Die Schweden – wohl das Vorbild unserer rot-grünen bernischen Regierung bezüglich Atomausstieg (gestern gestreift von Kollege Smythe) – hatten in den letzten Tagen Glück im Unglück: Fast wäre ihnen ein Atomreaktor um die Ohren geflogen, wie der Tagi berichtet:
Nach einem schweren Störfall in einem Atomkraftwerk sind in Schweden insgesamt vier Reaktoren vom Netz genommen worden. […]
Offenbar sei es nur deswegen nicht zu einem Unfall gekommen, weil die Reaktorschnellabschaltung und Teile des Notkühlsystems funktioniert hätten, bevor es der Belegschaft gelang, den Betrieb manuell wieder in den Griff zu bekommen. „Wären noch mehr Fehler in der automatischen Steuerung aufgetreten, dann hätte die Welt in der vergangenen Woche möglicherweise ihren zweiten Super-GAU“ nach Tschernobyl erlebt, sagte IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz.
Quelle: Schweden schaltet AKWs ab
Der Reaktorunfall von Tschernobyl, welcher heuer das unrühmliche zwanzigste Jubiläum feierte, scheint wohl längst aus den Köpfen der (schwedischen?) Betreiber vergessen gegangen zu sein, der Schlawiner macht sich breit. Dabei sollte gerade in diesem Hochsicherheits-Geschäft, wo es beim Super-GAU (Kollege Sommer blickt schon auf die erste Erfahrungen mit Super-GAUs) so richtig „häscheret“, weil Gebiete und Menschen grossflächig verseucht werden, Sicherheit an vorderster Stelle stehen …
Dass gerade solche trivialen technischen Defekte, die wohl kaum schwer zu entdecken und beheben sind, die Abschaltung nötig machen, stürzt mich in Zweifel.
Die Lösung?
Bei der Lektüre erinnerte ich mich an ein zukunftsweisendes, (nicht so) neuartiges Konzept für einen Reaktor, bei dem eine Kernschmelze unmöglich wäre. „Kugelhaufen-Kernreaktor“ nennt man den „unbreakable“ (Hommage an Oracle) Energielieferanten. Natürlich wurde ich sowohl auf Wikipedia als auch im restlichen Netz fündig:
Kugelhaufenreaktoren gelten in der Szene der Reaktorentwickler als „heißes Thema“, denn aus physikalischen Gründen kann es in ihnen keine Kernschmelze geben. Der Reaktorraum wird mit Hunderttausenden tennisballgroßer Graphitkugeln gefüllt. In ihnen stecken Körnchen aus keramischen Oxiden des Spaltmaterials Uran, Thorium oder Plutonium. Die hitzebeständigen Brennstoffkugeln halten problemlos 1600 Grad Celsius aus, so daß sie selbst ohne Kühlung nicht schmelzen.
Weil mit steigender Temperatur die Spaltrate sinkt, läuft in einem Kugelhaufenreaktor die Kettenreaktion niemals aus dem Ruder. […]
Quelle: China baut Kugelhaufen-Kernreaktor
Der Brennstoff
Wie auch beim Öl sind wir zum Betrieb von Atomreaktoren auf Uran aus dem Ausland angewiesen – immerhin nicht aus dem Krisenherd Naher Osten, aber u.a. auch aus Russland, das mit seiner Gazprom gezeigt hat, wo der Hammer hängt. Wie die Ölpreisentwicklung der letzten Monate gezeigt hat, ist es problematisch, in solchen essentiellen Belangen vom Ausland abhängig zu sein.
Eine gewisse Autonomie in Energiefragen muss auch für die Schweiz gewährleistet sein, weshalb es gilt, Technologien zu erforschen und entwickeln, die das Land autark machen.
Ersatz-AKWs in der Schweiz?
Ja, aber … !
In den letzten Jahren und mit zunehmender Kadenz hat sich die schweizerische Atomlobby vermehrt ins Rampenlicht gerückt und fordert in der Berichterstattung der Medien Planung und Bau neuer Reaktoren. In weiser Voraussicht, denn da man solche Brüter nicht über Nacht hinpflastern kann, fängt man bereits jetzt damit an, um die neuen Reaktoren in ca. zwanzig Jahren ans Netz nehmen zu können. Wir danken der Lobby, dass sie – natürlich völlig uneigennützig, nur auf des Volkes Wohl bedacht – uns auf den drohenden Engpass hinweist. Ein Schelm, wer Böses denkt …
Ein solcher Kugelhaufenreaktor – falls er denn seine Sicherheit unter Beweis stellt – wäre ein (auch aus meiner Sicht) potentieller Kandidat für den Ersatz von Mühleberg, Beznau, Leibstadt, Gösgen und Kaiseraugst (sorry, just kidding!).
Dennoch muss ein zweigleisige Strategie gefahren werden: Es darf eben nicht immer nur mehr Strom produziert werden müssen, sondern genauso verfolgenswert (und deutlich billiger, für alle, da bin ich mir sicher!) käme die intelligente Reduktion des Stromkonsums. Mit einer Milliarde, die man der Lobby entziehen und gut in Forschung und Anreizprogramme würde, liessen sich sicherlich auf lange Frist einige Gigawatt einsparen – und vielleicht – so mein Wunschtraum – ein zusätzliches resp. neues Kernkraftwerk überflüssig machen. Der Mann hat noch Träume .. Schau’n wir mal.
Wirtschaftlichkeit der AKWs
Das hat gerade noch gefehlt …
Im bereits erwähnten WOZ-Bericht – des zugegebenermassen nicht als Atom-Freund bekannten Rudi Rechsteiners – liest der liberale Denkende dann auch die grausige Wahrheit über die Rentabilität des Atomstroms:
Der Bundesrat eilte den Betreibern zu Hilfe und stundete die Entsorgungsgebühren während
25 Jahren. Und die SBB zahlten im Jahre 2000 100 Millionen Franken, um 5 Prozent der Leibstadt-Aktien zu verkaufen (!).
Quelle: Ein neues Atomkraftwerk für die Schweiz?
Ganz zu schweigen von den „Unfallversicherungen“ dieser Heissporne: Die Prämien könnte sich kein Privatunternehmen leisten, weshalb auch hier der Staat wieder in die Taschen greift und Garantien abgeben muss. Diese Verflechtungen lassen das Herz eines jeden Liberalen höher schlagen.
Achtung: Nicht, dass man mich falsch versteht: Mich stört es nicht gross, wenn der Staat Energieunternehmen unter die Arme greift. Dann erwarte ich aber von denselben Unternehmen eine ehrliche Information sowie eine Vollkostenrechnung. Sicherheits- und Wirtschaftlichkeits-Bedenken sind das eine – andere Energielieferanten werden als Verschandelung der Natur aufgefasst. Es ist wahrlich nicht leicht, den Energiehunger unseres Landes zu stillen …
Nachtrag
Gemäss Auskunft des Kraftwerk-Betreibers stammt das Brennmaterial des Kernkraftwerks Mühleberg aus … den USA.