(Anspielung auf die Gretchenfrage)
Gruppendruck in Asien
Ich habe zwei nach Hong Kong ausgewanderte schweizerische Bekannte, die auf Masken schwören. „Masken auf, und zwar überall ausserhalb unserer vier Wände. Die Maske ist das Äquivalent zum Tragen eines Velohelms beim Fahrradfahren und zum Angurten beim Autofahren. Machst du bei den Aktivitäten auch ganz automatisch, ohne nachzudenken, und vor allem: Da diskutiert auch niemand (mehr) über Sinn und Zweck. Ihr im Westen seid schlicht und einfach Egoisten; hier in Asien stellt man seine eigenen Bedürfnisse zurück und schützt damit sich, das Umfeld und die ganze Stadt. Deshalb: Hör auf zu trollen, wir haben Wichtigeres zu tun.“ (überspitzt paraphrasiert)
Mit dem Wunsch nach einer etwas nuancierte Betrachtung der „Maskenfrage“ ist mit diesen zwei Bekannten nicht möglich. Mir bleibt nichts anderes zu vermuten, als dass man als Expat in Asien über die Zeit halt einfach so wird: Wenn alle um einen herum eine Maske tragen, kann das erstens ja nicht falsch sein und zweitens muss es wohl sogar nützen, sonst würden ja nicht alle Masken tragen (siehe Zirkelschluss). Und vielleicht spielt ja doch noch ein wenig der gute, alte Gruppendruck eine klitzekleine Rolle.
„Karens don’t like masks“
Bevor ich die Hälfte der Leser jetzt hier verliere und mich morgen die Gestapo Gedankenpolizei Canceller abholen: Nein, ich bin keine „Karens don’t like Masks“, wie uns ein Bekannter aus Hawaii kürzlich per Whats App zugewitzelt hat. Zu dem Zeitpunkt waren die Proteste in Orange County gegen das Maskentragen gerade der Hit auf YouTube.
Differenzierte Sichtweise
Ich schaue die „Pandemie“ aber immer noch ohne Scheuklappen an und nutze meinen Denkapparat. Und leider ist es — wie bei allem auf dieser Welt — kein Schwarz und Weiss: „Masken tragen gut, keine Maske tragen schlecht“ gilt wohl auch hier nicht einfach so ohne weiteres.
Folgende Punkte sind in der Maskendiskussion aus meiner Sicht zu beachten:
Wissenschaftlich belegte Wirksamkeit
Um ein normalerweise nicht-maskentragendes Volk auf Grund der „äusserst kritischen Lage“ (gestern Sonntag 12 Corona-Infizierte in bernischen Spitälern, schweizweit kumuliert 6 Tote unter 40 Jahren, seit Wochen Untersterblichkeit; Quelle) in gewissen Bereichen zum Maskentragen zu zwingen, sollte einerseits ein ausreichendes wissenschaftliches Fundament existieren („Masken tragen nützt nachweislich generell“) und andererseits die Maskenpflicht in den Bereichen angeordnet werden, wo (1) die schwersten Infektionsverläufe stattfinden und (2) diese mit Masken nachweislich effektiv verhindert (oder: zumindest stark gesenkt) werden können.
Mit Blick auf die Entscheidungen und Begründungen der hiesigen Behörden habe ich aber Anlass zu befürchten, dass in den Amtsstuben in Bern andere, mir nicht erschliessbare Kriterien angewendet werden …
Das BAG mag zu Beginn der Krise das Maskentragen im Zivilleben nicht empfohlen haben, weil unsere Behörden und das Gesundheitssystem auf der ganzen Linie versagt und keine Maskenlager angelegt hatten. Vielleicht aber kannten die Profis des BAGs tatsächlich auch damals schon die (damals noch wenigen) existierenden Studien zum Thema. Mittlerweile kenne ich eine Metastudie, die eine Reduktion der Ansteckungen von 17.4 (Kontakt mit einem Infizierten ohne dass man selber eine Maske trägt) auf 3.1 Prozent postuliert (mit Maske). Eine andere Metastudie liefert weitere vielversprechende Resultate. Zum Ausbruch der Pandemie gab es diese Studien aber noch nicht, und selbst die WHO änderte ihre Meinung zur Maskentragpflicht erst Anfangs Juni 2020.
