Donnerstag, 5. Oktober 2006
Die Abstimmung über das Ausländer- und Asylgesetz hat man mit überwältigender Mehrheit gewonnen – doch noch lange denkt man bei der SVP nicht an’s aufhören. Wieso auch? Es wäre taktisch unklug, das Thema, das Anhänger mobilisiert und fortwährend Abstimmungs- und Wahlerfolge garantiert, den noch weiter rechtsstehenden Parteien zu überlassen. Schliesslich stehen in knapp einem Jahr die Nationalrats- und Ständeratswahlen an.
Endlösung in Sicht?
Gerade nach der Abstimmung vom 24. September fragte ich mich wieder, wo das wohl hinführen wird. Wäre es nicht schön zu wissen, was die SVP-Exponenten als „Endlösung der Ausländerfrage“ in ihren Köpfen hegen? Zieht man die Trendlinie weiter, kommt man unweigerlich an den Punkt, wo man alle fremden Fötzel an die Wand stellt und erschiesst.
Ähnlich wie Deutschland in den 1930ern scheint sich die Partei vorzutasten – 1936 die friedliche „Rückeroberung“ des Saarlandes, der Anschluss Österreichs im März 1938, die Angliederung des Sudetenlands im Herbst desselben Jahres. Immer Schritt für Schritt, in leicht verdaulichen Häppchen, um es dann plötzlich am 1. September 1939 so richtig knallen zu lassen. Alle sahen die Katastrophe tatenlos heraufkommen. Ich möchte die SVP wirklich nicht mit der Nazis gleichsetzen, doch fallen mir gewisse Parallelen in der angewendeten Taktik auf. Zufall?
Widersprüche
- Blochers Äusserungen in der Türkei überraschen. Seit wann leckt man dem Gastgeber derart den Arsch? Zumal es sich bei den Gastgebern um Muslime handelt, deren Glaubensbrüder in der Schweiz als Minarettle-Bauer ebenfalls auf der Abschussliste der Partei stehen? Seit wann arbeitet die SVP in die Hände solcher Kreise?
- Da hört man dauernd die Klage aus den Reihen der Heimatschützer, dass Einbürgerungen vor der Gemeindeversammlung nicht (mehr) rechtens seien (wenn keine ausführliche Begründung der Abweisung eines Antrages vorliege). Dabei habe doch das Volk das letzte Wort, der Souverän, das Heiligtum unseres Landes. Das Antirassismusgesetz, vom Stimmvolk angenommen, wird aber anscheinend mit anderen Ellen gemessen. Ist das konsequent?
- Auch die Araber macht man sich mit solchen Bestrebungen zur Hochhaltung der Meinungsäusserungsfreiheit zum Freund: Auch diese sprechen die Existenzberechtigung Israels ab und leugnen den Holocaust. Ist die Welt der freien Meinungsäusserung nicht schön? Das Herz eines liberalen SVPlers schlägt höher. Ich frage mich nur kritisch: Kann wirklich eine Grenze gezogen werden zwischen reinen Aussagen und Taten, die daraus resultieren? Ist es erlaubt, missliebigen Personen Allgottschand nachzurufen, solange ich nicht tätlich gegen sie vorgehe?
- Wenn die Meinungsäusserungsfreiheit über allem steht – wieso gibt es immer wieder Ehrverletzungsklagen gegen die Medien, wenn wieder einmal jemanden ans Bein gepinkelt wurde? Konsequenterweise müsste man auch diesen Artikel streichen.
Vorwand Meinungsäusserungsfreiheit
Von überall dröhnt nun die Kritik an diesem „Maulkorb“. Menschenrechte werden angeführt, wie etwa dieser Kommentarschreiber, der sich heute zu einem älteren Artikel in meinem Artikel äusserte:
Teile deine Ansicht in keinster Weise. Das Antirassismusgesetz widerspricht dem Recht der freien Meinungsäusserung und ist somit menschenrechtswidrig.
Quelle: Blocher sucks
Halt, halt, nicht so schnell mein Freund. Durchaus handelt es sich bei der Meinungsäusserungsfreiheit um ein Menschenrecht. Um genau zu sein um Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948:
Artikel 19
Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.
Doch leider, leider folgen vor der Meinungsäusserungsfreiheit 18 andere Artikel. Ich wage einfach mal aus dem Bauch heraus zu behaupten, dass die Artikel der Wichtigkeit nach geordnet sind. Bereits in Artikel 2 lesen wir:
Artikel 2
Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.
Ich argumentiere deshalb frech als Nichtjurist: Artikel 2 steht über Artikel 18.
Man darf nie vergessen: Es gibt Rechte, aber auch Pflichten. Ein Freiheitsrecht hört dort auf, wo die Freiheit eines anderen eingeschränk wird. Die Würde von mindestens 600’000 getöten Armenier muss gewahrt werden.
Geschichtsprofessorin über die Verurteilung eines Holocaust-Lügners
Aus aktuellem Anlass: „Marina Cattaruzza im Tagesgespräch von Radio DRS 1 am 21. Februar 2006 zur Verurteilung von David Irving“
Interview (MP3)