Archiv 11. Januar 2009

Sonntag, 11. Januar 2009

Erste Eindrücke aus Tel Aviv

Ab dem 7. Januar 2009 lümmelte ich im gelobten Land herum. Erste Eindrücke:

Flickr-Fotos (157 Stück)

  • Am Nachmittag lief einem andauernd Soldaten und Soldatinnen über den Weg. Es gibt mindestens zwei Uniformen: Die dunkel- und hellbraunen. Vermutung: Entweder handelt es sich um eine Unterscheidung zwischen Truppengattung oder Rang. (Danke, Gili!)
  • Wer insbesondere auf Mädels steht, die in Uniform und M16 rumlaufen, kommt hier auf seine Kosten (zugegebenermassen hat diese Konstellation für einen Zivilschützer seinen Reiz).
  • Im Ausgang kann man durchaus mit beurlaubten Soldatinnen ins Gespräch kommen. Ganz lustig wird es, wenn der Alkoholpegel steigt und gewisse Damen (gemäss eigener Aussage Offizierinnen!) sturzbetrunken „Fuck Hamas“ in die Gasse rufen.
  • Die jungen Leute verstehen und sprechen alle gut englisch – auch das Servierpersonal.
  • Bezüglich Indiviudalverkehr erinnert Tel Aviv stark an amerikanische Grosstädte: Alles mit dem Auto, und somit auch die davon hervorgerufenen Staus. Fragt sich nur, ob Israel all das Erdöl aus Norwegen importiert? Oder kann es das Land wirklich verantworten, Erdöl aus arabischen Staaten einzuführen (wahrscheinlich über Drittländer).
  • Wie beispielsweise auch in Los Angeles gibt es viele bediente Parkplatz-Felder – mitten in der Stadt, à la Vorplatz Reithalle (meistens etwas kleiner dimensioniert, wie beispielsweise an der Rothschild). Man bezahlt aber nicht am Automaten, sondern bei einer lebenden Person im Kassahäuschen.
  • Die Hupen haben hier eine deutlich geringere Halbwertszeit als in der Schweiz – wie auch die Geduld der Autofahrer.
  • Die meisten Autos weisen Beulen auf – die Szenerie erinnert an Frankreich und Italien.
  • Metro gibt es keine, die einzige Zugverbindung führt am Stadtrand vorbei. Der Bus ist das öffentliche Fortbewegungsmittel – mit unzähligen Linien.
  • Neben Bussen und Taxis scheint es noch ein drittes Fortbewegungsmittel zu geben: Ein Zwischending à la Minibus mit ca. 10 Sitzplätzen.
  • Die Ausstattung und der Zustand der Züge mag bei einem verwöhnten Schweizer nur ein müdes Lächeln hervorrufen: Dieselloks und uralte Wägen bieten kaum Reisekomfort.
  • Kondukteur gibt es keinen – Tickets werden analog zu U-Bahnen wie Paris beim Bahnhofseingang entwertet und müssen beim Verlassen der Zieldestination erneut in den Ticketfresser eingeschoben werden.
  • Am Eingang zu Bars und Restaurants steht in den allermeisten Fällen ein Türsteher, der ganz penibel in Taschen schaut. Könnte ja eine Bombe drin sein …
  • Strassen sind in hebräisch, arabisch und Englisch angeschrieben.
  • Natürlich aber nicht die Restaurants (auch wenn sie oft über englischssprachige Aushänge und Menus verfügen). Deshalb lieber die Strassennummer notieren und sich danach orientieren.
  • Tel Aviv ist teuer.
  • An Sabbat liegt das halbe Land lahm. Gemäss einem Taxi-Fahrer eine Konzession der Politiker an die orthoxen Juden, die 20% des Parlaments stellen. Viele Läden schliessen bereits Freitag-Nachmittag. Da es den orthodoxen Juden verboten ist, sich am Sabbat zu betätigen, halten Lifte in Hotels in jedem Stock.
  • Bezüglich der Partystadt Tel Aviv scheint es saisonal bedingte Unterschiede zu geben: Im Januar scheint weniger los zu sein als im Hochsommer.
  • Von den 130mm Niederschlag im Januar habe ich kaum einen Tropfen gespürt (von vier Tagen waren dreieinhalb ohne Regen).
  • Wer schon lange nicht mehr gejoggt hat und es als optimalen Anlass findet, endlich wieder mal einem Strand entlang zu laufen, muss am nächsten Tag mit enormem Muskelkater rechnen.
  • Als Tourist beginnt man sich nach einiger Zeit zu fragen, welche Person denn nun ein eingewanderter Osteuropäer ist, wer Araber, wer Mischling usw.
  • Von orthodoxen Juden sieht man in Tel Aviv nicht viel.
  • Kindergärten scheinen unterteilt zu sein – in orthodoxe und „normale“. Gemeinsam haben sie aber Plasticverhänge oder gar Stahlplatten an den Zäunen, die den Innenhof abgrenzen. Aussenstehende erhalten so kaum Einblick auf die Spielplätze – wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen.
  • Die Leute sind (im Januar? während dem Krieg?) nicht unbedingt freundlich – Hotel-Angestellte und 24h-Shop-Kassier machten den schlechtesten Eindruck auf mich. Andererseits sind Servierpersonal und Bekanntschaften dann doch sehr rasch auskunftsfreudig – man muss aber das Eis brechen und auf sie zugehen. Der Taxifahrer, der mich zum Flughafen zurück führte, war die offenste Person, die ich kennengelernt habe.
  • Als Mann ist es kein Problem, alleine in der Stadt herumzugehen – egal, zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Nie wurde ich von jemanden angehalten oder angepöbelt. Vielleicht hatten sie ja auch einfach Angst vor mir …
  • „Schweiz“ spricht man auf Hebräisch wie „Schwyz“ (Kanton) aus. Die Israelis, mit denen ich länger gesprochen habe, kennen das Land, zwei von drei waren auch schon dort.
  • Es gab sehr viele junge US-Amerikaner – sowohl bei der Einreise, als bspw. auch beim Besuch der Independence Hall oder am frühen Abend auf den Gassen.
  • Israel ist einer der wenigen Orte, wo man sich wohl auch noch mit Französisch durchschlagen könnte.
  • Zur Orientierung in der Stadt lässt man sich an der Reception einen faltbaren Stadtplan aushändigen (denjenigen vom Israel Diamond Center)
  • Bei der Suche nach Restaurants verlässt man sich besser auf die Strasse und die Strassennummer – nicht jedes Lokal ist auch auf Englisch angeschrieben.

