Archiv ‘Politik’

Montag, 4. September 2006

Bald Minarett-Verbot in Zürich?

Der Zürcher Kantonsrat will ein Bauverbot für Minarette prüfen. Er hat heute eine Parlamentarische Initiative der SVP knapp mit 62 Stimmen vorläufig unterstützt. Nötig dazu waren 60 Stimmen.

Kantonsrat prüft Minarett-Verbot

Ich finde es gut, dass die Partei, die immer derart gegen den Paragraphen-Dschungel wettert, nun wieder einmal selber aktiv an dessen Erweiterung herumdoktert. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis die gläubigen Muslime in Zürich einen weissen Stofffetzen in Form eines Halbmondes auf ihre Kleidung nähen müssen …

Natürlich war die Initiative vom gewohnten zürcherischen Gepolter begleitet:

Der Islam sei die grösste Gefahr für die westliche Welt, das Minarett-Verbot deshalb angebracht, sagte der Schweizer Demokrat.

Echt? Rein statistisch gesehen sterben in der Schweiz jährlich deutlich mehr Menschen an Krebs, als seit Menschengedenken hierzulande durch den Islam umgekommen sind (kann eine Religion überhaupt morden?! Ich glaube er meinte eher muslimische Fundamentalisten?) … Aber henusode, der SDler wird es ja wohl wissen. Wie zudem ein Minarett (altdeutsch: Kirchenturm) unsere westliche Welt gefährden soll, ist mir schleierhaft.

Abgesehen davon sehe ich persönlich Intoleranz als grösste Gefahr für diese Welt.

Würden sich die intoleranten Rechten doch lieber für den Schutz der Umwelt einsetzen – steigen die Temperaturen und schmelzen somit die Eisbrocken an den Polen, ersäuft in den Küstenstädten jeder – ob Muslim, Christ oder Atheist.

Amen.

Nachtrag

Für alle, die die ganze Sache etwas weniger eng sehen (ich weiss, heutzutage fehlt es uns einfach an diesem bequemen Schwarz/Weiss-Schemata), habe ich hier noch eine nette Diskussion mit Komiker Colbert und einem anderen Stephen (Tipp: Man kennt ihn aus einem Film über die Jungfräulichkeit im hohen Alter):

Labels: Politik

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen

Samstag, 2. September 2006

Heute im Magazin

„Das Magazin“ – Samstagsbeilage des Tagis und der Berner Zeitung und in meinen Augen die deutlich bessere Weltwoche. Mit Klöppels Rückkehr erst recht.

Heute hatte ich während dem Konditionstraining am Velo im Training Schneider für einmal genügend Zeit, das Magazin bis zur Mitte durchzulesen. Gleich mehrere Highlights sind mir ins Auge gestochen:

Diktatur im Kinderzimmer? (S. 9)

Äusserst interessiert las ich die Leserbriefe zu einem kontroversen Artikel in einer der vorherigen Ausgaben: Hat sich das Frischgeborene seinen Eltern zu fügen oder die Eltern dem Frischgeborenen (aufgezeigt anhand der Aufzwingung eines von uns Erwachsenen als „normal“ eingestuften Schlafrhythmus)?

Die Meinungen sind geteilt. Überzeugend empfand ich die Aussage …

Über Jahrtausende wurden Säuglinge am Körper getragen. Unser Nervensystem ist nicht darauf eingestellt, sich selbst überlassen zu werden. […]

Bahnhof verstand ich hingegen hier:

[…] Viel Weinen könnte verhindert werden, wenn Neugeborenen mit routinemässiger Craniosacraltherapie [Hä? Kann man das im Vatikan kaufen?] an Geburtskliniken die Möglichkeit zur Bewältigung ihrer Geburtstraumata gegeben würde.

Ha! Ab sofort kann sich jeder Bösewicht auf diese Trauma berufen, und all seine Vergehen werden ihm entschuldigt *grins*

Überfremdungsängste (S. 10)

Ob James seine Überfremdungsinitiative wohl auch lanciert hätte, wenn nicht nur deutsche Arbeiter, sondern deutsche Menschen gekommen wären? Die Frage sei dahingestellt, jedenfalls zeigt der Autor im „Journal der Gegenwart“ auf, was ein unüberlegtes Posting eines deutschen Wahl-Zürichers [sic!] im Forum Ronorp.ch alles drunter und drüber gehen liess.

In der Tat sind die Bewohner des 27. Kantons heute an den Hochschulen, aber auch im Gesundheitssektor omnipräsent. Ich gebe Kollege Smythe recht, wenn er sagt:

Warum wirken die Deutschen neben uns kleinen Schweizern immer so verdammt intellektuell?!

Quelle: Gerzensee

Aber he, wir sind halt auch die Kuhschweizer. Und das Stachelschwein trotzt dem Nachbarn aus dem Norden weiterhin …

Das Fazit des Magazin-Autors kann ich aus ganzem Herzen befürworten:

DER LETTEN DEN LETTINNEN

Siehe auch: Clemens

Der alleinseelig machende Freie Markt

Ob eine freie Wahl der Pensionskassen die Swissfirst-Misere verhindert hätte? Glaube ich kaum. Alljährlich zeigt Comparis auf, wie viel Geld wir beim Wechsel zu einer billigeren Krankenkasse sparen könnten. Und wer wechselt effektiv? Ein Prozent? Ein Promill der Versicherten? Manchmal verhalten sich die Konsumenten halt doch nicht so, wie es die Liberalen gerne sähen.

Und selbst die Liberalen scheinen unter teilweiser Amnesie zu leiden:

Doch in der Schweiz hat der Wettbwerb [unter den Pensionskassen] auch auf bürgerlicher Seite schlechte Karten. Erst im vergangenen März hatte der für die berufliche Vorsorge zuständige Bundesrat Pascal Couchepin – wiewohl als Freisinniger theoretisch ein Wettbewerbsverfechter – die freie Kassenwahl vom Tisch gefegt. […] Dieser mangelnde Mut für mehr Wettbewerb ist nicht verwunderlich. Exekutive und Parlament üben sich viel lieber im Regulieren. Schliesslich vermitteln neue Gesetze den Politikern das Gefühl, ihrer Kontroll- und Aufsichtspflicht nachgekommen zu sein. […] Heute verschlingt die Verwaltung der 8000 Pensionskassen für Abrechnungen, für Mutationen ihrer Mitglieder und dergleichen über eine Milliarde Franken jährlich.

Quelle: „Von den Krankenkassen lernen“, Das Magazin, Nr. 35, 2. August 2006, S. 14.