Für mich ist im Zusammenhang mit solchen Studien aber auch eminent wichtig, dass die Wissenschaftler in ihrer Beurteilung sicherstellen, dass man mit dem Maskentragen keine Kollateralschäden verursacht: Sprich Corona verhindert, aber sich mit irgendwelchem anderen gefährlichen Viren- oder Bakteriengeziefer infiziert, das sich auf der Maske breit gemacht hat. Und bereits angeschlagene Menschen nicht Probleme mit der Atmung kriegen: Sucharit Bhakdi erzählt im Grenzgänger-Interview mit Sky Dumont, wie seine Schwiegermutter im Aldi (oder war es Lidl?) in Ohnmacht gefallen ist, weil sie durch die Maske nicht genügend Sauerstoff aufnehmen konnte.
Und selbstverständlich interessiert mich in der jetzigen Diskussion nicht, was die Auswirkungen des (korrekten) Maskentragens im Spitalbetrieb ist, sondern von Laien im Alltag, denen die Hygienevorschriften weder eingetrichtert wurden, noch von ihnen regelmässig geübt werden.
Selbstschutz, oder Schutz Dritter?
Wenn ich die über die Monate mitverfolgten Diskussionen richtig verstanden habe, trägt man Masken vor allem, um nicht andere anzustecken.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob das die Mehrheit der Maskenträger begriffen hat. Ich befürchte, dass die Hardcore-Maskenträger immer noch meinen, vor allem sich selber vor in der Luft herumschwirrenden Corona-Viren zu schützen.
Dieser Punkt sollte bei jeden Entscheiden mitberücksichtigt und die Betroffenen transparent aufgeklärt werden.
Ramschware
Galaxus hat sich vor wenigen Tagen mit einer selten blöden Anspielung auf „Fake-News“ darüber entrüstet, dass der Beobachter und die FHNW es gewagt hätten, ihre tolle Maske als unbrauchbar zu bewerten. Das Medienerzeugnis und die Fachhochschule solle bitteschön gemäss geltenden EU-Normen (Abgasskandal, anyone?) testen. Nun, wenn die FHNW (a) beim Testaufbau nicht geschlampt hat, und (b) trotzdem noch gewisse Masken gute Noten erzielt haben, wäre für mich der Fall klar: Ich kaufe dann doch lieber die Maske, die auch den härteren Test bestanden hat, als den zwar Euronorm-kompatiblen „Lumpen“, den uns Galaxus verkaufen will, der mich aber dann nicht schützt. Dann kann ich es auch lieber sein lassen mit Maskentragen.
Und, liebe Digitec Galaxus: Das was ihr anprangert sind keine „Fake News“:
Fake news is written and published usually with the intent to mislead in order to damage an agency, entity, or person, and/or gain financially or politically, often using sensationalist, dishonest, or outright fabricated headlines to increase readership. Similarly, clickbait stories and headlines earn advertising revenue from this activity.
Quelle: Wikipedia: Fake news
Im Gegenteil: Der Beobachter will Schindluderei beim Maskenverkauf aufdecken („Maske ist nicht gleich Maske!“) und seiner Leserschaft helfen, Masken auszuwählen, die sie auch effektiv von „Käfern“ in der Luft schützen.
Und da wären wir bei der eigentlichen Problematik: Wie gut sind eigentlich die Masken, die nun die halben Schweizer Haushalte eingebunkert haben? Während ich mich mit Heimelektronik eingedeckt habe (Prioritäten!), hat meine Frau ebenfalls mehrere 50er-Packungen Masken aufgetrieben.
