Archiv 15. Juni 2008

Sonntag, 15. Juni 2008

Ein einig Volk von Fussball-Opportunisten

Freitag, 13. Juni 2008, 18:58 Uhr. Gerade fährt die S1 nach Bern in den Bahnhof Thörishaus Dorf ein. Ich steige in den überfüllten Zug ein und suche mir ein Sitzplätzchen. In vielen Abteilen sitzt mindestens eine Person, die sich orange gekleidet hat. „Wohl direkt aus dem Oranje Dorp in Flamatt“, sage ich mir und setze mich in eines der wenigen noch freien Zweierabteile.

Als der Zug abfährt, wird das Gejohle und Gehupe der angeheiterten Fans wieder lauter. Ich beobachte die Holländer in einem Sechser-Abteil vor mir, die neue Bierflaschen hervorgezaubert haben und sich nun zuprosten. Wenige Sekunden später muss ich realisieren, dass die sechs Jungspunde Seislerdeutsch miteinander sprechen.

Je mehr ich die vermeintlichen Holländer im Zug mustere, desto mehr dämmert es mir, dass sich ein nicht unbedeutender Teil der Oranje-Fans als bodenständige Schweizer herausstellen werden. Von den Originalen kaum zu unterscheiden. Es brauchte nur gerade zwei Matches unserer ach so erfolgreichen Nati, und die halbe Schweiz ist freiwillig zu den Niederländern übergelaufen.

In Bern steige ich aus und begebe mich Richtung der Fanmeile am Waisenhausplatz. Mit einem weissen Fussball-Trikot, auf dem eine von weit sichtbare 10 prangt. In grossen Lettern steht „Zidane“ auf dem Rücken.

Wieder einmal, so wird sich am Ende des Abends herausstellen, habe ich auf die falsche Mannschaft gesetzt. Aber das Ganze ist nicht so schlimm, schliesslich habe ich das Trikot nur meinem am Greenfield weilenden Bruder ausgelehnt, um zusammen mit Kollege Zgräsch in einem uniformen Look daherzukommen. Im Innern habe ich hingegen auf einen Sieg der Niederländer gehofft. Schliesslich bringen diese Jungs gehörig Stimmung in die Stadt.

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Sonntag, 15. Juni 2008

Band of Brothers an der Euro08


Horde Oranje
Originally uploaded by emeidi

200 Millimeter – unglaublich nah dran.

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Sonntag, 15. Juni 2008

Wie zwei auskommentierte Zeilen Code SSL-Zertifikate unbrauchbar machten

/* MD_Update(&m,buf,j); */

Quelle: Diff for /openssl/trunk/rand/md_rand.c between version 140 and 141

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Sonntag, 15. Juni 2008

Der bernische Scheff Schissi hat versagt


Seichende Oranjes
Originally uploaded by emeidi

Wüste und unappetitliche Szenen gab es entgegen Medienberichten letzten Freitag eben doch in Bern. Für die Bleus selbstverständlich auf dem Fussballfeld im Wankdorf (4:1 – „Adieu les Bleus!“), doch für die Besucher der Public Viewings auch in der Innenstadt. Es herrschte nämlich Toiletten-Notstand.

Keine Ahnung, wer für besagten Abend die Vorbereitungen bezüglich sanitären Einrichtungen orchestriert hatte. Fakt war: Zu wenig Toiletten, zu viele Besucher und eindeutig zu viel Bier.

Da es in der Innenstadt aus mir unerklärlichen Gründen an offenen Pissoirs fehlte, gestaltete sich das Anstehen zu einer Geduldsprobe – insbesondere für Männer. Kein Wunder, dass unser Geschlecht überall hinschiffte; nur nicht dort, wo es eigentlich vorgesehen war. Nachfolgend ein Erinnerungsbericht über den Weg von mir und Kollege Zgräsch während der Halbzeit des Matches, ausgehend vom Lorenzini hin zur Perry-Bar (auf Grund des Trubels auf dem Kornhausplatz mussten wir einen längeren Umweg über die Brunngasshalde in Kauf nehmen).