Lese ich den letzten Satz, erinnere ich mich an die Recherchen zu meiner ersten Schriftlichen Arbeit im Grundstudium (SAG). Dort untersuchte ich die Entstehung der obligatorischen Arbeitslosenversicherung Ende der 1970er. In der Zeit der Vollbeschäftigung nach dem Zweiten Weltkrieg gab es unzählige Arbeitslosenkassen, die jahraus, jahrein einzig ihren Wasserkopf in der Verwaltung subventionierten. Hilfebezüger gab es damals keine zu unterhalten.

Hätten unsere Ahnen doch eine grosse Pensionskasse in Bundesobhut geschaffen. Doch jetzt baden wir aus, was wir uns eingebrockt haben.

Hanf-Ueli verklagt … (S. 16)

Lustig auch die Story über Ueli Maurer, seineszeichens SVP-Häuptling, Hanf-Pflanzer und wohl bald auch verurteilter Unterschriftenfälscher. Die Story erscheint mehr als Parodie, ist aber wohl wirklich ernst – doch lest selber.

Lustig fand ich eher das:

Es wimmelt in seinen [Alfredo Lardellis] Eingaben von juristischen Floskeln: „In rubrizierter Angelegenheit“, „in substanziell rechtlicher Hinsicht“, „wie nachweislich bekannt geworden ist“. Seine Lieblingsadjektive sind „apodiktisch“, „elkatant“ und „dezidiert“.

Quelle: „Der will nur spielen“, Das Magazin, Nr. 35, 2. August 2006, S. 20.

Frauen in die Armee! (S. 22)

Da werde sogar ich für einen Sekundbruchteil Fan der israelischen Streitmacht: Die Titelstory erzählt über israelische Soldatinnen. Gäbe es das auch in der Schweiz (und damit meine ich nicht die vereinzelten Mannsweiber), würden die Zahlen der als untauglichen Ausgemusterten rasant in den Keller fallen.

Sollte ich mich gar mit den erklärten Israel-Freunden Smythe und Wahlistar zusammentun und als Doppelbürger des gelobten Landes bewerben, damit wir dort dann alle drei zusammen Dienst tun und die Welt zu einem friedlicheren Ort machen könnten?

Die Aussage der 20-jährigen Natalie jedenfalls zeugt von einem Blick für’s Ganze und einer bodenständigen, ja gar friedliebenden Auffassung des Lebens:

„Wir werden nie mehr Verlierer sein. Wir werden um keinen Preis den einzigen Platz auf der Welt aufgeben, an dem wir normal leben können.“

Quelle: „Ende der Unschuld“, Das Magazin, Nr. 23, 2. August 2006, S. 23.

Meint sie die USA? Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass man in Israel schon jemals „normal“ leben konnte (?). Immer die Angst vor Selbstmordattentätern, selbst beim Disco-Besuch in Tel Aviv, oder Raketen, die einem auf den Kopf fallen könnten. Und an den Grenzen „blutrünstige“ Araber (und etwas weiter Weg gar Perser, notabene, die unbändig nach der friedlichen Nutzung Kernkraft streben).

Es reicht auch, nur die Fotos anzuschauen. Irgendwie finde ich geschminkte Frauen in Uniform und geladener M-16 … anziehend?

Labels: Politik

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen

Sonntag, 23. Juli 2006

Pistenverlängerung Flughafen Bern-Belp

Beim Aufräumen entdeckt man eine Menge alter Zeitungsschnipsel, die man noch am selben Tag im Blog kommentieren wollte. Nichts wurde draus. Hiermit hole ich dies nach:

Der Vorstand der SVP-Sektion stellt sich hinter den geplanten Drei-Millionen-Kredit für die Verlängerung der Flughafenpiste. Die Gründe, die von linker Seite im Rahmen des Referendums vorgebracht würden, entsprächen „alter, unflexibler linker Ideologie“. Der Flughafen Bern biete über 400 Menschen einen Arbeitsplatz und das Projekt diene lediglich ander Anpassung an neue Sicherheitsvorschriften.

Quelle: Der Bund, 4. Mai 2006, „SVP kritisiert Referendum“, S. 28

Verstehe ich die bürgerlich Partei richtig, dass Kredite an Privatunternehmen dann gerechtfertigt sind, sobald dieses eine gewisse Anzahl Personen beschäftigt? Ich kann mich erinnern, dass gerade diese Partei sonst immer stark mit „weniger Staat“ weibelt. Schliesst diese Parole Subventionen aus? Die SVP-Fraktion im Nationalrat war jedenfalls gegen die 2 Milliarden für die Sanierung der Swissair (ich übrigens auch). Dabei beschäftigte gerade diese Bude doch eine Vielzahl der Angestellten des hiesigen Flughafens …

Die risikobehaftete Investition solle nicht durch die öffentliche Hand, sondern durch Private finanziert werden, sagte Kropf. Alpar-Direktor Charles Rysen widersprach dieser Darstellung: Der volkswirtschaftliche Mehrwert, den der Flughafen generiere, rechtfertige es, dass sich der Staat an den Ausbaukosten beteilige.

Quelle: Referendum zustande gekommen

Aha, generieren denn all die KMUs im Kanton Bern keinen „volkswirtschaftlichen Mehrwert“? Auch mit diesem Argument könnte wirklich jeder Betrieb in unserem Land auf Staatssubventionen pochen. Ob das der Sinn der Sache ist?

Ich gehe jedenfalls mit der Meinung meiner Partei einher, dass der Flughafen die Verlängerung der Piste selber berappen sollte.

Ausbau?

Gerade gestern diskutierte ich mit Kollegen Belina – im Muribad nahe des Flughafens Bern-Belp sitzend und den regen Flugverkehr und -lärm bestaunend – über die Pistenverlängerung, aber nicht mit Blick auf die verschärften Sicherheitsauflagen, die den Ausbau nötig machen, sondern mit Blick auf eine mögliche Vergrösserung des Flughafens.

Ich bin der Meinung, dass wir in der Schweiz mit Zürich, Genf und Basel genügend grosse Flughafen besitzen. Es kann nicht Sinn der Sache sein, den Flughafen Bern nun auch noch nach und nach auszubauen und damit immer mehr Flugverkehr anzulocken. Dank guten Eisenbahnverbindungen erreicht man die Grossflughäfen in Windeseile, weshalb ein Ausbau von Belp eher der Bequemlichkeit der Reisenden zuzuschreiben wäre. Nicht dass man mich falsch versteht: Auch ich habe nichts dagegen, in 30 Minuten beim nächsten Flughafen zu sein. Leider ist das nur eine Seite der Medaille: Die Lärmfrage würde dann aber nicht nur mehr in Zürich-Kloten diskutiert …

Da das Referendum mittlerweile zustande gekommen ist (u.a. auch mit meiner Unterschrift), bin ich gespannt, ob der Steuerzahler und Stimmberechtigte dem Flughafen unter die Arme greifen möchte. Viele Personen, die für den Kredit sind, werden primär aus Sicht des Ferienreisenden argumentieren („nahe gelegener Flughafen, kurze Anreisezeit“, „schnelle Abfertigung“) oder aber im Stile von „fördert den Wirtschaftsstandort Bern“ (was ich bezweifle – um Zürich Konkurrenz zu machen benötigen wir einiges Mehr als eine längere Piste). Ich denke aber, dass auch viele vom Lärm geplagten Anwohner ein ‚Nein‘ in die Urne legen werden, um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Abgesehen davon wird – wie oben ausdiskutiert – noch ein zweiter Graben bestehen zwischen den Befürwortern von Staatssubventionen an Privatunternehmen und Personen, die gerade in solchen Dingen auf den freien Markt pochen.

