroffen: Toyota Prius) durchaus lohnt: Beim Anfahren kommt der Elektromotor zum Zug, der während längerer Fahrten durch den Benzinmotor aufgeladen wird. Man schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits senkt man die Schadstoffaustosse (die Anwohner der Hauptstrassen werden es danken), andererseits spart man Benzin (wer einen Verbrauchsmeter hat, soll diesen im hiesigen Stadtverkehr einmal anschalten – die 5 Liter/100km, die man auf der Autobahn vielleicht hinkriegt, gehören auf städtischem Gebiet ins Land der Träume).
Als Bonus darf man als „Clean Air Vehicle“ die speziellen Spuren auf den Autobahnen benutzen, die „Car Pools“ vorbehalten sind – 2 oder gar 3 Personen müssen sonst in einem Fahrzeug sitzen, damit man sich dieser Spur bedienen kann. Fahrgemeinschaften sind in Kalifornien aber rar, wenn ich mich auf meine eigenen Beobachtungen verlassen kann.
Annehmlichkeiten
Während einer Fahrt auf der schnurgeraden Interstate 5 (I5-N) wird einem schnell klar, dass …
- Cupholder
- Automat
- Tempomat
- Klima-Anlage
- Ellbogen-Ablage hinter der Handbremse
… wohl fast zwangsläufig in diesem Land erfunden und rasend schnell Verbreitung gefunden haben müssen. Wenn man schon mehrere Stunden im Auto verbringt, sollte man es sich auch so richtig gemütlich machen können!
Fazit
Wir dürfen den Amis weiterhin dankbar sein für diesen milden Winter, doch eine Pauschalverurteilung greift einfach zu kurz – vor allem, wenn Kritiker noch nie mit dem Auto in den US of A unterwegs waren. Zumindest verstehet man die Motive nun etwas besser als vorher. Ob es nicht auch anders – ökologischer – gienge? Nun, vielleicht steigt der Druck zur Minderung des CO2-Ausstosses ja doch noch irgendeinmal …
Während meines Aufenthaltes sah ich jedenfalls auf der Titelseite einer Zeitung die Befürchtung, dass mit der Klimaerwärmung die Wasserversorgung in Kalifornien kritisch verschlechtern würde. Ob das Problem aber gelöst werden kann, indem man die Hersteller der Fahrzeuge – und nicht etwa die tatsächlichen Verursacher, Kaliforniens Einwohner selbst – verklagt, ist äussert fraglich.