Archiv 5. Dezember 2006

Dienstag, 5. Dezember 2006

Salto Origami

Als einer der zwei Gewinner des diesjährigen Aufsatzwettbewerbs der Japanischen Botschaft durfte ich mich nicht nur auf eine Studienreise nach Japan begeben, sondern war gestern auch ins Hotel Bellevue in Bern geladen, um den Geburtstag des japanischen Kaisers zu feiern (etwas verfrüht – eigentlich ist es erst am 23. Dezember so weit, was aber aus offensichtlichen Gründen kein gutes Datum für christliche Länder darstellt).

Fahrgemeinschaft

Da des „Autes“ Vater auch geladen war, schlossen wir uns kurzerhand zu einer Fahrgemeinschaft zusammen und begaben uns auf den regnerischen Weg nach Bern. Etwas nach 18 Uhr betrat ich – zum ersten Mal in meinem Leben – die ehrwürdigen „Hallen“ des Bellevues, dem einzig noch verbliebenen Fünf-Sterne-Palast im Herzen von Bern.

Egerszegi

Sofort stach uns die ellenlange Schlange ins Auge, die sich auf der Treppe ins Untergeschoss (in Richtung Garderobe) erstreckte. Angesichts der zu erwartenden Wartezeit begaben wir uns von der linken auf die rechte Seite des Saales, wo ein anderer Anlass gerade anfing, spannend zu werden. Bevor wir aber in den Mittelpunkt des Geschehens vorstossen konnten, wurden wir von einem älteren Herr (rückblickend wohl ein Politiker) freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass wir wohl nicht zu den erwarteten Gästen gehörten. Wie mein im Smalltalk geübter Begleiter in wenigen Sätzen herausfand, handelte es sich hierbei um die Feier zur Wahl der Nationalratspräsidentin 2007 – Christine Egerszegi.

Mit Blick auf die Schlange fragte mein Begleiter, ob es trotzdem nicht möglich wäre, eine flüssige Zwischenverpflegung zu ergattern, um das Anstehen etwas angenehmer zu gestalten. Dem „Türsteher“ blieb angesichts der Freundlichkeit der Frage und unserem Auftreten keine andere Wahl und zeigte sich einverstanden, wenn wir uns zwei von Egerszegis Drinks schnappen würden. Taten wir dann anstandshalber doch nicht (hätten wir sollen?) und stellten uns zuhinterst in die Schlange für den Botschaftsempfang (nun, um ehrlich zu sein: Nicht ganz zuhinterst – des „Auten“ Vater kannte selbstverständlich jemanden, der bereits in der Schlange stand und wir nutzten deshalb zumindest diese Gelegenheit, uns vorteilhafter zu platzieren).

Hymne

Am Eingang stand der Botschafter mit seiner Gattin und begrüsste alle eintreffenden Gäste – auch mich, obwohl ich angesichts der Übermacht an Designerklamotten und Massanzügen doch deutlich Underdressed daherkam. Macht nichts: Ich hoffte auf den Study Tour-Bonus.

Während einer kurzen Ansprache wurde die japanische Hymne abgespielt – anscheinend stellte dies heuer ein Novum dar. Es folgte die erste Strophe des Schweizerpsalms – und danach war das Buffet eröffnet. Es wurde mit harten Bandagen gekämpft – auch bei den Arrivierten scheint zuweilen Futterneid zu herrschen. Aber andererseits auch durchaus verständlich: Wann kriegt man schon vorzügliches Sushi und Shrimps-Tempura serviert? Es freute mich, dass ich schon im Voraus wusste, wie die Häppchen heissen und was es mit ihnen auf sich hatte. Für die heiklen Gäste gab es aber auch westliches Essen, sprich Käseküchlein und Schinkengipfeli, dazu natürlich einen edlen Weissen und Roten (aus der verstaubten Flasche – wow!).

Sushi im Kabuki

Mein Begleiter stiess bald auf weitere alte Bekannte und es ergab sich, dass wir nach dem Genuss von Sake, der den Ende der Feierlichkeiten markierte, noch weiterzogen. Da das Sushi-Restaurant Japigo Montags geschlossen ist (stellten wir erst vor der verschlossenen Ladentüre fest), verschlug es uns schlussendlich in das Sushi-Restaurant Kabuki in der Markthalle. (Nebenbei: Wo man in Bern Sushi findet) Vorneweg: Teuer, aber ausgezeichnet. Da fühlt man sich gleich wieder in Japan, zumal die Angestellten astreine Japaner zu sein scheinen (meine Nihongo-Profis um mich herum verständigten sich jedenfalls auf japanisch).

Mit unseren Begleitern – einem Ehepaar (er: Japaner, sie: Zürcherin) – speisten wir Sushi und allerlei andere japanische Leckereien (u.a. auch Entensuppe, Frühlingsrollen), begleitet von Kirin (auf der Study Tour war Asahi „Ichiban“, weshalb ich mich über die Abwechslung freute).

Origami im Kabuki

Als ich von meinen Erlebnissen im Land der aufgehenden Sonne berichtete, kam ich auch kurz auf unsere Origami-Übungen bei den eindrücklichen tokyoter Taiko-Trommlern zu sprechen. Ehe ich es mir versah, war der neben mir sitzende Japaner auch schon daran, aus der vor ihm liegenden Unterlage einige Origami-Meisterstücke zu falten. Er begann mit einem simplen, aber nicht minder hochstehenden Faltwerk – ich nenne es „Salto Origami“. Seine Funktion ist so verblüffend wie ausgeklügelt, doch seht selbst:

Schon bald löste sich die fröhliche Runde auf – irgendwie werde ich Japan vermissen … Eins ist klar: I’ll be back. Wann und wie ist eine andere Frage.

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