Freitag, 12. Mai 2006, 11:47 Uhr

Calmy-Rey an der Uni Bern

Gestern Mittwoch wurde unserer Uni von Bundesrätin und Aussenministerin Michelin Calmy-Rey (Codename: MCR) mitsamt ihrer Entourage beehrt. Das Ziel des Besuchs war es, Studentinnen (dazu später mehr) nach ihrem Abschluss als Diplomatinnen zu gewinnen.

Da ich als künftiger Historiker einige der unzähligen Anforderungen an die Kandidaten erfülle sollte (abgesehen von den sehr guten Kenntnissen einer zweiten Amtssprache – „ouuui, certainement … äääh …“) und mir die erste der zwei Bundesräte in diesem Semester an der Uni Bern nicht entgehen lassen wollte (Genossin), war ich natürlich auch zugegegen. Die Aula war geborsten voll – der Diplomaten-Beruf scheint also doch auf eine gewisse Resonanz zu stossen.

Nachfolgend Aufgeschnapptes, das den Weg auf meinen Notizblock gefunden hat:

  • „Obwohl einige Leute der Meinung sind, dass eine schweizerische Aussenministerin am Besten nur in allen vier Landessprachen schweigen sollte …“

    – Props an den Redenschreiber!

  • MCR spricht ein gut verständliches Deutsch, gestaltet den Text aber teilweise zu wenig. Manchmal täte eine kleinere Atempause zwischen zwei Abschnitten gut, die nichts miteinander zu tun haben.
  • MCR legt enormen Wert auf die Steigerung der Frauenquote. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass man auf der Einladung hätte notieren sollen: „Einlass nur für weibliche Studentinnen“. Ihr Rede richtete sich in grossen Teilen an das weibliche Publikum.
  • „Männer sind immer noch willkommen. Sie müssen einfach gut sein …“

  • Im Gegensatz zur Chefin sprachen die beiden im „Handgepäck“ mitgeführten Diplomatinnen im Normalfall von „dem Diplomaten oder der Diplomatin“. MCR (oder ihre Redenschreiberin) achtete penibel darauf, zuerst die weibliche Form zu erwähnen.
  • Beide Diplomatinnen waren studierte Juristinnen (Bern und Zürich), eine aus der Welschschweiz.
  • Im Diplomatenkorps gäbe es 116 Botschafter, wovon nur gerade zehn Frauen seien (ohne Gewähr). Das EDA beschäftigt 3000 Mitarbeiter, davon 360 auf dem diplomatischen Gebiet.
  • Telearbeit, Teilzeit-Arbeit sowie Job-Sharing. Schlagwörter, die nur aus dem Mund einer linken Ministerin kommen können (man stelle sich Chrigu vor, wie er im Albisgüetli von solchen Dingen sprechen würde). Sehr überzeugend, da wird wirklich etwas für die Frau und ihre junge Familie getan. Ein grosser Pluspunkt, wieso der Bund in gewissen, von linken oder gemässigten Bürgerlichen geführten Departementen immer noch als guter Arbeitgeber gilt. MCR war es, die die Altersbeschränkung für den Diplomaten-Concours von 30 (?) Jahren auf 35 Jahren hochhob, um Frauen den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen.
  • Diplomaten müssen Generalisten sein. Einer der wenigen (ansprechenden) Jobs heutzutage, die nicht nach Spezialisten verlangen. Stichwörter: Netzwerker, Türöffner, Unterhändler, Manager, kein Partylöwe. Offensichtliches Lieblingswort der Diplomatenelite: „Polyvalenz“.
  • Jährlich bestehen zwischen zehn bis zwanzig Anwärter den Concours, abhängig von Budget und Vakanzen. Wieviele Bewerbungen zu Beginn eingehen, wurde nicht gesagt.
  • Die Frage, ob man sich gleich anschliessend an das Studium oder nach einigen Jahren Berufserfahrung anmelden solle, konnte nicht beantwortet werden. Es gäbe beides, hiess es.
  • Eine französische Redeart habe ich nicht verstanden: „Mieux voir la tête …“. In der Deutschschweiz muss man solche Redewendungen laaangsam ins Mikro sagen.
  • Personen mit exotischen Sprachkenntnissen sind besonders gefragt. Englisch spreche heutzutage fast jeder – Chinesisch und Arabisch aber sind Mangelware.
  • Befehlsmässige Ausführung der Weisungen aus Bern? Nein, immer zuerst mit Rücksprache vor Ort, Analyse und eigene Einschätzung des Diplomaten erwünscht. „Auch der Bundesrat hat ja nicht immer ganz genau dieselbe Meinung“ (grosses Gelächter).
  • In welchem Land kann man nach einer solchen Veranstaltung 30cm an der Regierungsvertreterin vorbeispazieren?
  • Der schwarze Mercedes wartete brav zwischen SBB- und Uni-Hauptgebäude. Die Chefin liess es sich aber nicht nehmen, noch kurz etwas frische Luft zu schnappen.

Meine Frage

Hat man – wie üblich – nicht ganz verstanden. Hier noch einmal in der eigentlich beabsichtigten Variante:

Werden Personen, die im Concours gut abschneiden, aber nicht in die Ränge kommen, anderweitige Jobs angeboten?

Es kann ja fast nicht sein, dass man diesen Riesen-Aufwand auf sich nimmt, weit kommt und danach mit leeren Händen dasteht (ich meine jetzt nicht Kandidaten, die gar nicht erst zum Initialgespräch eingeladen werden). Eine solch gründliche Prüfung sollte einen doch in gewisser Weise auch für andere, weniger prestigeträchtige Jobs qualifizieren?

Mein Plan

Anstelle den Concours zu durchlaufen, um dabei kläglich zu scheitern, achte ich einfach darauf, eine gestandene Diplomatin zu heiraten. Für einen deutschsprachigen Schweizer Mann zur Zeit wohl die einfachste Möglichkeit, in das Diplomatenleben einzutauchen …

Nachtrag

Aha, deshalb also der Besuch an unserer Uni: Mehr Personal für Botschaften

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