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Samstag, 19. Dezember 2009

Junge Lehrerin kämpft für das "Grüss Gott"

Heute habe ich von einem bürgerlichen Politiker aus meinem Kollegenkreis folgendes Mail erhalten, dass angeblich von einer „jungen schweizerischen Lehrerin“ verfasst wurde. Es macht derzeit — wohl nicht zufälligerweise einige Wochen nach der Abstimmung über die Minarettinitiative — die Runde durch die schweizerischen Mailboxen:

Liebe verantwortliche Landes- und Bezirksschulräte, liebe Politiker und liebe Journalisten der diversen schweizerischen Zeitschriften! Wenn wir in der Schweiz nicht mehr „Grüß Gott“ sagen dürfen, gibt es nur eine Alternative: Wem dieses „Grüß Gott“ nicht gefällt, der muss es ja nicht sagen, aber wen es stört, dass Schweizer untereinander „Grüß Gott“ sagen, der hat das Recht, die Schweiz zu verlassen und sich in einem anderen Land niederzulassen! Schön langsam sollten auch wir in der Schweiz wach werden!!!

Zu Schulbeginn wurden in Schweizer Schulen die Kinder von ihren Klassenvorständen informiert, wie man sich in der Gesellschaft zu verhalten hätte. Grüßen, Bitte und Danke sagen, einfach höflich und freundlich sein.

Weiters wurde ihnen aber auch mitgeteilt, dass das bei uns in der Schweiz so vertraute „Grüß Gott“ nicht mehr verwendet werden darf, da das die muslimischen Mitschüler beleidigen könnte. Dazu kann man als Otto Normalbürger eigentlich nichts mehr anfügen und nur mehr den Kopf schütteln.

Ich kann’s gar nicht glauben. Ist aber wahr, Ihr könnt Euch gerne in der Schweiz in den Volksschulen erkundigen.

DIE EINWANDERER UND NICHT DIE Schweizer SOLLEN SICH ANPASSEN!!!

Ich bin es leid, zu erleben, wie diese Nation sich Gedanken macht darüber, ob wir irgendein Individuum oder seine Kultur beleidigen könnten. Die Mehrheit der Schweizer steht patriotisch zu unserem Land. Aber immer und überall hört man Stimmen angeblich ‚politisch korrekter‘ Kreise, die befürchten, unser Patriotismus könnte andere beleidigen. Versteht das bitte nicht falsch, ich bin keineswegs gegen Einwanderung; die meisten Einwanderer kamen in die Schweiz, weil sie sich hier ein besseres Leben erhofften.

Es gibt aber ein paar Dinge, die sich Neuankömmlinge, und offenbar auch hier Geborene, unbedingt hinter die Ohren schreiben sollten. Die Idee von Schweizern als multikultureller Gemeinschaft hat bisher nur eine ziemliche Verwässerung unserer Souveränität und unserer nationalen Identität geführt.Als Schweizer haben wir unsere eigene Kultur, unsere eigene Gesellschaftsordnung, unsere eigene Sprachen und unseren eigenen Lebensstil.

Diese Kultur hat sich während Jahrhunderten entwickelt aus Kämpfen, Versuchen und Siegen von Millionen Männern und Frauen, die Freiheit suchten.

Wir sprechen hier Deutsch, nicht Türkisch, Albanisch, Jugoslawisch, Libanesisch, Arabisch, Chinesisch, Japanisch, Russisch, oder irgendeine andere Sprache. Wenn Sie also Teil unserer Gesellschaft werden wollen, dann lernen Sie gefälligst die deutsche Sprache! ‚Im Namen Gottes‘ ist unser nationales Motto. Das ist nicht irgendein politischer Slogan der rechten Parteien. Wir haben dieses Motto angenommen, weil christliche Männer und Frauen diesen Staat nach christlichen Prinzipien gegründet und entwickelt haben.

Wenn Sie sich durch Gott beleidigt fühlen, dann schlage ich vor, Sie wählen einen anderen Ort auf der Welt als Ihren neuen Wohnsitz, denn Gott ist nun mal Teil unserer schweizerischen Kultur.

Wenn Sie das Kreuz in der Schule empört, oder wenn Ihnen der christliche Glaube nicht gefällt oder wenn Sie nicht bereit sind, die in der Schweiz geltenden Gesetze einzuhalten, dann sollten Sie ernsthaft erwägen, in einen anderen Teil dieses Planeten zu ziehen, er ist groß genug.

Wir sind hier glücklich und zufrieden mit unserer Kultur und haben nicht den geringsten (!) Wunsch, uns gross zu verändern. Es ist uns auch völlig egal, wie die Dinge dort liefen, wo Sie herkamen.

Dies ist UNSER STAAT, UNSER LAND, und UNSERE LEBENSART, und wir gönnen Ihnen gerne jede Möglichkeit, dies alles und unseren Wohlstand mit uns zugenießen.

Aber wenn Sie nichts anderes tun als reklamieren, stöhnen und schimpfen über unsere Fahne, unser Gelöbnis, unser nationales Motto oder unseren Lebensstil, dann möchte ich Sie ganz dringend ermutigen, von einer anderen, großartigen schweizerischen Freiheit Gebrauch zu machen, nämlich vom „RECHT, UNS ZU VERLASSEN, WENN ES IHNEN NICHT PASST!“Wenn Sie hier nicht glücklich sind, so wie es ist, dann hauen Sie ab! Wir haben Sie nicht gezwungen, herzukommen. Sie haben uns darum gebeten, hier bleiben zu dürfen. Also akzeptieren Sie gefälligst das Land, das SIE akzeptiert hat. Eigentlich ganz einfach, wenn Sie darüber nachdenken, oder?

