Freitag, 8. Dezember 2006, 12:07 Uhr

Die Erkenntnis reift: "Glasfaser fürs Volk"

Auch in der FACTS-Ausgabe der aktuellen Woche springt man auf den Zug auf und fordert: Glasfaser fürs Volk (bei mir hiess es noch: Fixnet dem Volk). Auch wenn ich mich in meinem Artikel auf die (Aufspaltung der) Swisscom beziehe, und Daniel Meier auf das neu zu schaffende Glasfaser-Netzwerk der EWZ – der Grundgedanke ist derselbe: In Zukunft immer wichtiger werdende Kommunikationsnetzwerke gehören nicht in die Hände der Privatwirtschaft und ausländischer Investoren.

Ich habe die wichtigsten Aussagen hier notiert:

Was bei Strom- und Eisenbahnnetzen unbestritten ist, soll auch bei der Telekommunikation elten, nämlich: Die Infrastruktur gehört nicht privaten Firmen, sondern dem Staat; und dieser vermietet sein Netz als neutrale Plattform zu Selbstkosten an jede interessierte Firma. […] Kurz: Nicht die Infrastrukturen sollen sich konkurrenzieren, sondern die Dienste.

Quelle: FACTS, Nr. 49, 7. Dezember 2006, „Glasfaser fürs Volk“, S. 46f.

Wer macht’s billiger?

Laut dem Branchenkenner Jörg Halter von der Berner Firma Ocha können Stadtwerke ein Glasfasernetz viel billiger bauen als Telekomkonzerne, vor allem weil sie die bestehenden Kanäle und Rohre nutzen können.

Ich kann mich erinnern, dass wir eine ähnliche Diskussion bereits drüben bei Fredy hatten und Nik Hug dabei eine differenzierte Position einnahm:

Kabelkosten und aktive Komponenten sind absolut zu vernachlässigen – Der Tiefbau ist das Problem und hier gibt es wirklich nur minimale Skaleneffekte – ob man 100 Meter Trottoir „pflügt“ oder auf einen Schlag 100’000 Meter mit zig Hauseinführungen baut, spielt keine Rolle. Jede Stunde Bagger, Jede Stunde Polier, Jede Stunde Stunde Bauarbeiter musst du bezahlen.

Quelle: Kommentar zu „ewz soll CHF 200 Mio für Telco-Netz der Stadt Zürich erhalten“

Ehrlich gesagt: Ich weiss nicht, ob es billiger kommt, wenn man eine ganze Stadt auf einen Schlag mit Glasfaser ausrüstet oder nur einen Businesspark. Immerhin gibt es neben meiner Wenigkeit, dem Laien, anscheinend auch einen Sachverständigen, der einen Kostenvorteil für die Stadtwerke sieht (?). Lassen wir uns überraschen …

Investition in eine glorreiche Zukunft

Und jetzt kommt der springende Punkt:

Sei es in Chicago, Paris, Stockholm oder Wien: Viele Gemeinden wollen die Kabel wieder selber in der Hand halten. Türler verweist denn auch auf die Standortattraktivität: „Wenn wir international konkurrenzfähig bleiben wollne, müssen wir nicht nur Strassen bauen, sondern auch Datenautobahnen“.

Die Leute sind zwar durch den Dot-Com-Boom von 2000/1 resistenter gegen Hypes geworden – doch für das Internet sehe ich ehrlich gesagt weiterhin eine gewaltige Zukunft. Als Land auf diesem Gebiet ins Hintertreffen zu geraten, kann für unsere Wirtschaft bedrohlich werden (beim E-Government sind wir es bereits – doch noch machen sich die Standortvorteile der Konkurrenten nicht bemerkbar – noch!). Durch eine stabile, neutral zugängliche Netz-Infrastruktur fördern wir den Wettbewerb bei den Dienstleistern. Durch „dicke Leitungen“ werden neue Services entwickelt, es entstehen Arbeitsplätze, es entwickelt sich Know-How, das sich vergolden und in andere Länder exportieren lässt.

Der falsche Markt

[Türler] „Parallele Netze aufzubauen ist volkswirtschaftlich unsinnig.“ Unter den Infrastrukturen werde es keinen Wettbewerb geben, sagt der Stadtrat: „Maximale Konkurrenz entsteht nur zwischen den Diensten. Deshalb laden wir auch Swisscom und Cablecom ein, unser Glasfasernetz zu benutzen“.

Dann wird sich zeigen, ob die beiden Abzocker-Monopolisten auch im freien Markt bestehen können. Denn meiner Meinung nach ist nur der Besitz der Infrastruktur die Überlebensversicherung für beide. Hätten die beiden Unternehmen dieses As nicht im Ärmel, wären sie von innovativeren, billigeren und kundenfreundlicheren Anbieter vom Markt gefegt worden – zu sehr ist das Monopoldenken in beiden Betrieben verinnerlicht, zu träge sind die Angestellten und das Management.

Alles in allem ein sehr gelungener Artikel, Pflichtlektüre für alle Politiker, die in Zukunft in solchen Fragen entscheiden müssen.

Und einen kleinen Traum hege ich: Wie wäre es, wenn unsere Gemeinde dereinst ihr eigenes, kleines Glasfaser-Netzchen besitzt? Oder zumindest unser Quartier? Nur ein Traum? Wir werden sehen.

Bedenken

Und ja, selbstverständlich besteht die Gefahr, dass die Leitungen aus anderen Kässelis quersubventioniert werden. Es liegt hierbei aber an den Politikern, dies – wenn gerechtfertigt – zu unterbinden. Das sind die Vorteile, wenn man der Eigentümer der Stadtwerke ist.

Auch mit Kollege Marton hatte ich in Tokyo interessante Gespräche über Net Neutrality & Co., wobei ich rasch auch auf das hier behandelte Thema kam (er war sichtlich erstaunt, dass sich die Swisscom noch heute, 2006, in Staatsbesitz befindet). Seine Bedenken bezogen sich vor allem auf die Überwachungsmöglichkeiten, die der Staat so in die Hände erhielt. Ich verstehe natürlich das gesteigerte Misstrauen eines Osteuropäers gegenüber dem Staat – doch wie gerade eine heute publizierte Umfrage zeigt, sind wir Schweizer in der Hinsicht anders:

Politiker denken nur an sich

Das Urteil der Bevölkerung über die Politikier ist wenig schmeichelhaft. Dies zeigt eine Umfrage. Allerdings haben die Schweizer grosses Vertrauen ins politische System.

Quelle: BernerZeitung, Nr. 287, 8. Dezember 2006 , Titelseite

Nebenbei bemerkt: Betrachtet man die AOL-Affäre kann man beruhigt sagen: Viel besser scheint die Privatwirtschaft jedenfalls nicht mit ihren Kunden(daten) und deren Privatsphäre umzugehen. Will aber nicht heissen, dass ich so etwas in irgendeiner Form befürworten würde.

Labels: Wirtschaft

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