Rückblickend sehr interessant, da die Packungen aus verschiedensten Quellen stammen: Notlieferung eines Bekannten aus Shanghai, als hier anfänglich niemand Masken kaufen konnte; Qoqa; unter der Theke eines asiatischen Lebensmittelladens in der Region. Deshalb macht es richtig Spass, die unterschiedlichsten Verpackungskartons und ihren Inhalt zu studieren: Made in Vietnam, Made in China. Wie Toilettenpapier 4-lagig, 3-lagig. BEF (oder ist es doch BFE?) gleich 95, grösser gleich 98, höher als 99 Prozent. Manche drucken das FDA- und CE-Siegel drauf (Schindluder, wetten?). Eine Packung verweist auf Euronormen EN14683:2014 und eine andere auf ISO13485:2016. In manchen Packungen liegt sogar ein kleines Zettelchen, welches mit einem roten Stempel versehen ist und wie ein Zertifikat daherkommt. Soll vermutlich Vertrauen erwecken — aber die Produzenten wissen sicherlich am Besten, dass sie aus rechtlicher Sicht nichts zu befürchten haben, falls ihre Masken nicht versprechen, was sie halten.
Doch … ich frage mich schon, wie effektiv die Masken sind, die wir hier bunkern, und die, welche sich einige Leute täglich umschnallen. Sind wir doch ehrlich: Als die Produzenten in China realisierten, dass die Welt nach Masken schrie, wurden in windeseile die Produktion hochgefahren. Gekauft wurde vom Westen vermutlich alles, was nicht angenagelt war. Als chinesischer Unternehmer hätte ich jedenfalls auf Profit geschielt, und mich weniger um reine Räume, Qualität und Zertifizierungen.
Falsche Handhabung durch uns Laien
Ich trage seit Ausbruch der „Pandemie“ nur wenn zwingend nötig eine Maske. Das heisst vor zwei Wochen im IC von Bern nach Zürich und zurück, einige Male im Tram und Bus hier in Bern, drei Male beim Coiffeur, in der Karwendel-Gondel und beim Besteigen eines Schiffs auf dem Achensee sowie in der Gondel auf der Talfahrt von der Gemmi nach Leukerbad.
Das schlimmste Erlebnis war die je einstündige Zugfahrt von Bern nach Zürich und zurück im Hochsommer: Im Zug ist es schon genug warm, und mit der Maske fällt die Atmung noch einmal deutlich schwerer. Persönlicher Entscheid: Wenn immer möglich werde ich solche langen Zugfahrten meiden, solange die Maskenpflicht gilt. Andere, die den Luxus von Work from Home nicht haben und somit den ÖV nicht vermeiden können, verleitet dies dann aber genau zu Verhalten, welches das Maskentragen zur Farce werden lässt.
Ein Bekannter, der täglich lange Zugstrecken fahren muss, hat nun immer ein Getränk vor sich stehen, denn wer isst und trinkt, darf die Maske offenbar temporär (permanent?) heruntergezogen haben. Insbesondere dann, wenn er weit und breit der einzige im Wagon ist. Will ich es ihm wirklich verübeln?
Vermutlich bin ich unfähig, aber meine Masken rutschen mir (ungewollt) immer runter (ja, der Draht ist oben, darauf achte ich mich seit Beginn), weshalb ich sie immer wieder mit meinen Fingern anfassen und nach oben über die Nase ziehen muss. Das ist Gift, den genau an der Aussenseite sammeln sich nicht nur die Corona-Viren, sondern noch viele andere schädliche Viren und Baktieren. An der Innenseite auch, aber das ist immerhin mein „persönlicher Zoo“, wie es auch Dieter Nuhr bereits thematisiert hat (Nuhr griff das Thema „Maskentragen“ noch ein zweites Mal aus einem anderen Blickwinkel auf).
Die Stadt Stuttgart beispielsweise ermahnt denn auch seine Bürger: Gesundheitsamt weist auf die Wichtigkeit der korrekten Anwendung der Mund-Nasen-Bedeckungen hin.