Wenn wir dieses Schreiben an unsere Freunde (und Gegner) weiterleiten, dann werden es früher oder später auch die Reklamierer in die Finger bekommen.

Versuchen könnte man’s wenigstens.

Egal, wie oft Ihr es empfangt… sendet es einfach weiter an alle, die Ihr kennt!

Braucht es ein Studium der Geschichte, um hier an einigen Stellen zu stocken und Quellenkritik anzubringen? Mir ist folgendes aufgefallen:

  • Der Schreibstil entspricht vollkommen nicht einer „jungen schweizerischen Lehrerin“, die in deutscher Sprache geschult sein sollte. Unter anderem sind mir die vielen Apostrophs ins Auge gestochen. Das ist kein schöner Schreibstil. Und das scharfe S (ß) braucht hierzulande niemand, Sie Landesveräterin! Bitte stellen Sie auf Ihrem Computer doch „Deutsch (Schweiz)“ als Standardsprache ein — falls Sie wirklich aus der Schweiz Propaganda betreiben. Ach ja, und nach den Satzzeichen wie dem Punkt schreibt man konsequent ein Leerzeichen.
  • Ich kann mich nicht erinnern, wann mich jemand mit „Grüss Gott“ begrüsst hat. Und das ist auch gut so — Gott hat im 21. Jahrhundert in einer Begrüssung absolut rein gar nichts verloren.
  • Haben wir in der Schweiz „Schulvorstände“? Bei uns nennt man das doch Schulleitungen und Schulkommissionen …
  • Ich kann mich nicht erinnern, dass in einem Schulzimmer, das ich in den letzten 29 Jahren gesehen habe, jemals ein Kreuz gehangen hat. Und ich bin sehr froh darum, dass wir hierzulande nicht italienische Zustände haben.
  • Die dumme Nuss von „Lehrerin“ blendet geflissentlich aus, dass es in der Schweiz vier Landessprachen gibt. Dieser germanophile alldeutsche Orientierung hat unser Land bereits einmal an den Rande des Zusammenbruchs gebracht — 1914–18. Zur Erinnerung: In der Schweiz spricht man offiziell Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
  • Die Schweiz wurde als christlicher Bundesstaat gegründet?! Wo bittesehr kommt in der Tell-Saga Gott vor? Was für ein Bullshit. Ausserdem leben wir nicht mehr 1291, sondern 2009 — Ewiggestrige sollten den Gesellschaftswandel — wenn schon nicht akzeptieren — zumindest zur Kenntnis nehmen. Als 1980 Geborener darf ich ohne zu Lügen behaupten, dass Gott überhaupt nicht Teil „meiner“ Kultur ist.
  • Ich frage mich sowieso, wie viele der Minarettverbieter jeden Sonntag in die Kirche pilgern und am Mittagstisch ein Gebet sprechen. Die Zahl wird sich in Grenzen halten.
  • Abgesehen davon, dass wie überall in rechtspopulistischen Kreisen behauptet, in der Schweiz keine homogene Kultur existiert — ein St. Galler unterscheidet sich markant von einem Deutschfreiburger, der Romands hat ein völlig anderes Weltbild als der Appenzell-Innerrhoder.
  • Wieso Multikulturalität unsere Souveränität „verwischt“, muss man mir bitteschön noch jemand genauer erklären.
  • „Millionen von kämpfenden Männer und Frauen„? Gut, dass die Frauen offensichtlich gekämpft haben, aber es war auch richtig schweizerisch, ihnen bis in die 1970er das Stimm- und Wahlrecht vorzuenthalten. So sind wir halt, wir vorbildlichen Schweizer.

Alles in allem habe ich das Gefühl, dass dieses Mail aus Deutschland — Bayern vielleicht — oder aus dem rechtspopulistischen Kärnten stammt, welches von den erzkatholischen Patrioten (und nicht von Juden, Muslimen oder Atheisten) ja mittlerweile lehrbuchmässig zu Grund gerichtet wurde. Es scheint, dass einige Passagen, bspw. diejenige über die Souveränitat des Volkes, erst anschliessend von einem Zweitautor hinzugefügt wurde, damit es auch in der Schweiz versendet werden konnte.

Meine Gedanken zur Religion im schweizerischen Alltag

  • Religion gehört nicht ins Schulzimmer, Religion gehört auch nicht in den Alltag — Religion gehört in die eigenen vier Wände. Insbesondere gehören die christlichen Feiertage allesamt abgeschafft.
  • Sonderbehandlungen von strengläubigen Katholiken, Reformierten, Muslimen, Juden, Buddhisten und Mitgliedern sonstiger Freikirchen und Sekten gehören abgeschafft. Sei es bezüglich Feier- und Sonntagen, sei es bezüglich dem Schwimmbadbesuch oder sonstigen angeblichen „Konflikten“ mit dem Glauben.

Nachtrag

Es ist wirklich ein Hoax, sprich ein seit Jahren (!) zirkulierender Kettenbrief mit Ursprung in Österreich:

Immer wieder tauchen Falschmeldungen auf, wonach es an manchen Linzer Schulen Kindern verboten sei, „Grüß Gott“ zu sagen. Recherchen des Landesschulrats ergaben, dass das absolut unzutreffend sei.

Quelle: „Grüß Gott“ an Schulen verboten?

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Labels: Gesellschaft, Politik, Schweiz

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