Labels: Politik

1 Kommentar | neuen Kommentar verfassen

Mittwoch, 5. Juli 2006

Mythos "linke Presse"

In den letzten Monaten vernahm man von Seiten der JSVP immer wieder den Vorwurf, die Presselandschaft Schweiz sei stockschwul stocklinks. Als studierender Medienwissenschafter im Nebenfach darf natürlich mein Senf zu diesem Gericht nicht fehlen.

Schwammig zum Ersten

Bereits bei dem aus zwei Wörtern bestehenden Kampfbegriff sei eine Frage erlaubt: Was zum Teufel heisst denn jetzt „links“? Schwach links-liberal? Gar sozialistisch? Kommunistisch?

Antwort könnte eine Doku-Sendung geben. Per Zufall zeigte uns Prof. Roger Blum gerade in dieser Zeit in der Vorlesung „Einführung in die politische Kommunikation“ eine Doku zum 50-Jahre-Jubiläum des Schweizer Fernsehens mit dem sinnigen Titel: „Vom Schmuddelkind zum Leitmedium“.

Irgendwo im Film fällt die Aussage (sinngemäss):

„Für die SVP ist alles links, was nicht ihrer eigenen Meinung entspricht“

Bezeichnet man mit „links“ also gar nicht konkret zu bewertende Aussagen von Presseerzeugnissen, sondern primär einmal alles, was einer bestimmten Partei nicht in den Kram passt? Eine Kritik also, weil in den Medien plötzlich nicht mehr das einfache und propagandistisch effiziente Schwarz-/Weissbild wiedergegeben wird, sondern ein grauer Teppich?

Die Angelegenheit wird jedenfalls zunehmends schwammiger – aber zeigt auch auf, von wem primär die Kritik ausgeht: Von der Schweizerischen Volkspartei. Ich habe mir zwar jetzt nicht die Mühe gemacht, nach Voten von Anhängern anderer Parteien zu suchen, habe aber das Gefühl, dass dies eines der vielen SVP-Selbstbemitleidungs-Themen ist, die periodisch herumgeistern.

Punkt 1: Macht man den Vorwurf, ist „links“ hieb und stichfest zu definieren. Meint man damit die Nachrichtenauswahl (welche Themen bringt eine Redaktion überhaupt in die Zeitung)? Oder meint man die Meinungsäusserung von Journalisten in Kolumnen und Leitartikeln, bspw. vor Wahlen und Abstimmungen?

Schwammig zum Zweiten

Nachdem als der Terminus „links“ für Verwirrung sorgt, folgt zugleich die nächste Unklarheit: Was meint man mit Presse? Sind das Presseerzeugnisse (also einzelne Blätter wie – bspw. – die NZZ)? Oder noch mehr generalisierend ganze Medienhäuser? Oder meint man doch nicht eher – eine Ebene tiefer als die Zeitung – linke Journalisten?

Die Parteizeitungen sind in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zunehmends von der Bildfläche verschwunden. Neben der (unbestritten) linke WoZ oder die liberale NZZ oder die rechtsnationale Schweizerzeit gibt es kaum eine Zeitung, die sich explizit zu einer Partei oder (etwas vager: einer politischen Strömung) zugehörig fühlt. Hier vollzieht sich eine Entwicklung, die die zwei angelsächsischen Länder USA und Grossbritannien bereits im 19. Jahrhundert abgeschlossen hatten.

Ich bezweifle, dass Medienhäuser freude daran hätten, als „links“ bezeichnet zu werden – schliesslich brächte sie das in Konflikt mit dem liberalen Credo des freien Marktes und des Kapitalismus (die Linke ist bekanntermassen ja bereit, diese Grundsätze zum Wohle der Schwachen mal mehr, mal weniger zu dehnen).

Punkt 2: Meint man mit Presse einzelne Tageszeitungen, wohlwissend, dass es sich bei dieser Generalisierung um ein schwer fassbares Gebilde handelt, das sich aus Individuen (Medienschaffende) mit unterschiedlichen Meinungen und Auffassungen zusammensetzt? Man vergesse nicht: Redaktionen sind nicht gleichgeschaltet.

Auswirkungen

Selbst wenn die Presselandschaft Schweiz „linksdominiert“ wäre – welche Auswirkungen hat das?

Die SVP beklagt sich (in einem mir gerade präsenten Fall) darüber, dass ihre Aktion mit „trojanischem Pferd“ (nie gehört – eben wohl gerade wegen der Nichtbeachtung durch die Medien *grins*) in keiner Zeitung erwähnt wurde. Medienschaffende wählen aber veröffentlichswerte Nachrichten nicht primär nach ihrer Gesinnung aus (Motto der Verschwörungstheoretiker: „die linken News in die Zeitung, die rechten in den Rundablage …“) sondern viel rationaler nach den sog. Nachrichtenwerten oder -faktoren. Gerade wenn es sich um künstlich Ereignisse dreht, die rein nur stattfinden, um Medienpräsenz zu erlangen, darf keinem Redaktor der Vorwurf gemacht werden, das Thema willentlich weggelassen zu haben. Auch hier regiert – in übertragenem Sinne – der Markt: Die interessantesten, spannendsten, farbigsten Nachrichten werden gedruckt. Etwas, was den Rechten ja durchaus gefallen müsste. Das spornt an und führt unter dem Strich für alle Marktteilnehmern zu positiven Auswirkungen – wie öde wäre eine Quote an vermeintlich „linken“ und „rechten“ Artikeln?

In der Medienlandschaft besteht in heutiger Zeit sowieso die Tendenz, nicht einfach zu verlautbaren, was der Pressesprecher der SVP gesagt hat, sondern diese Aussagen in den Gesamtzusammenhang zu setzen und dem Leser eine Interpretation zu liefern (Stichwort: Komplexitätsreduktion). Zum guten Ton gehört es im Journalismus hierbei, beide Seiten zu Wort kommen zu lassen und Argumente beider Seiten abzudrucken.

Selbstverständlich schimmert aber spätestens bei Kommentaren und Leitartikeln dann die Gesinnung wieder durch. Diese sind nach aller Regel der Kunst dementsprechend gekennzeichnet (im Bund beispielsweise mit kursivem Titel).