Selbstverständnis

Besucht man Museen und Ausstellungen, so wird einem schnell klar, wie sich der Israeli, oder zumindest der Tel Aviver sieht: „Wir haben das Land hier urbar gemacht, eine Metropole gebaut – das ist unsere Legitimation, das ist unser Stolz.“ Das Schicksal – oder neutraler: die Rolle – der palästinensischen Bevölkerung wird dabei oftmals ausgeblendet (in einem Video, das mir in der Independence Hall gezeigt wurde, fand diese Bevölkerungsgruppe kaum sichtbar Erwähnung).

Was mir als Historiker aufgefallen ist, der sehr gerne alte Fotografien betrachtet (Independence Hall, aber auch bei einer Architektur-Ausstellung im Shalom Tower): Bei der Verlesung der Unabhängigkeit 1948 habe ich auf den Fotos keine orthodoxen Juden gesehen. Die Leute auf den Bildern schienen mir mehrheitlich dem intellektuellen Bürgertum zu entstammen, in Anzug und Hut gekleidet.

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Sonntag, 11. Januar 2009

Ein- und Ausreise in Israel

Einreise

Nach der Landung muss man sich der langwierigen Passkontrolle unterziehen. Natürlich hatte ich wieder einmal die falsche Schlange erwischt und wechselte schlussendlich von der Schlange vor demjenigen Häuschen, in dem nur eine Frau sass zu einem anderen Häuschen, in dem gleich drei (!) Frauen zum rechten sahen. Und da begannen meine Probleme:

  • männlich
  • unter 30-jährig
  • allein reisend
  • Nachname Aeby – tönt für Israelis anscheinend sehr arabisch

Nachdem die Dame einige Fragen gestellt hatte („Wie spricht man Ihren Nachnamen aus?“, „Wie heissen Ihr Vater und Ihre Mutter mit Vornamen?“, „Was wollen Sie in Israel?“, „In welchem Hotel halten Sie sich auf?“), wurde mir ein Stempel in den Pass geknallt.

