Freitag, 19. Mai 2006
Geld korrumpiert – davor sind anscheinend auch „Linke“ nicht gefeit, wie der (wortwörtliche) „Fall“ der SP-Nationalrätin Kiener-Nellen zeigt.
Gerade prominente Partei-Mitglieder müssten sich jeden Schritt doppelt überlegen und die Konsequenzen im Vornherein abwägen. Zumal sie nicht nur SP-Politikerin ist, sondern auch noch als Präsidentin des Mieterverbands amtierte! Frau Kiener-Nellen hat dies anscheinend auf Grund der Verlockung des schnellen Geldes nicht getan. Und hat somit meine Gunst im Nu verspielt. Aus meiner Sicht ist sie als Politikerin nicht mehr tragbar und ich bin mir sicher, dass die Quittung anlässlich der Parlamentswahlen vom nächsten Jahr folgen wird.
Klartext: Es kann nicht sein, dass unsere Partei die hohen „Abzocker“-Manager-Löhne der Ospels & Co. anprangert, aber zugleich Mitglieder hat, die (im kleineren, aber kaum weniger schweren Fall) dasselbe tun.
Eines zeigt sich hier in aller Deutlichkeit: Politiker jeder Couleur sind auch „nur“ Menschen, und sobald das Geld winkt, hat das Parteibüchlein keinen Einfluss mehr auf Entscheide. Und – was noch schlimmer – ist: Diese hirnverbrannte Aktion zeigt wieder einmal, was das grösste Problem der SP ist: Die Glaubwürdigkeit. Einst war die SP die Partei der kleinen Leute und folglich der Arbeiter. Schaut man sich die berufliche und soziale Herkunft der Aktivmitglieder an, gibt es kaum noch irgendwo „Büetzer“.
Vielmehr ist die SP die Partei des (immerhin sozial denkenden) Mittelstandes geworden, die Partei der Lehrer und Beamten (ich finde solche Berufe übrigens, im Gegensatz zu anderen Personen, überhaupt nicht negativ besetzt – es zählt nicht primär der Beruf, sondern die Leistung). Die Leute sind fähig, dies bestreitet niemand. Doch die Rechnung wird am Wahltag gemacht, und hier zeigt sich seit längerem, dass das frühere Zielpublikum der Partei nicht mehr uns wählt, sondern billige Meinungsmacher mit ihren einfach gestrickten Parolen und den noch einfacheren Schwarz-Weiss-Lösungen.
Es gibt zwei Lösungen: Man versucht, sich der (imaginären) Basis anzubiedern, oder adjustiert das Selbstverständnis auf die neuen Tatsachen. Wie auch immer: Im Zweifelsfall links!
Bernischer Parteisekretär Willi Zahnd schreibt in der Mai-Ausgabe der Partei-Zeitung deshalb folgerichtig:
Die Tatsache, dass wir in unseren Hochburgern verloren haben, lässt darauf schliessen, dass wir unser politisches Ziel überprüfen müssen. […] Wenn wir wieder gewinnen wollen, so müssen wir uns auf das linksliberale Potenzial und auf die urbanen Wählerinnen und Wähler konzentrieren.
Quelle: links.ch, 05/06, „Grosser Sieg und Enttäuschung“, S. 11