Gerade bei Abstimmung verlangt es der Leser meiner Meinng nach, eine Wahlempfehlung präsentiert zu bekommen. Und zwar nicht ein simples „Ja“/“Nein“, sondern eine erläuterte Entscheidfindung mit guten, nachvollziehbaren Argumenten. Jeder Medienwissenschafter weiss zudem: Es ist schier unmöglich, Einstellungen eines sog. Rezipienten durch Medienaussagen um 180 Grad zu drehen. Die Verstärkung einer bestehenden Meinung dagegen liegt im Bereich des Möglichen.

Ein kurzes Beispiel mit Blick auf das Asylgesetz: Selbst wenn die Linken einen millionenteuren Wahlkampf führen würden – der Xenophoe wird deswegen garantiert immer noch Ja stimmen. Lassen rechte Kreise vor der Abstimmung aber verlauten, dass es mit den Stimmenzahlen knapp werden könnte, kann dies ein Grund sein, mehr Personen (mit rechter Gesinnung) zum Gang ins Wahllokal zu mobiliseren …

Wieso so viele linke Journalisten?

Die Rechte muss sich aber noch eine weiterführende, fast philosophische Frage gefallen lassen: Gehen wir von einem liberalen Modell aus (dass in mir einmal solche Gedankengänge stattfinden – ein Novum!), regelt sich der „Medienmarkt“ selber. Eine „linke Presse“ wäre also das Resultat marktwirtschaftlicher Kräfte. Ein Markt, auf dem es anscheinend für rechte Presse-Erzeugnisse kaum Überlebenschancen gibt. Zumindest ist mir keine auf SVP-Linie polternde Tageszeitung bekannt. Wieso? Geht man von den Wählerzahlen aus, denkt ein Viertel der Wähler in ähnlichen Bahnen wie die „Volkspartei“ – handelt es sich dabei allesamt um Analphabeten? Oder stehen wir schon im Endstadium der Verweigerungshaltung gegenüber der „linken Presse“? Oh graus: Lesen SVP-Wähler nicht überproportional den (heute linken) Blick? Wieso tut man sich das an? Gerade den Rechten sollte es doch finanziell kaum schwer fallen, eine rechte Tageszeitung (welch ein Wortspiel!) zu lancieren …

Anderer Ansatz: Produzieren die Rechten einfach zu wenige fähige Journalisten? Wieso? Studieren weniger Personen aus diesen Kreisen? Oder absolviert man als richtiger Rechter wirtschaftsnahe Studiengänge?

Labels: Medien, Politik

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen

Dienstag, 4. Juli 2006

Prüfung / Klausur ‚politische Kommunikation‘ Blum – Fragen

So, mit dem heutigen Tag beginnt auch für mich die „vorlesungsfreie Zeit“ (Professoren hüten sich wohlweislich, diese dreieinhalb Monate bis Beginn des Wintersemesters als „Ferien“ zu titulieren). Heute gegen 9 Uhr habe ich den Klausur-/Prüfungsbogen über die Vorlesung „Einführung in die politische Kommunikation“ abgegeben.

Wenn alles gut läuft und ich eine genügende Note hinkriege, werde ich nie mehr eine Prüfung über eine Vorlesung ablegen müssen. Langsam, aber sicher, nähert sich mein Studium dem glorreichen Ende. Vorher sind aber noch eine Seminararbeit, zwei Proseminararbeiten (Geschichte) sowie zwei Seminararbeiten und eine Facharbeit (Medienwissenschaften) zu präsentieren. Dann vielleicht doch lieber noch ein, zwei Klausuren?

Neuerung: Nur noch Multiple Choice!

Wohl auf Grund der Beschränkung der Mittel durch die Universitätsleitung sah sich das ikmb gezwungen, die Prüfung komplett aus Multiple Choice-Fragen zu gestalten. Blum-Prüfungen enthielten in früheren Jahren zur Einstimmung sonst immer nur zehn solcher Frage, gefolgt von kleinen Textantworten und als Abschluss noch ein grösseres Aufsätzchen.

Diese Mal gab es also nur noch Ankreuz-Fragen, und zwar musste man Aussagen mit ‚Wahr‘ oder ‚Falsch‘ bewerten. Insgesamt gab es 79 Fragen à 1 Punkt (sprich: Total 79 Punkte), wobei die Prüfung aufgeteilt war in 10 Fragen zur Einleitung (ganzes Stoffgebiet), 55 Fragen à ca. 11 Abschnitte zu bestimmten Teilschwerpunkten und schlussendlich noch 14 Fragen zur „Theorie“.

Was mir noch in Erinnerung ist (Achtung: nachfolgend keine Feststellung, sondern Behauptungen, die mit ‚Wahr’/’Falsch‘ beantwortet werden müssen):

  • Die Schweigespirale ist empirisch belegt
  • Sind folgenden fünf Veranstaltungen egalitär-diskursiv mit öffentlicher Repräsentation?
    • Bauern-Demo auf Bundesplatz
    • Bundesratssitzung
    • Senatssitzung USA
    • Albisgüetli-Tagung der SVP
    • Landsgemeinde in Glarus
  • Wahl- und Abstimmungskampf der SVP (30er Jahre, negative campaining)
  • Regierungskommunikation bei Abstimmungen (herrschaftsfreier Diskurs nach Habermas …, gilt das Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung (gut geraten!), nirgends auf der Welt sind Regierungssitzungen öffentlich)
  • Untersuchung über politische Diskussionen in Deutschland (Spezifisch: Wo wird diskutiert? mit Nachbar, auf der Arbeit, diskutieren Ossis mehr als Wessis, wird gar nicht diskutiert)
  • Politischer Bias von Journalisten (Fernsehen selektiert nach Nachrichtenwert, Selektion der Nachrichten nach pol. Einstellung? Kommentare nach pol. Einstellung? Eine Mehrzahl der amerikanischen Journalisten würde nie im Leben in die Politik wechseln wollen)
  • Amerikanisierung in der CH (Parteien, Medien, …)
  • Policy beschreibt Prozesse der Politik
  • Opinion Leader sind wichtigstes Element des Two-Step-Flow of Communication
  • Es gab bisher drei Strukturwandel der Öffentlichkeit
  • Landsgemeinden gibt es in Glarus, Appenzell I., Obwalden, Graubünden.
  • Unterstützung der Verlage durch Bund – Thema ging unter, nur darüber berichtet, was Bundesrat meint (Instrumentalisierung schwacher Medien, „super-system“, Ressourcenmangel, Nachrichtenfaktor Bundesrat grösser als Verlage/Studienautor, …)

Gefehlt haben:

  • Definition pol. Kommunikation
  • öffentliche Meinung

Diskrepanz

Die Prüfung verlangte ein deutlich tieferes Fachwissen als man als Besucher der Vorlesung erwartet hätte. Obwohl ich das Gefühl hatte, mich gut auf die Klausur vorbereitet zu haben, war die Beantwortung einer Vielzahl der Fragen eine Lotterie. Das Script jedenfalls enthält nicht alle Antworten auf die gestellten Fragen.