Das bedeutet leider, dass ich mit diesem Pass garantiert nicht mehr nach Dubai oder anderen sensiblen arabischen Nationen einreisen kann. Zusätzlich wurde noch ein Papierstreifen in den Pass gelegt.

Wie sich gleich herausstellen sollte, wurde ich von den Behörden als potentielles Sicherheitsrisiko betrachtet. Der Zettel unterschied sich nämlich von demjenigen, den Amis und andere harmlose Gesellen erhalten. Nach erneuter Abgabe des Passes an einer nachgelagerten Kontrollstelle wurde ich von einer weiteren Frau zur Seite genommen. Sie beschied mir, dass ich aus Sicherheitsgründen noch einige Fragen zu beantworten hätte.

Die Fragen wurden nun deutlich spitzer und unangenehmer – und ich nervöser.

  • Wie spricht man Ihren Nachnamen aus?
  • Was bedeutet er? (bin ja mal gespannt, wie viele Schweizer die Bedeutung ihres Nachnamen kennen – als Ahnenforscher wusste ich die Antwort natürlich: Efeu!)
  • Wie heissen Vater und Muter mit Vornamen? (weil Aeby anscheinend arabisch kling – Abi? – kann man so relativ rasch feststellen, ob die Eltern tatsächlich Araber sind)
  • Was machen Sie von Beruf?
  • Student – wer hat Ihnen die Reise bezahlt?!
  • Wieso Israel?
  • Wieso kommen sie gerade jetzt nach Israel? – Wegen dem Strand. – Spinnen Sie? Jetzt ist es bei uns arschkalt (Übertreibung des Autors) – Naja, bei uns ist es -5°, bei Ihnen +20° – das ist schon ein Unterschied.
  • Kennen Sie jemanden hier? – Nein. – (Verständnisloser Blick)
  • In welchem Hotel wohnen Sie?
  • Welche Trips planen sie? – Keine?! Wollen Sie nur in Tel Aviv rumhängen? – Öhm … Ja?!

Die traumatischte Erinnerung an eine Einreise stammte bisher aus dem Januar 2007, als ich in Los Angeles in die USA einreiste. Das Prozedere in Tel Aviv hat dies aber noch um ein vielfaches getoppt. Solche Erfahrungen sind es, die einem die Ruhe und den Frieden in der Schweiz wieder einmal zutiefst schätzen lassen … sowie das Schengen-Abkommen, dass solche Einreisehürden abschafft. (Wahrscheinlich müsste ich aber für einen richtigen Vergleich in die Haut eines Ukrainers schlüpfen, um eine Wertung über die Einreise in die Schweiz abgeben zu können).

Leider sollte diese Hürden nur ein kleiner Vorgeschmack sein, was man bei der Ausreise aus dem gelobten Land über sich zu ergehen lassen muss …

Ausreise

Trotz einem ausgelassenen Abend schaffte ich es am Samstag, dem israelischen Sonntag, noch vor 12 Uhr auszuchecken. Gleich vor dem Hotel konnte ich ein wartendes Taxi ergattern und wurde für deutlich überteuerte 150 Scheckel (ca. 50 Franken – angeblich, weil Sabbat war) an den Flughafen geführt.

Einfahrtskontrolle

Die Fahrt verlief ohne Probleme, da die Strassen in der Innenstadt und die Autobahn im Gegensatz zu Arbeitstagen nur mit wenigen Verkehrsteilnehmern bevölkert war. Als wir die Ausfahrt Richtung Flughafen nahmen, ging es nicht lange, und schon mussten wir am ersten Kontrollpunkt anhalten. Soldaten musterten mich und den Taxi-Fahrer. Sobald er sich auf israelisch mit ihnen zu verständigen begann, wurden wir durchgewunken – „Die wollen nur hören, ob du Israelisch ohne arabischen Akzent sprichst“, sagte der Taxi-Fahrer bei der Weiterfahrt.

Eingangskontrolle

Nach einigen Minuten hielt der Fahrer vor Halle 3, ich bezahlte ihn, stieg aus und holte mein Gepäck aus dem Kofferraum. Noch bevor ich in die Halle eintreten konnte, trat eine jüngere Frau an mich heran, die eine Uniform eines privaten Sicherheitsdienstes trug. Sie wollte meinen Pass sehen, erkundigte sich mit den bereits von der Einreise gewohnten Fragen über den Zweck meiner Reise und liess mich schlussendlich noch einen Metalldetektor passieren. Gegen Ende der Befragung mussten wir beide lachen, als sie sich nach Leuten erkundigte, die ich kennengelernt hätte: „Den Taxifahrer von vorhin …“, gab ich ihr zu verstehen.