Die Notdurft wird überall errichtet

Da sah man beispielsweise einen Jugendlichen, der seine Notdurft noch bevor dem Eindunkeln an die Wand des Kioskes an der Zytglogge verrichtete – gekrümmt stand er auf einer Kiste unter dem Vordächli, hielt sein Pfiffli irgendwie in der Hand und gab „Wasser Marsch!“ zum Besten. Schön gedeckt von seinen einen Halbkreis bildenden Kollegen.

Einen Meter weiter bildete sich eine lange Schlange vor den Pissoirs an der Zytglogge. Sichtlich angeheiterte Seisler rissen eine Zote nach der anderen, doch man kam in der Schlange kaum vorwärts (von der anderen Seite her dasselbe Bild). Als ich so weit vorgerückt war, dass ich in die Nähe des penetranten Urin-Gestankes kam, sah ich angewiedert, wie sich im abgesenkten Boden der Pissoirs ein See gebildet hatte, der jede Minute über die Pflastersteine auf die Strasse zu schwappen drohte. Wahrscheinlich hatte ein unachtsamer Zeitgenosse den Ablauf mit Abfall verstopft …

Als wir in die Brunngasse einbogen, sahen wir nach wenigen Metern einen Oranje, der ein eingetopftes Bäumchen bewässerte, während Passanten an ihm vorbeischlenderten. Zwei, drei Häuser später jagte ein Berner, dessen Funktion mir nicht ganz klar war und immer noch ist, zwei Holänder um einen Brunnen herum, weil diese an die Häuserwand pinkeln wollten. Er wies die Gäste an, doch bitte in den am Boden eingelassenen gitternen Ablauf am anderen Ende des Brunnen zu schiffen.

Nachdem wir die Brunngasshalde durch die Treppe am Ende der Brunngasse erreicht hatten und einige Meter Richtung Kornhausbrücke gegangen waren, sahen wir am Boden plötzlich ein Rinnsal auf die Strasse plätschern. Als wir unsere Blicke nach links, der Herkunft der Urinströme, lenkten, sahen wir hinter einem tschechischen Wohnmobil zum ersten Mal auch weibliche Geschöpfe, die ganz hinten an der Wand kauerten und mit den Jeans in den Knien ihre Notdurft verrichteten. Die Kollegin, die auf dem Trottoir die Stellung hielt, beschwerte sich über unsere Blicke während ihre Kolleginnen vor sich hinglucksten und eine Gaudi zu haben schienen.

Hatte man den Leopard II passiert, kam einem erneut ein pisseliger Geruch entgegen – Richtung Kornhaus schauend hatte man linkerhand an die Französische Kirche angelehnt eine Toiletten-Meile eingerichtet. Vis-a-vis davon standen gut bevölkerte Sauf- und Fressstände von Hotel Bern & Co. (TV, Bier, Bratwürste und Toiletten innerhalb von 10 Meter – was braucht der Mensch mehr?). Ich frage mich bis heute, wie man in dieser geruchsbetonten Umgebung während 105 Minuten einen Match verfolgen konnte.

Noch bevor wir auf dem Platz vor der Perry-Bar angekommen waren, sahen wir kurz nach den Toilettenhäuschen ein halbes Dutzend Männer, welches in der einbrechenden Dunkelheit seine Notdurft an der Wand der Französischen Kirche verrichtete. Nur wenige Meter daneben stand ein Polizist, der mit dem Rücken zu ihnen das Treiben auf dem Platz überwachte.

Schlussfolgerungen

Meine Frage: Dass an diesem Abend die Stadt von einer Unmenge an Fans bevölkert sein würde war lange zuvor klar, so klar jedenfalls, dass die Gastronomie-Betriebe befürchteten, dass das Bier ausgehen könnte.

Anscheinend hat man nicht überlegt, dass wenn sogar das Bier auszugehen droht, auch proportional mehr Urin die Aare und Altstadt herunterfliessen könnte. Mir will es nicht in den Kopf, dass man an diesem Abend zwar weitere Hektoliter Bier organisieren und zusätzliche Leinwände aufstellen konnte, die Toiletteninfrastruktur aber anscheinend nicht ausbaubar war.

Scheff Schissi in Bern, Sie haben versagt!

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