Aber eben: Die Notenskala ist ja flexibel, hoffen wir also, dass Mitstudenten ebenso Mühe hatten.

Labels: Politik

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen

Dienstag, 27. Juni 2006

Blocher an der Uni: Tumulte

Hier bereits einmal zu voreilig angekündigt, nun aber doch noch wahr geworden: Heute Dienstag-Morgen fand der Besuch unseres Bundesrats Christoph Blocher an der Universität Bern statt. Gastgeber war Professor Roger Blum vom IKMB, der den Magistraten als Gastredner zur diessemestrigen Vorlesung „Einführung in die Politische Kommunikation“ geladen hatte.

Rückblickend gab es beim Besuch eines Gastreferenten wohl noch nie einen derartigen Tumult. Doch alles der Reihe nach.

1. Akt

Der Beginn der Veranstaltung war auf 8 Uhr 30 angesetzt gewesen – optimal für mich als Zugreisenden, der just um 08.15 Uhr im Bern mit der S1 eintraf. Ohne Beeilung erreichte ich die Aula und setzte mich in die vorderen Ränge – aber erst, als sich mein Nachbar davon versichert hatte, dass ich in meinem Schulsack keine Rauchbombe mit mir führte.

Wie ich gleich anschliessend erfuhr, hatten nämlich links-extreme Kreise angekündigt, den Besuch mit einer ebensolchen Bombe zu stören. Sogar 20minuten schrieb heute Morgen darüber.

8 Uhr 30 verstrich, ohne dass sich der SVP-Bundesrat blicken liess. Immerhin sah ich ein bekanntes Gesicht – ein grosser, hagerer Mann, dunkel-graue Haare, der bereits beim Besuch von Micheline Calmy Rey vor einigen Wochen zugegen war. Ein Exponent der Uni? Oder doch ein Sicherheitsbeamte? Oder jemand aus der Bundeskanzlei? Auch Sicherheitsleute waren gut sichtbar an den Eingängen der Aula postiert.

Plötzlich trat Roger Blum vor die Anwesenden und beschied uns, dass der Besuch auf Grund von Sicherheitsvorkehrungen in das Auditorium Maximum im unteren Stock zügeln müsse. Dort wolle man die Taschen der Teilnehmer vor dem Einlass durchsuchen, wofür gut sichtbar Polizisten bereit standen.

Etwa hundert bis zweihundert Studenten trotteten also brav die Treppe hinunter und strömten über die hinterste und vorderste Tür in den AudiMax. Eingangskontrolle und „Filzung“ fand aber wider Erwarten keine statt, was sich als folgenschwerer Irrtum der Organisatoren herausstellen sollte. Da sassen wir nun im zweiten Raum, doch auch hier keine Spur von Blocher.

Ein Techniker schaltete den Beamer ein und schien etwas auszuprobieren. Was er vorhatte, konnte ich nicht genau erkennen. Ich vermutete, dass man wohl versuchen wollte, eine Video-Übertragung durchzuführen: Blum und Blocher im oberen Stockwerk, die Gäste abgeschirmt im Vorlesungsaal gleich darunter?

Erneuter Planwechsel

Nach weiteren zehn Minuten wurden wir alle richtig stinkig gemacht: Zurück in die Aula, dieses Mal aber wirklich mit Taschenkontrolle. Der Geduldsfaden schien bei den ersten zu reissen, doch die Mehrheit bewegte sich ohne Murren wieder die Treppen hoch.

Dann begann das lange Warten: Jede Person wurde von Polizisten in Uniform vor dem Einlass durchsucht, Taschen mussten draussen bleiben. Während dem Anstehen hörte ich hinter mir:

U das aues nume um ne Rächtspopulischt z’ghöre … *kopfschüttel*

Irgendwann einmal gelangte auch ich in den Saal zurück und suchte mir im hinteren Teil ein freies Plätzchen. Dort traf ich auf Kollegen RS. Wer ihn nicht kennt: Feuerrote Haare, Alternativ-Look, Che-Guevarra-Tattoo auf dem Oberarm, Rugby-Spieler. Zur Feier des Tages hatte er sich auch noch ein Che-T-Shirt aus dem Kleiderschrank geholt.

Nach einem kurzen Smalltalk-Geplänkel wurde ich von RS‘ Kollegen angehauen, ob ich denn auch ein Linker sei wie sie. „Naja, …“ antwortete ich, „halt so ein Cüpli-Sozi und Kaviar-Linker“. Das Interesse an meiner Gesinnung nahm schlagartig ab. Ich machte es mir auf meinem Stuhl gemütlich und wartete gespannt, aber sichtlich genervt zugleich auf den Auftritt des Justizministers.

Wie sich in Kürze herausstellen wird, habe ich mit meinem Sitzplatz – wäre ich an einem Fussballmatch – die Muttenzer-Kurve erwischt (der Vergleich hinkt natürlich ein wenig, da es sich bei den Leuten um mich herum nicht um „Fans“ des „spielenden Teams“ (Blocher) handelt).

Akt 2

Um etwa 9 Uhr 30 dann endlich die Erlösung: Blocher betritt den Saal. Aus meiner Warte heraus sehe ich ihn fast gar nicht – „Jööö, ist der klein!“ denke ich mir im Stillen: Blocher scheint etwa meine Körpergrösse zu haben.

Kaum im Raum, geht das Gebuhe los: Zuerst tönt es, als würde alle Anwesenden gleichermassen schreien, doch hört und schaut man genauer hin, gibt es im Raum etwa 10-15 Personen, die den Radau verursachen. Zusätzlich stampft man mit den Füssen. Die restlichen Studenten schauen sich kopfschüttelnd an.

Auf Grund des Heidenlärms versteht man von Blums Einführung des Gastes kein Wort. Blocher scheint angespannt, sein Kopf leuchtet rötlich. Blocher erstaunt mich und Kollegen Stähli gleichzeitig, indem er den Raum nicht etwa verlässt, sondern sich mutig vor die Menge stellt. Wir beide an seiner Stelle hätten längst reiss aus genommen. Blochers überlegtes Verhalten wird ihm im Laufe der Veranstaltung zu Gute kommen.

Langsam kehrt Ruhe ein, doch dann und wann gibt es wieder Zwischenrufe aus den Reihen der Unruhestifter. Die Kritik scheint sich hauptsächlich gegen die Revision des Asylgesetzes zu richten. Immer wieder hört man „Sans papiers!“ und andere Schlagworte.