Vor dem Check-In-Schalter wurde ich erneut aufgehalten. Dieses Mal schien es sich aber nur um einen gewöhnlichen Flughafen-Beamten gehandelt zu haben. Er fragte mich nach meiner Destination und wies mich daraufhin an, doch in einigen Minuten zurückzukehren – es sei noch zu früh, die Sicherheitsleute seien noch nicht am Platz.

Nun gut – da es mittlerweile kurz vor halb Eins Ortszeit war, entschied ich mich, etwas zu essen. Doch dies war im öffentlichen Bereich des Flughafens gar nicht so einfach – kaum ein Geschäft, McDonalds inklusive, hatte wegen des Ruhetages geöffnet. Einzig eine gut besuchte Kaffeebar verkaufte nebenbei auch Nahrungsmittel, und so gönnte ich mir ein Müesli mit israelischen Früchten und israelischem Honig. Ob mein Mahl koscher war, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen (das sind genau die Art Fragen, die einem nach einigen Tagen Aufenthalt in Israel ur-plötzlich plagen).

Security Check

Nach etwa einer halben Stunde kehrte ich zum dem Check-In vorgelagerten Security Check zurück. Mittlerweile waren alle Stationen mit Personal besetzt und prüften bereits die ersten (wenigen) Passagiere.

Nach etwa fünf Minuten war ich an der Reihe und musste die zweite Befragung an diesem Tag über mich ergehen lassen. Die junge Frau nahm meinen Pass und mein Flugticket an sich und informierte sich erneut mit den gewohnten Fragen (wohl aus dem israelischen Standardlehrbuch für Sicherheitsprofis) über meinen Aufenthalt. Wahrscheinlich war die Dame erst frisch beim Betrieb oder sogar noch in der Ausbildung – denn nachdem ich die Fragen, mittlerweile deutlich ruhiger und konziser als bei der Einreise, beantwortet hatte, verabschiedete sie sich mit der Bemerkung, dass sie ihren Supervisor holen müsse.

Zum ersten Mal während meines Aufenthaltes wurde ich nun von einem Mann befragt – er war etwa in meinem Alter, dunkelhaarig und trug Brille. Der Frage-Marathon begann von vorne, während die Dame daneben stand und zuhörte, wie der Chef den suspekten Ausreisenden mit gekonnten Fragen auseinandernahm.

Aus seinem Mund hörte ich für einmal neue Fragen (er hatte wohl zusätzlich die Ausbildung zum fortgeschrittenen Fragesteller mit Bravour durchlaufen), gemischt mit den altbekannten Fragen:

  • Sie haben die Stadt angeschaut – was haben Sie denn so gesehen? – Den Shalom Tower, Old Yaffa …
  • Haben Sie Leute kennengelernt? – Ja, Restaurant-Personal, den Taxi-Fahrer von vorhin …
  • Sie sagen, dass Sie am Abend auch in Clubs feiern gegangen sind. Wenn Sie niemanden hier kennen, wie haben Sie denn diese Clubs gefunden? – Nun, es gibt ja das Internet. Abgesehen davon ist es nicht schwierig, die Allenby Road runter zu spazieren.
  • Wieso ist der Kollege, der Ihnen das verbilligte Flugbillet beschafft hat, nicht mit von der Partie? – Er hat zu Beginn des Jahres immer viel zu tun …
  • Sie sagen, Sie seien Student. Die Reise hat Ihnen aber eine Stange Geld gekostet. – Ja, ich arbeite noch Teilzeit. Und habe die Reise mit meinem Ersparten bezahlt.
  • Wieso gerade Tel Aviv? – Für mich war das eine Städtereise, wie ich es schon oft gemacht habe – Ja, aber innerhalb Europas kosten Flüge nur 100 Dollar. Das ist doch ein völlig anderes Preisniveau! – Wenn Sie sagen, dass es teuer ist, dann wird es wohl so sein …

Irgendeinmal gab er die Fragerei auf, übergab die Behandlung wieder der jungen Dame, welche mich zu den Röntgengeräten vorliess. Dort wurde jedes meiner Gepäckstücke mit einem Barcode versehen und durchlief den Apparat. Der Laptop musste separat gescannt werden, womit ich über drei zu durchsuchende Gepäcksstücke verfügte.