Das das bitter nötig ist, weiss mittlerweile jeder, der mit offenen Augen durch die Welt geht: Wer hat sie nicht schon über WhatsApp gekriegt, die Videos von Leuten, die eine vertikale Öffnung in die Maske geschnitten haben, um besser atmen zu können. Oder das Video einer Person, die sich einen verschliessbaren Einlass in die Maske reingepfropft hat, um mit Maske rauchen zu können (welch‘ eine Ironie im Kampf gegen eine respiratorische Krankheit) oder um aus einer PET-Flasche trinken zu können.
Doch nicht nur beim Tragen gibt es Probleme. Eigentlich sollte man Einwegmasken ja nach jeder Benutzung wegwerfen. Doch die Mehrheit der Leute trägt dieselbe Maske mehrmals. Bei Nichtbenutzung wird sie in einem dieser schicken, superflachen Plasticbehälter aus Asien aufbewahrt, am Besten noch über saubere Masken gelegt. Oder dann aber in eine Jackentasche oder gar in ein Ziploc-Sack gesteckt, um sie bei der nächsten ÖV-Fahrt wieder hervorzunehmen. Will man es den Leuten übel nehmen? Falls man denn in den schlimmsten Zeiten überhaupt noch Masken kriegte, hat man für diese pro Stück einen Franken bezahlt. Das wertvolle Gut nach fünf Minuten Tramfahrt zu entsorgen macht weder finanziell Sinn, noch ist es praktikabel (ausser man hat immer ein 10er Pack Ersatzmasken mit dabei). Mit solchem Verhalten erhöht man meiner Meinung nach aber leider das Krankheitsrisiko anstelle es zu senken — aus „gut gemeint“ wird schädlich.
Klar gibt es mittlerweile auch diese feschen, wiederverwendbaren Modemasken aus Textilien. Wie effektiv diese sind, und wie oft und unter welcher Temperatur man diese wie lange waschen soll weiss ich nicht.
Velohelm-, Skihelm-, ABS- und ESP-Effekt
Mit der Maskenpflicht steigt die Gefahr, dass die Leute sorgloser werden — Distanzregeln werden missachtet, Hände werden nicht mehr gründlich gewaschen, und man hält sich wieder vermehrt und länger in geschlossenen Räumen auf, die eine Ansteckung erleichtern.
Das befürchtet zum Beispiel auch Klaus Püschel:
Diesen Effekt namens Risiko-Kompensation vermutet man für viele Lebensbereiche — mit aufgesetztem Velohelm auf dem Fahrrad oder mit Gurten, aktiviertem ABS- und aktivierter Antischlupf-Regelung fährt man halsbrecherischer. Wissenschaftler wollen aber kürzlich herausgefunden haben, dass solche Risiko-Kompensation nicht nachweisbar ist. Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt.
Wo wir dann wieder in der Situation „Zwei Wissenschaftler, drei Meinungen“ wären. Denn 2014 hiess es noch: Fahrradhelm-Pflicht brächte mehr Schaden als Nutzen.
Fazit
Ich bin skeptisch und lehne auf Grund all der Informationen über Masken, welche ich seit Ausbruch der Pandemie erfahren habe, eher dazu, die Maskentragpflicht im Zivilleben als sogenanntes Hygiene Theater abzutun. Schlussendlich primär eine Beruhigungspille für panische Mitbürger, welche sich nun nicht nur an etwas handfestes (ein Stück Stoff) klammern können, sondern die ihnen auch die Hilflosigkeit nimmt, und sie aktiv etwas tun können: nämlich einen „Schutzschild“ aufsetzen. Psychologisch muss das ungemein wirksam sein.
In ein, zwei Jahren haben wir aber hoffentlich genügend wissenschaftliche Grundlagen, um die Wirksamkeit der Masken im Zivilleben ex-post zu beurteilen. Bis dann gilt wohl: Helm, eh, Maske auf! „Nützts nüt, schadts (bitte bitte bitte) nüt.“