Wohltuend ausgleichend steht plötzlich ein mit Zivilcourage bestückter Zeitgenosse auf und brüllte mit hochrotem Kopf Richtung der Unruhestifter:

Houet doch ab, dir Arschlöcher!

Das Votum wird durch Beifall unterstützt, nimmt den Radaubrüdern aber keineswegs die Motivation.

Blocher spricht nur kurz über seinen Kommunikationsstil, hastig und ohne klare Struktur. Die Kernaussage scheint aber beim Publikum anzukommen: Rede so, damit dich der gegenüber versteht. Die Aussage besteht in unserem Fall auch gleich den Praxis-Test – Blocher ist (wie erwartet) ein sympathischer Redner ohne verklausulierte Satze, geschliffener Aussprache und Fremdwörtern.

Akt 3

Der letzte Teil des Gesprächs mit Blum verläuft sehr ruhig. Zuerst stellt unser Medienwissenschaftler einige pointierte Fragen (u.a. „Kommunikationsdebakel Swisscom“). Danach erhält der Saal das Wort.

Auf Fragen der Linken, die sich nur um das Ausländergesetz, nicht aber das Thema der Vorlesung („politische Kommunikation“) interessieren, antwortet Blocher souverän und ruhig, wehrt Zwischenrufe Arena-like mit „Jetzt bin ich aber dran!“ ab. Alles in allem ist die Argumentation der Freiheitskämpfer unter aller Sau. Ob Blocher den Ausgewiesenen auch in die Augen schaue? will jemand wissen. Wie er dazu stehe, wenn den Ausgewiesenen im Heimatland der sichere Tod drohe? Oder wenn bei der Ausschaffung gar Auszuschaffende sterben?

Blocher betont, dass es bei Ausschaffungen keine Toten geben dürfe. Deshalb seien neue Gesetze erlassen worden, die klar Regeln, welche Hilfsmittel bei der Ausschaffung angewendet werden dürfen und welche nicht. Zudem berichtet er, dass er selbst bereits in einem gecharterten Flugzeug sass und mit den Auszuschaffenden gesprochen habe. Er habe versucht, diesen Leuten klar zu machen, dass er „nur“ Gesetze einhalte – schliesslich müsse man alle gleich behandeln. Ein Abgewiesener habe ihm beim Abschied aber gesagt: „Wir sehen uns in ein, zwei Jahren!“. Durch die Gesetzesrevision könne eine erneute Einreise nicht mehr passieren, davon ist er überzeugt.

Eine Frau enerviert sich im Anschluss darüber, dass man zwei Mal den Raum wechseln musste und Eingangskontrollen durchgeführt wurden. Auch das anfängliche Fehlen einer Polizistin zum Abtasten der Frauen löst bei der Votantin Ärger aus. Blocher pariert – korrekterweise – dass diese Vorkehrungen Aufgaben des Veranstalters seien. Er könne sich dazu nicht äussern.

Danach folgen noch zwei Fragen von Studenten zum Thema. Letzterer, Prototyp eines Denkers und unter Medienwissenschafts-Studenten berühmt-berüchtigter Fragesteller, stellt die philosophische Frage, ob denn die Medien die Wirklichkeit 1:1 abbilden oder nicht. Ausser den Studenten selber scheint sich kaum jemand dafür zu interessieren.

Unter Zeitdruck würgt Blum die Diskussion nun ab. Am Ende der Veranstaltung gibt es für den Magistraten Wein und ein Buch als Geschenk. Es folgt ein respektierender Beifall der gemässigten Anwesenden. Als die Studenten bereits den Raum verlassen, setzt Blocher noch einen drauf:

Gerne dürfen Interessierte (gemeint sind wohl die Radaubrüder) mit ihm in einem anderen, kleineren Raum direkt mit ihm diskutieren kommen. Er stelle sich zur Verfügung, alle Fragen zu beantworten. Einige nehmen das Angebot wahr – ich will nur noch raus aus dem Hauptgebäude.

Fazit

Ein Sieg nach Punkten für Blocher. Indem die Che’s sinnlos herumlärmten, Blochers Rede störten und dumpfe Parolen von sich gaben, stellten sie sich auf dasselbe Niveau wie die von ihnen verhassten Populisten. Ausserdem lenkten sie mit ihren Aktionen davon ab, dass Blocher kaum Stellung bezog und um den heissen Brei herumredete. Aus dem Besuch hätte man als kritischer Zeitgenosse mit den richtigen Fragen zum richtigen Zeitpunkt viel herausholen können. Doch mit dieser kindischen Aktion haben sich die alternativen Brüdern und Schwestern selbst ein Ei gelegt.

Nachdem das Überraschungsmoment der militanten Blocher-Gegner verflogen war, fühlte ich mich zunehmend wie im Kindergarten (eine für unsere Gesellschaft allgemeine Tendenz, wie von der Forschung kürzlich bestätigt). Beispiel: Fiel das Stichwort Swisscom, folgte eine prompte Reaktion, obwohl ich stark bezweifle, dass diese Jungs und Mädels nur eine entfernte Ahnung von der momentanen Diskussion über das Staatsunternehmen haben. Als Blocher das Wort „Kampf“ aussprach, entfuhr einem Linken umgehend „Mein Kampf!“.

Mit Rauchbomben drohen und sich danach über die starke (aber zurückhaltende) Polizeipräsenz aufregen? Widersprüche scheinen diese Klientel nicht zu beunruhigen.

Rechtsextreme, die die Rütli-Feier stören, Linksextreme, die Blocher ausbuhen und seine Rede dauernd mit Zwischenrufen unterbrechen – wo ist da noch ein grosser Unterschied? Ich mag jedenfalls keine grossen Differenzen zu erkennen. Beide Gruppierungen gehörten gemeinsam in einen schalldichten Raum gesperrt. Mit Bier für die Antifa-Jungs, mit Baseball-Schlägern für die Glatzen.

Auch wenn ich Blocher nicht mag – tritt er als Gastreferent auf, möchte ich ihm zuhören können. Meinungs- und Redefreiheit eben. Wie schön sagte es doch bereits Voltaire:

Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.

Solange unser Bundesrat also nicht gegen das Gesetz verstösst, darf er reden so viel er will. Wer ihm nicht zuhören mag, muss das auch nicht tun.

Ausgewählte Zitate Blochers

(Sinngemäss, keine wortwörtliche Abschrift)

Man muss den Zuhörern in die Augen schauen. Deshalb rede ich ohne Manuskript – muss man ablesen, kann man den Leuten nicht in die Augen schauen.

Man muss nicht sagen, was man weiss – man muss sagen, was man will.