Gepäckkontrolle

Vis-à-vis des Scanners war hufeisenförmig ein Theke aufgebaut, die aus etwa sechs Schalter bestand. Jeder Arbeitsplatz war mit Doppelschirmen ausgerüstet, dessen Zweck mir bald offenbart werden würde. Ich wurde aufgefordert, mein Gepäck auf einen der Schalter zu legen und zu öffnen. Das war ein Novum für mich – selbst bei der Einreise in die Staaten im Januar 2007 wurde mein Gepäck von keiner Person angerührt.

Gleich zwei Personen begannen nun mit Latex-Händschchen ausgerüstet, mein Gepäck zu durchsuchen: Eine kleinere, untersetzte Frau mit dunklem, lockigen Haar sowie ein Mann in Uniform mit weissem Hemd und kahlgeschorenem Kopf (anscheinend eine äusserst beliebte Frisur in Tel Aviv). Beide waren in etwa in meinem Alter.

Dabei war ihnen der Bildschirm behilflich. Dort wurden nämlich nach dem Einlesen des Barcodes die Röntgenscans meiner Gepäckstücke angezeigt. Nach einem vorgegebenen Muster wurde nun in meinem Gepäck nach den auffälligen und sicherheitsrelevanten Stücken gesucht.

Besonderes Augenmerk galt meinem Handgepäck. Der Beamte räumte die Tasche bis auf den letzten Fünfräppler komplett leer, begutachtete meine Schreibutensilien, den iPod, meine Restaurant-Belege, Flyers (darunter ein Flyer, der eine „sensual massage by Israeli woman“ versprach, welchen ich auf den Strassen Tel Avivs unter einem Scheibenwischer eines Autos gefunden hatte) aber auch meine Jacke und sonstige Kleidungsstücke, die ich im Handgepäck mitführte.

Dem nicht genug: Mein weisses MacBook, der schon bei der Röntgenmaschine aufgeklappt in einem Spezialgerät gescannt worden war, erregte die Aufmerksamkeit der Sicherheitspersonen. Der Junge schaute sich das Gerät genau an, liess es ein weiteres Mal röntgen. Anschliessend bat er mich, die Batterie zu entfernen. Auch diese wurde erneut geröntgt. Nachdem ich die Batterie wieder eingebaut hatte, wurde ich aufgefordert, das Gerät zu starten. Ich hatte mich einzuloggen und musste dem neugierigen Beamten zeigen, wie ich ein Dokument öffnete. Dabei war er nicht zufrieden, als ich ihm „nur“ einen Screenshot zeigte („You are visiting a phishing site“ vom neuesten Safari). Erst als ich eine PDF-Datei geöffnet hatte, durfte ich das Gerät wieder ausschalten.

Das Luggage, welches ich am Check-In aufgeben wollte, wurde selbstverständlich auch durchsucht. Schade fokussierten die Beamten nicht auf die dreckige Wäsche …

Nach der ausführlichen Durchsuchung meines Gepäcks gab es zwei Unstimmigkeiten: Erstens fehlte an meinem Samsonite-Koffer nun der an einem Reisverschluss angebrachte Plastic-Halter. Die Dame bot an, dass ich sie durchsuchen dürfe – sie hätte das Ding garantiert nicht eingesackt. Andererseits fehlte mir der Pass – doch von den Beamten wollte ihn niemand an sich genommen haben. Erst später realisierte ich, dass ich ihn ja in die Hosentasche der Jeans gesteckt hatte.

Schlussendlich musste ich einschreiten, als die gute Dame versuchte, den von ihr neu gepackten Koffer zu schliessen. Mit vollem Gewicht legte sie sich auf den Deckel, weil sie den Koffer nicht mehr zubrachte – dabei lag doch noch meine Spiegelreflex und das zweite Objektiv genau unter ihrem Druckpunkt! So endete die Untersuchung, in dem ich sowohl den Rollkoffer als auch die Handgepäcks-Tasche eigenhändigt einräumte – zum zweiten Mal an diesem Tag. Als ich bemerkte, „You know, I have my own system“ verstand die Dame doch tatsächlich „sister“ statt „system“ – ich antwortete darauf spitz: „Yes, I have a sister.“

Beim Verpacken des Laptops kam plötzlich sogar eine völlig unerwartet eine Smalltalk-Situation auf: Die Dame sagte etwas von „Macintosh“ zu ihrem Kollegen, worauf ich erwiderte „There’s no better one than that!“. Sie erwähnte den neuen Aluminium-Laptop von Apple, während ich auf die Abfärbungen auf dem weissen Plastic hinweis – die Sicherheitsbeamtin hätte trotzdem gerne einen solchen weissen Mac besessen.

Personenkontrolle

Fertig? Denkste. Nach den Reise-Utensilien kam nur der Reisende selbst dran. Das Gepäck blieb beim Schalter zurück, während ich brav dem Sicherheitsbeamten durch das halbe Flughafengebäude nachtrottete.

Ich kam in einen gesicherten Bereich und hatte mich in eine Umkleidekabine zu begeben. Zuerst hatte ich all meine Taschen zu leeren, damit der Beamte mich gründlich abtasten konnte (so gründlich war ich noch nie abgetastet worden – da haben Sicherheitsdienste an schweizerischen Parties noch einiges zu lernen!) und anschliessend mit einem Metalldetektor überprüfte. Aus irgendwelchen Gründen piepste das Ding in meiner Beckengegend unaufhörlich – H&M-Jeans, yeah! Daraufhin verschwand er aus der Umkleidekabine und hiess mich, auf ihn zu warten (was anderes hätte ich tun sollen?). Kurze Zeit später stand er mit seinem modisch gekleideten Supervisor (ebenfalls mit kahlgeschorenem Haupt) wieder in der Umkleidekabine. Nach der Frage, ob ich Unterhosen trage, musste ich meine Hosen runterlassen (nur bis in die Knie, wie der Supervisor noch gerade rechtzeitig anmerkte).

Zuerst wurde meine Unterhose vom Metalldetektor überprüft (als er über dem sensiblen Bereich war, machte ich komische Grimassen), dann ein drittes Mal meine Jeans. Nachdem selbst den pingeligsten mir je begegneten Beamten klar wurde, dass ich wohl tatsächlich nichts als körpereigene Organe in meiner Unterhose mitführte, entschuldigte sich der Supervisor halbherzig für die „inconvenience“, liess mich meine Kleidung wieder anziehen und zurück ging es im Schlepptau des ihm untergeordneten Beamten zum Gepäck.

Check-In

Ich bemächtigte mich meines Gepäcks und ging – unter steter Überwachung des Sicherheitsbeamten – zum Check-In-Schalter. Nach wenigen Minuten drückte mir die hübsche Angestellte das Ticket in die Hand und mein Rollkoffer machte sich auf den Weg durch das Labyrinth der Gepäcksortierung des Ben Gurion-Flughafens.

Auch jetzt wich der Sicherheitsbeamte nicht von meiner Seite. Durch die grosse Halle ging es in Richtung Security-Check für das Handgepäck. Da ich bereits vorgängig derart gründlich gefilzt worden war, durfte ich die Abkürzung – vorbei an anderen Flugreisenden – nehmen.

Ausblick

Nachdem ich die Schleuse passiert hatte, überlegte ich mir während eines Bruchteils einer Sekunde, ob ich den jungen Mann zum Abschied noch kurz anhauen wollte: „Is it really worth all this?“ Ich entschied mich dann doch dagegen – in der Hoffnung, dass er sich auf Grund meiner demotivierten Haltung längst ausgemalt hatte, wie sehr mir dieses paranoide Verhalten auf den Keks gegangen war … Und schliesslich wollte ich jetzt nur mehr rasch nach Hause – eine unbedachte Äusserung, und ich sah mich schon zusammen mit PLO-Gefangenen beim Waterboarding.

Und ja, der Reiseführer hatte mit seiner Warnung vollkommen Recht: Für Tel Aviv Ben Gurion solle man mit zwei bis drei Stunden rechnen, um alle Sicherheitschecks über sich ergehen zu lassen. Ob ich bereits die grösste Gefahrenstufe für Land, Bevölkerung, Flughafen und Flugzeug eingenommen hatte, werde ich wohl nie erfahren …

Dass dieser Ratschlag nicht nur auf Personen zutrifft, auf die die israelische Rasterfahndung aufmerksam wird, zeigte sich im Flugzeug: Eine aufgeregte deutschen Passagierin in ungefähr meinem Alter klagte bei der Flight Attendant, dass sie zu spät an den Flughafen gekommen war und den Sicherheitscheck im Eiltempo durchlaufen musste. Irgendwie war ihr dabei der Laptop abhanden gekommen … Sie fliege regelmässig nach Israel und es sei das erste Mal gewesen, dass sie solche Probleme bekommen hätte.

Fazit

Eine solche Behandlung trübt selbstverständlich den Eindruck, den ich vom Land erhalten habe. Aus meiner Sicht ist Israel für mich definitiv als Reiseziel gestorben – dieser Aufwand lohnt sich weder bezüglich Zeit noch bezüglich der daraus resultierenden Gemütslage. Meine Sympathie für das Land war vorher angeschlagen, verbesserte sich während des Aufenthaltes wieder, um sich während des Sicherheitschecks wieder zu verflüchtigen. Will das Israel wirklich? Mit der einen Hälfte der Welt hat man es sich schon verscherzt … ist man nun daran, auch die zweite Hälfte vor den Kopf zu stossen?

Auch frage ich mich, wie eine Gesellschaft einmal enden soll, die tagtäglich, in jeder Sekunde von einer solchen Paranoia heimgesucht wird. Selbstverständlich verstehe ich, dass Israel im Nahen Osten in einer stark exponierten Lage lebt – umgeben von arabischen Staaten, deren Politiker als auch deren Bevölkerung auf den Nachbar nicht gut zu sprechen sind. Und doch finde ich die Abwehrhaltung – gerade auch gegenüber Bewohnern westeuropäischer Staaten – stark übertrieben.

Ich wundere mich, ob Israel von Einreisenden nicht etwas wie einen „Ahnenpass“ fordern sollte, der die „Reinheit“ des Einreisenden bezüglich unerwünschter Einflüsse aufzeigt. Vielleicht entwickelt ein israelisches Unternehmen ja auch einen Instant-Bluttest, der die genetische Abstammung einer Person klar aufzeigt. So hätte meine Unbedenklichkeit wohl relativ rasch festgestellt werden können, im Gegenzug wären dafür andere, ebenfalls unbescholtene Reisende ins Visier der Sicherheitsapparates gelangt. Solche Tendenzen hatten wir in Europa ja in den 1930ern schon einmal – und wie solche Ideen schlussendlich herausgekommen ist, wissen wir leider sehr genau aus unseren Geschichtsbüchern.

Gerade die hier aufgelisteten Fragen zeigen, dass jemand, der nicht einem „normalen“ Muster entspricht, sich aus Sicht eines Israelis nicht rational und komisch verhält, völlig suspekt ist. Die Frage bleibt dabei, was denn Israelis als „normal“ bezeichnen – es ist ja nicht so, dass das Land derart homogen wie beispielsweise Japan wäre.

Auch aus (volks)wirtschaftlicher Sicht muss man sich fragen, wie lange die Steuerzahler die enormen Aufwendungen für die Sicherheit noch berappen können und wollen. Andererseits ist es ja auch ein Beschäftigungsprogramm – Türsteher mit (oft russischem) Migrationshintergrund bei Clubs und Restaurants, und all die Sicherheitsbeamten an Flughäfen absorbieren sicherlich viele Personen im arbeitsfähigen Alter. Und doch fände ich es aus ökonomischer Sicht besser, wenn das Land durch Industrie und Forschung wahren Mehrwert erschaffen würde.

Als Einwohner des Landes würde mich zudem wohl nicht mehr viel vor Ort halten, wenn ich während einiger Zeit die Freiheit und Sicherheit in westeuropäischen Städten erfahren dürfte. Hier bei uns ist ein arabisch aussehnder Mensch nicht automatisch ein Terrorist mit Bombe im Rucksack und ein stehen gelassener Plasticsack ruft noch keine Panik hervor …

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Sonntag, 11. Januar 2009

Wider den Ski-Helm

Kann es nicht auch sein, dass die, die einen Helm tragen, auch so fahren, um ihn ja zu gebrauchen? Dass unser Sein das Bewusstsein prägt – und viele ohne Helm wahrscheinlich langsamer führen, dafür ein wenig eleganter?

Quelle: Die letzte Talfahrt (Panorama, NZZ Online)

Dieser Logik folgend sollten wir alle wieder mit Ford Model Ts herumfahren. Airbags, ESP – neumodische Technik, die uns unnötig verhätschelt.

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