Zwar bin ich bereits seit letztem Montag wieder zurück auf Schweizer Boden, habe aber auf Grund der während der Ferienabwesenheit aufgestauten Pendenzen noch keine Zeit gehabt, meine Erlebnisse im Land der Angelsachsen zu bebloggen. Dies möchte ich hiermit nachholen – zuallerst in Form eines Beitrages, der sich den „Oddities“, den Merkwürdigkeiten, annimmt, die mir bei meinem ersten Besuch der britischen Insel aufgefallen sind.
- Orwell hat in „1984“ wohl noch untertrieben … Die Realität hat seine Utopie mehr als übertroffen – und es scheint keinen Revoluzzer à la Winston Smith zu geben, der etwas dagegen unternimmt. Überall stehen sie – manchmal eher versteckt, manchmal springen sie einem sofort ins Auge: Die CCTVs, die Kameras, ständig im Aufnahme-Modus, alles und jeden im Blick habend. Und manchmal prangt der „Newspeak“ gleich daneben auf einer grossen Hinweistafel. Ich fühle mich umgehend sicherer …
- JeKaMi Polizeistaat? Das war gestern. „Das Leben der Andern“ ist von höchstem Interesse. Niemand geringeres als du und ich können nun bei der Londoner Polizei ihre Bilderbuchkarriere starten. Gedankenpolizei … äh … Special Constabulary nennt sich dann das. „Räuber und Poli“ for the masses. Ausbildung? Wer braucht heute schon eine Ausbildung als Freund und Helfer? Die Waffe hat sowieso schon jeder zu Hause, effiziente Verhörtaktiken kennen wir aus mindestens einem der letzten zwanzig Hollywood-Blockbuster. Gestatten, Inspektor Lestrade?
- Immer dieses Eigenbrödlertum … Da entscheidet man sich gegen den Usus auf dem naheliegenden Kontinent und fährt konsequent links. Leider hat man die Globalisierung und den Tourismus vergessen. Nur so kann ich mir erklären, weshalb bei fast jedem Fussgängerstreifen mahnende Letter auf den Boden gepinselt sind. Wieviele Touristen wohl vor dieser lebensrettenden Erfindung von vorbeibrausenden Doppelstöcker-Bussen überrollt worden sind? Es wird wohl hie und da immer noch einige Opfer geben, denn bei einigen Zebrastreifen könnte der eine oder andere nachlässig nur in eine Richtung schauen. Und zack, schon ist man unterwegs in höhere Gefilde …
- Telefonkabinen mit einer glorreichen Zukunft. Klar hat der gemeine Londoner ein „Cell-Phone“ im Hosensack. Dennoch werden die Telefonkabinen so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden. Nein, falsch gedacht, nicht wegen dem Schnappschuss-Faktor („Jööö, sind die schnuckelig!“), sondern wegen dem offensichtlich stark geschlechterverbindenden Element, dem in solchen Kabinen gehuldigt wird.
- Thou shalt not … Wie schön ist doch die englische Sprache, mit der uns Gymnasiasten und Studenten Shakespeare und seine Kollegen immer wieder eine Freude bereitet! Umso erstaunlicher mutet es an, wenn die Filialen des wohl am häufigsten in der City anzutreffenden Food-Tempels in der Sprache des ehemaligen Erzfeindes beschriftet ist …
- Grüner geht’s nimmer! Während in Bern die ersten Abklärungen zur modernen Wegelagerei laufen, ist Lexu Tschäppäts Berufskollege Livingston mit Meilenstiefeln voraus: Congestion Charge. Und alles voll-digital automatisiert. Keine Zahlstellen, sondern die bereits erwähnten CCTVs, die die Nummernschilder eines jeden einfahrenden Autos erfassen und elektronisch Rechnung stellen für die Strassenbenützung.
- Rhein II.? Trotz grünem Daumen bleibt die Themse ein Dreckloch …
- Korioliskraft Im Studentenheim laufen zwar nicht die Uhren, aber die Wasserhähnen falsch: Anstelle den Knauf gegen rechts hin zu öffnen, musste hier in die andere Richtung gedreht werden. Mehr als einmal spritzten dank einer solchen Fehlmanipulation Unmengen an Wasser ins Lavabo.
- Wie im antiken Griechenland. Im besagten Studentenheim fühlt man sich auf dem stillen Örtchen wie auf einem griechischen Eiland: Bei grösseren Geschäften empfiehlt es sich, das benutzte WC-Papier in bereitgestellte Plastic-Boxen zu deponieren, da die extrem dünnen (?) Rohre sonst den Verstopfungstod erleiden könnten …