[Vorwurf der Gewerkschaften während EWR-Abstimmung, Blocher sei exorbitant Reich] Sehen sie, es wäre nicht gut, wenn ein Unternehmer nicht reich wäre. Das würde bedeuten, dass es das Unternehmen nicht mehr lange gäbe.

Einen Gegner wie Peter Bodenmann habe ich gemocht. Indem er seinen Standpunkt darstellte, fiel es leichter, meinen eigenen Standpunkt darzulegen und von seinem abzugrenzen [verschiebende Handbewegung].

Inkognito

Noch etwas: Nachdem ich gefilzt worden war begab ich mich in den hinteren Teil der Aula, wo eine gut getarnte Person herumschlich. Baseball-Kappe, Touristen-T-Shirt, Bäuchlein und bewaffnet mit Digitalkamera. Bei genauerem Hinsehen schien ich doch tatsächlich Claude Longchamp unter der Maskerade zu erkennen. Was machte er hier? War er es wirklich? Wieso nicht in Schale und mit Fliege? Leider blieb diese Frage unbeantwortet – vielleicht habe ich mich im Eifer des Gefechts ja auch schlichtweg getäuscht.

Labels: Politik, Wirtschaft

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen

Sonntag, 25. Juni 2006

Rechnen mit Auto-Schweiz

Nachdem die SVP bewiesen hat, bei der Berechnung und Interpretation von Zahlenmaterial erstklassige und fundierte Resultate zu liefern, tut es ihr die Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure gleich: In einem Inserat in der NZZaS von heute, 25. Juni 2006, Seite 28.

Obwohl ich der Kernaussage des Verbandes zustimme, dass der Verkehr „nur“ einen Drittel der Feinstaubemissionen verursacht, melde ich bei den in dem Inserat abgedruckten Zitaten einige Zweifel an:

Nur gerade 6.5 Prozent der Gesamtbelastung verursachen die Auspuffe im Strassenverkehr; der weitaus überwiegende Teils also stammt aus anderen Quellen.

Irgendwie steht diese Zahl im Widerspruch zum Diagramm des Bundesamt für Umwelt/TCS, das im Inserat prominent abgebildet ist. Dort wird der Strassenverkehr für total 19.7% (LKW: 6.1%, PW: 12.6%, Dieselbusse: 1%) der Feinstaub-Emissionen verantwortlich gemacht. Wie schrumpft diese Zahl plötzlich auf 6.5% zusammen?

Die Abgase der Dieselpersonenwagen verursachen sogar nur 1.7 Prozent der Feinstaubbelastung.

Vergleichen wir die absoluten Zahlen, mag dies durchaus zutreffen. Doch: Personenwagen (Diesel + Benzin) verursachen insgesamt 12.6% der Emissionen. 1.7% (Diesel) betragen an diesem Kuchen etwa 13%. Die Frage muss also sein: Verursachen Dieselfahrzeuge im Vergleich zu benzinbetriebenen Fahrzeugen überproportional viel Emissionen? Diese Frage kann nur beantwortet werden, wenn wir den Anteil an Dieselfahrzeugen an der Gesamtmenge der PKWs kennen würden. Beim Bundesamt für Statistik habe ich keine Informationen diesbezüglich gefunden. Wenn in der Schweiz der Anteil an Dieselfahrzeugen weniger als 13% beträgt, haben wir es mit Dreckschleudern zu tun.

Ein erster, aber überhaupt nicht repräsentativer Hinweis mag der von mir entdeckte Jahresbericht der Motorfahrzeug-Prüfstation beider Basel 2003 geben:

Bei rund 7,5 % der geprüften Personenwagen handelt es sich um Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor (Diesel). Auch dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen, was die aktuelle Markttendenz (steigende Anzahl Dieselfahrzeuge) bestätigt.

Landwirtschaft

Die Land- und Forstwirtschaft ist mit 37% für den Löwenanteil der Emissionen zuständig. Auch hier ist Handlungsbedarf angezeigt, wobei aber die zahlenmässig stark übervertretene Bauernlobby in den Räten alles versuchen wird, die Auswirkungen für ihre Klientel so gering wie möglich zu halten. Dabei sollte es doch gerade den naturverbundenen Landwirten am Herzen liegen, die Umwelt zu schonen …

Ich gebe der Importeur-Lobby recht, wenn sie kritisiert …

Nun hat der Bundesrat Massnahmen gegen den Feinstaub beschlossen. Das ist gut so. Weniger gut ist allerdings, dass nur ein kleiner Teil aller Feinstaubverursacher – nämlich einmal mehr die Autofahrerinnen und Autofahrer – sofort in die Pflicht genommen werden sollen.

Die Grundabsicht der Auto-Lobby wird hier wohl sein, Massnahmen für/gegen den Autoverkehr erst dann zu ergreifen, wenn für die anderen Bereiche auch Massnahmenpakete vorliegen. Eine Verzögerungstaktik also. Ich dagegen würde gerade das Gegenteil fordern: Dann macht die Massnahmen für die anderen Bereiche schneller her!

Doch lieber den Strassenverkehr zuerst …

Eine „Studie“ von landwirtschaftlicher Seite zeigt dann aber auch der Importeur-Lobby gnadenlos auf, wo die Emissionen anfallen und die Grenzwerte stark übersteigen (Seite 3):

Dieselruss, Partikel und Feinstaub aus der Landwirtschaft

Deutlich seriöser die offizielle Stellungnahme des SBV, der im Frühjahr 2006 auf die anprangernden Blick-Schlagzeilen reagierte:

Feinstaub – Falscher Sündenbock „Landwirtschaft“

Fazit

Die Landwirtschaft mag vielleicht den grössten Brocken der Emissionen produzieren, doch die Probleme sind zuerst vor allem dort zu lösen, wo die Grenzwerte effektiv überschritten werden und weite Teile der Bevölkerung gefährden. Und das ist nun einmal nicht draussen, mitten auf dem Acker, sondern entlang der Hauptverkehrsachsen in, um und zwischen den schweizerischen Grossstädten.

Labels: Politik

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen

Samstag, 17. Juni 2006

Kanton Bern – Weltrekord!

Sozi-Kollege Tschäppät im heutigen Magazin:

Zudem hat der Kanton Bern eine Struktur mit seinem Finanz- und Lastenausgleich, der die Fusionen behindert. Wir haben 398 Gemeinden im Kanton, das ist wohl Weltrekord angesichts der Fläche und der Einwohner. Wenn sich die vier kleinsten Gemeinden des Kantons zusammenschliessen würden, ginge es ihnen wirtschaftlich schlechter, als wenn sie allein weitermachen. Dann stimmt doch etwas nicht. Daran müsste man arbeiten.

Quelle: Das Magazin, 17. Juni 2006, „Das ist ein Tabuthema. Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppat wünscht sich stärkere politische Konkurrenz“, S. 10.

