Mittwoch, 30. November 2005, 22:45 Uhr

Swisscom, nicht Com

Momentan geht es bei der Swisscom so richtig ab. Der Bundesrat hat der kaufgeilen Führungsetage des Ladens verboten, ins Ausland zu expandieren. Dabei hatte man doch gerade erst die (nicht nur dank des Kaufvorhabens überbewertete) Eircom ins Auge gefasst und war bereit, ein Milliardenvermögen aufzuwenden, um endlich mal einen Übernahmekandidaten präsentieren zu können. Von denen gibt’s in Europa zwar ja nicht mehr viele (der Markt „konsolidiert“ sich, wie die Wirtschaftswissenschaftler so schön auszudrücken pflegen) – aber egal. Wenn all‘ die anderen massiv viel Geld ausgeben, wieso dann unsere geliebte Swisscom nicht? Immer diese Gruppenzwänge.

Wenn ich mich richtig erinnere, waren da doch früher auch schon mal …

… im Gespräch. Genützt hat es nicht. Der Hunger ist immer noch nicht gestillt.

Auch Kollege Burgdorfer hat sich bereits Gedanken über die Zukunft des Milliarden-Unternehmens gemacht und sieht das zusammengehen mit einem anderen Kommunikationsunternehmen unweigerlich kommen. Einspruch!

Komisch! Für einmal argumentiere ich auf einer Linie wie Burgdorfers Namensvetter Chrigel, Chrigel Blocher.

Die Swisscom kommt mir in letzter Zeit immer mehr wie ein typisch schweizerischer männlicher Party-Gänger vor, der im schönsten Outfit, akzeptablem Körperbau und Schlüssel eines deutschen Luxuswagens in der rechten Hosentasche um drei Uhr morgens mitten auf der Tanzfläche steht, etwas verloren, und sich verzweifelt nach der Frau des Lebens umschaut. Doch keines der göttlichen Geschöpfe widmet ihm einen Blick, er wird nicht beachtet. Als sich ihm fünf vor zwö… Drei ein hässliches Entlein nähert, brennen dem Herr Suiz Khom die Sicherungen durch – obwohl sie in einer deutlich tieferen Liga als er spielt, fährt er nun das für den ganzen Abend aufgesparte Programm auf. Der Kessel steht schliesslich unter Druck. Und was er in den letzten fünf Minuten alles an Pulver verfeuert, wird ihn am nächsten Morgen selbst etwas erstaunen. Dann wird er aber auch wieder weniger unter Einfluss der in seinen Blutbahnen herumschwirrenden Hormonen sein und wieder klarer denken können. Für seine Eskapaden wird er nur ein schwaches Lächeln übrig haben und sich für das nächste Mal vornehmen, eine andere Taktik anzuwenden. Welche, ist ihm noch nicht ganz klar. Aber er weiss, dass er das Können besitzt, die Sache durchzuziehen. Das einzige, was er braucht, ist ein klarer Gedanke, den er aber nur mit Abstand und ausreichend Zeit fassen kann.

Umgemünzt auf die Swisscom: Ruhig durchatmen, lieber Jens & Konsorte. Klar habt ihr eine supertolle Ausbildung in den besten Wirtschaftsschulen hinter euch. Das sollt ihr auch zeigen dürfen – in einem gewissen Rahmen. Weniger aber mit exorbitanen Löhnen, noch unüberlegten Kurzschlussreaktionen. Klar spürt ihr den Druck der Shareholder (wobei der grösste, der Bundesstaat, meiner Meinung nach kaum grosse Kurswechsel wünscht, wie der Bundesrat bestätigt hat). Doch wieso erzwungenes Wachstum? Blinde Kaufwut? Wieso der Kauf der Eircom? Wäre das Unternehmen wirklich so toll, lieber Jens, dann hätte es dir doch längstens jemand weggeschnappt. Think about it.

Mein Vorschlag: Lieber steigert man im Unternehmen die Produktivität (auch wenn das den Verlust von Stellen mit sich bringt), aber natürlich auch die Qualität und all das andere, was in all den schlauen Betriebswirtschaftsbüchern steht. Ob nun ausgerechnet die Tagesschau per UMTS dazugehört, sei fraglich. Aber immerhin beschäftigt ihr eure Techniker. Und im Gegensatz zu Deutschland habt ihr nicht mit UMTS-Lizenzen Milliarden verlocht, weshalb ein Rückzug ohne grossen Gesichtsverlust möglich wäre. UMTS wird nämlich ein Flop, prophezeie ich.

Eine Bitte hätte ich noch: Sollte der Bundesrat in naher Zukunft sein Aktienpaket (welch‘ eine Untertreibung – das sind hunderte von Vierzigtönnern mit Wertpapieren) abstossen, so wäre ich froh, wenn vorher die Infrastruktursparte der Swisscom ausgegliedert würde. Derjenige Teil der Swisscom, der sowohl die Kupferleitungen in die Haushalte wie auch die Telefonzentralen besitzt. Diese werden herausgelöst, in einen Bundesbetrieb umgewandelt und bieten den Telekommunikationsunternehmen künftig die Leitungen an. Zum Selbstkostenpreis, Gewinn soll keiner gemacht werden. Die Schweiz und seine Bevölkerung kann es sich nämlich nicht leisten, ein solch qualitativ gutes und weit erschlossenes Netz einem ausländischen Galgenvogel in die Hände fallen zu lassen. So würde der Wettbewerb endlich so richtig spielen – nicht so wie heute, wo wir einem Oligopol ausgeliefert sind, dass mittlerweile weniger auf Wettbewerb achtet, als dass es sich im bequemen Sessel mit einer Zigarre im Mund breit macht und ein Gläschen Rotwein geniesst, während hinter ihm das Cheminee-Feuer knistert.

Labels: Wirtschaft

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