Mittwoch, 5. August 2009, 1:10 Uhr

Köppel, der Hobby-Historiker

Fazit: Die Belächlung des Réduit ist geschichtsblind. Noch so gern hätten die Deutschen die Schweiz in ihr Möchtegern-Weltreich integriert, nicht zuletzt als Truppenreservoir für spätere Feldzüge. Ohne Guisans Alpenriegel hätte die Schweiz ihre Unabhängigkeit verloren.

Quelle: Editorial: Guisans Réduit | Die Weltwoche, Ausgabe 31/2009 | www.weltwoche.ch

Gratuliere, Herr Köppel! Toller Artikel. Am Besten reichen Sie diesen umgehend zu einem Peer-Review bei einer Geschichtszeitschrift ein – und publizieren dann die vernichtende Kritik, die Ihnen ausgestellt wird. Falls man überhaupt darauf eingeht. Selbstverständlich können sie in einem weiteren Editorial genüsslich über „linke“ ignorante Historiker herziehen. Win-win, meiner Meinung nach.

Ich bin zwar immer noch Geschichtsstudent, aber in meinem Studium habe ich gelernt, dass es einer historischen Arbeit nicht würdig ist, wenn man weder den aktuellen Forschungsstand darlegt, noch zu seiner Argumentation ausschliesslich ein einziges Werk zitiert.

Nach einer kurzen Recherche im Bibliothekskatalog gehe ich davon aus, dass es sich bei Köppels Zitat konkret um die 20-seitige Publikation

Stüssi-Lauterburg, Jürg. – Allein : die Schweiz zwischen dem 5. März 1940 und dem 5. August 1941 / von Jürg Stüssi-Lauterburg. – Aarau : Interessengemeinschaft Schweiz – Zweiter Weltkrieg Geschäftsstelle, 2004 [003566411]

Quelle: IDS Basel Bern 003566411

handelt.

Interessengemeinschaft Schweiz – Zweiter Weltkrieg? Dieser Name tönt spontan äusserst verdächtig. Und siehe da, die im Studium anerzogene quellenkritische Hinterfragung erweist sich in diesem Fall als äusserst treffend:

Die Interessengemeinschaft Schweiz – Zweiter Weltkrieg hat sich zum Ziel gesetzt, die Leistungen der Aktivdienstgeneration wahrheitsgemäss darzustellen. Sie ist eine Dachorganisation, der über 20 Organisationen mit rund 25’000 Mitglieder angeschlossen sind. Sie unterstützt Personen und Publikationen, die ein gewisses Gegengewicht setzen zum Trend, die Schweiz und ihre damaligen Verantwortlichen zu verunglimpfen. Die IG wehrt sich dagegen, dass das Ansehen der Schweiz wieder demontiert wird.

Quelle: Interessengemeinschaft Schweiz – Zweiter Weltkrieg

Wir sehen hier die Heirat zwischen Thesenjournalismus und tendenzieller Geschichtsschreibung in grosser Perfektion. Aber bei der Weltwoche und ihren Machern ist das ja Programm.

Darf man zudem raten, ob es sich bei den 25’000 Mitgliedern um mehrheitlich Historiker handelt? Ich denke kaum; viel eher wird sich dahinter die AUNS und sonstige Vereinigungen verstecken, die die – seinerzeit durchaus taktisch kluge – Propaganda von der „geistigen Landesverteidigung“ und vom „Réduit“ bis heute als bare Münze nehmen.

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Ein Kommentar Kommentare

CptEggman sagt:

Ach dieses Gstürm…. weder der Köppel noch der Aeby haben wahrscheinlich Recht – wie meist.

Kann es nicht sein, dass es ein paar hundert Gründe gab, dass der Dölf seine 11 Divisionen nicht runtergeschickt hat?

Kann es sein, dass unsere Industrie (welche brav weitergeliefert) ebenso dazu beigetragen hat, wie die bedrohung der sofortigen Sprengung der für die Achse so wichtigen Nord/Süd Achsen bei einem Einmarsch?

Kann es sein dass unsere kuschenden Bundesräte ebenso das Land frei gehalten haben wie der potentiell mühsame Abreibungskampf in einem bergigen Gelände mit einer Armee, die so auf ihre wichtigste Waffe (Panzer -> Blitz) hätte verzichten müssen?

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