Interessant auch die andere Aussage:

[Peer Teuwsen] Bern hat alles, es ist wunderschön.

[Alexander Tschäppät] Danke. Ich wünschte mir, auch die Bernerinnen und Berner realisierten, in was für einem Paradies sie leben. Da müssen wir alle an uns arbeiten.

Ueli Maurer, Zürcher Bauer und Parteipräsident SVP Schweiz, sieht das etwas anders:

Die Stadt Bern ist in den letzten Jahren praktisch verslumt. Das kann nur das Resultat einer Bevölkerung sein, die mehr Linke will.

Quelle: Zitiert nach Verliererpräsident Ueli Maurer beleidigt Berner Wahlvolk

Labels: Politik

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen

Sonntag, 11. Juni 2006

Geistes- und Sozialwissenschaften: Wie weiter?

Eine kürzlich veröffentlichte Studie gibt Auskunft, wohin die aktuellen Probleme meines Studienbereiches liegen und wo die Fakultäten hindriften:

Perspektiven für die Geistes- und Sozialwissenschaften in der Schweiz: Lehre, Forschung und Nachwuchs.

Einige Ausschnitte:

In den Geistes- und Sozialwissenschaften unterrichtet heute ein Sechstel des gesamten Hochschulpersonals (Vollzeitäquivalente) 40 Prozent der Studierenden in Lizentiats, Diplom-, Bachelor oder Masterstudiengängen.

Die Anzahl der Studierenden des Fachbereichs „Historische und Kulturwissenschaften“ hat sich [zwischen 1980-2004] etwa verdoppelt, während die Anzahl der Studierenden der „Spach- und Literaturwissenschaften“ nur leicht zugenommen hat.

Manches liesse sich scheinbar durch eine Schrumpfung des Universitätssystem oder eine Reduktion des Angebotes der Studienplätze in den hier interessierenden Wissenschaften „lösen“, etwa durch Zugangsbeschränkungen und eleminatorische Prüfungen bei Studienbeginn.

Da Geld vom Bund auch in den nächsten Jahren spärlich fliessen wird, empfinde ich diese zwar nicht als beste, aber als zur Zeit geeignetste Lösung des Problems. Am Ende kommen lieber wenige, qualitativ hochstehnde Absolventen heraus, als eine grosse Menge mittelmässiger Lizentianden.

Zur Debatte gestellt wurden die negativen Aspekte der in den Deutschschweizer Universitäten erkennbaren Fokussierung auf den Lehrstuhl und das Institut im Vergleich zur Departementalisierung, die sich anderswo zu bewähren schien.

Dies ist in der Tat – nach eigenen Erfahrungen – ein grosses Problem. Ich sehe nicht ein, wie der hier herrschende Wettbewerb um das knappe Gut „Geld“ gesundend wirken sollte … Es ruft negative Eigenschaften hervor: Neid, Missgunst. Zu viel Energie wird verschwendet, um sich das nötige Geld zu erkämpfen.

Offensichtlich fehlten „Instrumente“, die die Leistungen der Geistes- und Sozialwissenschaften zu erfassen vermochten.

Hier nähern wir uns dem Kernproblem: Den meisten Bürgern ist nicht klar, was sich hinter „Geistes- und Sozialwissenschaften“ versteckt. Und da es schon beim Begriff scheitert, kann man auch nicht davon ausgehen, dass irgendjemand versteht, was wir machen.

Und so schlittern wir geradewegs in die Diskussion, welchen wirtschaftlich fassbaren Nutzen diese Wissenschaften bieten (heute misst man ja nicht nur die Landwirtschaft, das Sozialsystem, die EU und alles andere mit ausschliesslich wirtschaftlichen Massstäben). Und hier haben wir wirklich ein grosses Problem: Die betroffenen Wissenschaftler selber müssten der breiten Öffentlich aufzeigen, was der kurz- (hier wohl eher: längerfristige) Nutzen der Forschung ist. Schliesslich sind die Personen, die am nächsten „dran“ sind, wohl am geeignetsten, Werbung für das Fach zu machen. Bei einer „soften“ Studienrichtung ein sehr heikles Unterfangen. Charakterisierend dafür ist wohl auch, dass auch wir Studenten (jedenfalls ist es bei mir so) selbst noch nicht ganz aufgeklärt wurden, was die erklärten Ziele der Wissenschaft für den Kanton, die Nation und die Menschheit sind.

Ich erinnere mich an das Zitat eines SVP-Politikers, das in einigen Büros unseres Instituts hängt, der die Geistes- und Sozialwissenschaften gerade mangels Rendite abschaffen möchte. Eine sinnvolle, gut argumentierte, leicht verständliche Replik habe ich noch nirgends gesehen. Wahrscheinlich sind kritische (populistische?) Aussagen schneller gemacht, als sie dann widerlegt werden …

Labels: Politik

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen

Freitag, 2. Juni 2006

Verrückte Schweiz

Kommentare aus von mir stark frequentierten Eidgenossen-Blogs:

Bussen sind nur ein Instrument um die Staatskasse zu füllen. Die Bullen lachen sich doch ins Fäustchen, wenn einer bei rot durchfährt, da gehts nicht um Verkehrssicherheit sondern um Geld.

Krasse Verbrecher wie Mörder und Vergewaltiger gehören ausnahmslos auf den elektrischen Stuhl anstatt in den Knast (zu teuer und zu gemütlich).

Sowieso solltet ihr aus Prinzip keine Bussen im Strassenverkehr bezahlen. […] Also helft alle mit: Bezahlt keine Verkehrsbussen mehr, denn als Autofahrer wird man schliesslich schon genug abgezockt.

Quelle: unclej auf den Artikel Wegen Lachen gebüsst, warum polizeiliche Kompetenzen bei der Polizei bleiben müssen

wer es sich noch leisten kann, darf staufrei autofahren und heizen, die anderen stehen künftig mit den ausländern zusammen in überfüllten zügen und müssen sich warm anziehen.

Wenn man jedem Linken und Gründen [sic!]das Auto wegnehmen und ihnen nur noch den teuren Solarstrom liefern würde (Heizöl wird auch gestrichen), dann hätten wir vom Mittelstand freie Strassen zum Fahren sowie günstigere Strom- und Heizölpreise wegen geringerer Nachfrage.

Quelle: Sabrina_81 auf den Artikel Nein zur ideologischen CO2-Umverteilungsaktion

Wenn die LINKEN nicht den Kathalysator durchgeboxt hätten, und damit auch noch der Autoindustrie ins Handwerk gepfuscht hätten, würden wir schon langte mit abgasfreien Keramikmotoren herumfahren und nur noch einen Bruchteil des Benzins verbrauchen.

Quelle: Popolo, SVP-Mitglied auf den Artikel Nein zur ideologischen CO2-Umverteilungsaktion

Labels: Politik

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen