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Dienstag, 22. März 2022

Energiewende: It’s simple Math: Mein persönlicher Lackmustest

Ich bin nicht nur nicht vor Rechenfehlern gefeit, sondern vielleicht mache ich auch Überlegungsfehler. Bitte benutzt die Kommentarfunktion, um mich auf Probleme hinzuweisen.

Ich habe grundsätzlich nichts gegen die Energiewende, doch muss allen Betroffenen klarer Wein über die Vor- und Nachteile eingeschenkt werden. Die Grenzen der Technologien müssen aufgezeigt werden, und Zukunftsprognosen sowie Wunschdenken (Prinzip Hoffnung) müssen klar getrennt werden von dem, was heute machbar ist.

Und ich behaupte hier, dass Energiewendler allzuoft die Realität schönreden, und ich unterstelle ihnen, dass sie das (mehrheitlich) bewusst tun — das heisst sie lügen.

Mein Anwendungszweck

Wieso ich den Apologeten der Energiewende bis heute nicht traue? Ich habe meinen eigenen, persönlichen Lackmustest, der mir die (heutigen) Grenze erneuerbarer Energie (fast) tagtäglich aufzeigt. Ja, es ist ein n=1 Erfahrungswert, aber für mich reicht dieser aus, um hier zu polemisieren.

Mein Setup: Ich betreibe einen Raspberry Pi (RPi) 3B, um ADS-B Signale einzufangen. Hierzu habe ich Pi24 heruntergeladen und auf die SD-Card installiert, sowie einen RTL-SDR USB-Receiver gekauft, an welchem eine empfangsstarke ADS-B Antenne hängt.

Die Antenne muss im Freien stehen, um die Signale aus möglichst allen Himmelsrichtungen empfangen zu können. Deshalb ist sie bei uns auf unserer Terrasse platziert. Den RPi möchte ich in der Nähe, sprich ein paar Meter von der Antenne entfernt, betreiben. Die Kommunikation mit dem Internet erfolgt per WLAN. Explizit möchte ich weder Strom- noch Antennenkabel in die Wohnung ziehen (Stichwort: Kältebrücke).

Der Stromverbrauch

Der RPi benötigt ungefähr 5 bis 5.5 Watt (USB, d.h. ca. 5V mit ca. 1A). Ein lächerlich geringer Stromverbrauch, könnte man meinen (ein Zwölftel der Leistung einer 60W Glühbirne aus meiner Jugend). Aber das alleine scheint es schon in sich zu haben.

Um den RPi einen Tag lang zu betreiben, benötige ich somit 5 × 24 = 120 Watt-Stunden (Wh).

Mein grünes Vorhaben

Seit Jahren träume ich davon, den RPi rund um die Uhr autonom, d.h. ohne Anschluss an das Stromnetz, zu betreiben. Die Lösung dazu liegt auf der Hand: Ein Solarpanel lädt eine Batterie, an deren USB-Anschluss hängt der RPi. Den Tag hindurch lädt die Batterie auf, in der Nacht gibt sie ihre erneuerbar generierte Stromladung ab.

Meine grüne (?) Ausrüstung

Mittlerweile bin ich dafür bei folgender Ausrüstung angekommen:

Nebenbemerkung: Man sieht es dem Titel an — wie „grün“ dieser Fuhrpark hergestellt wurde, lasse ich mal in den Raum gestellt. Sowohl das Panel als auch die Batterie wurden in China hergestellt, und danach vermutlich mit einem dieselbetriebenen Containerfrachter (Euro 0 Norm?) um die halbe Welt geschippt. Auch die lockeren Umweltvorschriften in China muss man sich hier in Erinnerung rufen. Panel und Batterieproduktion führen meines Wissens zu toxischen, umweltschädlichen Nebenprodukten. Die CO2-Bilanz dieser Produkte ist höchstwahrscheinlich fürchterlich, wie auch die lokale Umweltverschmutzungsbilanz.

Kosten-Nutzen

Insgesamt habe ich also fast 400 CHF ausgegeben, um ein Gerät rund um die Uhr mit ca. 5 Watt zu versorgen. Das sind im Jahr 5 × 8760 = 43800 Wh oder 43.8 kWh. Bei unserem Stromanbieter kostet die „dreckigste“ Kilowattstunde 22.40 Rappen (Quelle), das heisst der Stromkabelbetrieb der Installation würde mich 9.80 CHF/Jahr kosten. Damit ich mit der Solaranlage gemäss heutigen Zahlen den „break even“ erreichen würde, müsste ich diese 40.8 Jahre lang betreiben. Wetten, dass weder das Panel noch die Batterie so lange halten werden?

Unter uns: Irr. Aber die Spielerei macht es dennoch interessant.

Soviel zur reinen Kosten-Nutzen-Berechnung.

Technische Machbarkeit

Aber: Funktioniert die Lösung nun aber auch wirklich so, wie ich es mir vorstelle?

Vereinfachen wir die Situation zuerst ein wenig, damit sie einfacher fassbar wird: Wenn wir davon ausgehen würden, dass die Sonne 12 Stunden am Tag scheint, und ich mit dem Panel zu jeder Sekunde die angegebene Maximalleistung rausquetschen kann, dann reicht ein 5W Solarpanel nicht. Denn damit ist nur gerade der aktuelle Verbrauch gedeckt. Ich benötige also mindestens ein 10W Panel, welches während 12 Sonnenscheinstunden 5W an den RPi abgibt, und gleichzeitig die restlichen 5W in eine Batterie speichert. Wenn die Sonne während den restlichen 12 Stunden nicht mehr scheint, entleert sich die Batterie komplett.

Leider strotzt das Szenario vor einigen Denkfehlern: Wir müssen uns bewusst sein, dass Solarenergie (in unseren Breitengraden) vereinfacht gesagt zwei Gaussschen Glockenkurven folgt. Einerseits in der Mikro-Sicht, das heisst dem Tagesablauf. Mit einer Spitze beim höchsten Sonnenstand, vereinfacht gesagt um 12 Uhr mittags. Andererseits in der Makro-Sicht, das heisst im Jahresverlauf. Mit einer ähnlichen Spitze im Sommer.

Weatherspark hat für Orte eine Sektion „Solar Energy“, wo aufgezeigt wird, wie stark der Sonneneinfall pro Quadratmeter über das Jahr hindurch variiert (die Makro-Sicht).

Nebenbemerkung: Für Laupen (Neuenegg ist nicht auswählbar) beträgt der Unterschied zwischen dem tiefsten und höchsten Punkt fast Faktor 6. Ich deute das so, dass ich mein Panel mit der Zielleistung um diesen Faktor multiplizieren muss, um auch im Winter ausreichend Strom zu produzieren.

Weiter: Das Panel liefert am höchsten Sonnenstand und in perfekter Position vielleicht die gewünschten 10 Watt, aber eben nur gerade dann. Die Sonne scheint hier in Neuenegg nicht das ganze Jahr hindurch 12 Stunden pro Tag. Und ja, allzuoft haben wir keinen blauen, wolkenlosen Himmel, was die Leistung des Panels zusätzlich schmälert. Zudem hat mir ein Bekannter kürzlich mitgeteilt, dass es ein Irrglaube sei, dass die Panels im Sommer die höchste Leistung bringen — denn die Leistung von Solarpanels wird durch die Sommerhitze geschmälert. Wieder etwas gelernt.

Ich benötige also ein deutlich grösseres Panel, und eine deutlich grössere Batterie als eine mit 5 × 12 = 60 Wh.

Zu prüfende Hypothese

Ich habe derzeit kein Vertrauen, dass selbst die 400 CHF-Anlage im Winter mit den kurzen, nicht immer sonnigen Tagen durchgehend Strom liefern wird: Im Winter 2021/22 (Dezember bis und mit Februar) registrierte Bern 300 Sonnenstunden auf insgesamt 90 × 24 = 2160 Stunden (Quelle). Das heisst ich kann nur während 14 Prozent der Zeit mit Sonne rechnen, und in dieser Zeit muss die Batterie so weit wie möglich gefüllt werden.

Und selbst im Sommer befürchte ich reichen auch ein, zwei sonnenarme Tage, um meinen RPi wieder zurück an die Steckdose zu bringen.

Der Erfahrungsbericht folgt über das restliche Jahr verteilt.

Was hat das mit der Energiewende zu tun?

Das Problem im Kleinen lässt sich auf das Problem im Grossen übertragen: Wir können noch so viel Photovoltaik auf unsere Dächer pappen — in der Nacht und im Winter brauchen wir eine Energiequelle, die unabhängig von der Sonne Strom liefert. Sprich entweder Kraftwerke (mein Favorit: Kernkraftwerke), die egal ob Sonne oder Dunkelheit, egal ob bei Sturm oder Windstille, zuverlässig Strom liefern. Oder aber wir haben nicht nur irgendwo gigantische Batterien rumstehen, sondern sie müssen auch gefüllt sein, damit wir sie anzapfen und unseren Stromengpass überbrücken können. Korrekt: Staumauern! Im Sommer nutzen wir Solarenergie, um das Wasser hochzupumpen, im Winter verbrauchen wir das Wasser dann, indem wir es ins Tal fliessen lassen, Generatoren antreiben und den damit produzierten Strom in das Stromnetz einspeisen. Für die Überbrückung der Nacht ist das aber nicht praktikabel, oder?

Wenn ich doch auch nur das Äquivalent einer Staumauer auf meiner Terrasse installieren könnte …

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Labels: Energie, Politik

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Samstag, 6. Februar 2021

Hans-Werner Sinns „Standardwerk“ zu Elektroautos, Klimawandel, CO2, Energiewende, Solar- und Windenergie, Erdöl, Braunkohle und Atomkraft

Beipackzettel: Hans-Werner Sinn zerstört in einer Stunde und achtundfünfzig Minuten (mit YouTubes 2× Geschwindigkeitsfunktion in weniger als sechzig Minuten) in bestimmten Gesellschaftsschichten Weltbilder und/oder verursacht zumindest fundamentale Sinnkrisen.

Dass Klimaaktivisten und -retter diese Rede nicht schauen (oder: verstehen) ist das eine, aber dass irrlichternde Politiker hier nicht mal reinschauen verstehe ich nicht …

Stell dir vor, wir hätten Virologen und Epidemiologen von seinem Kaliber.

Nachtrag

touni@ schickt mir über Twitter folgenden Artikel: Was Hans-Werner Sinn bei seiner Elektroauto-Studie übersehen hat.

Diese Kritik in der WirtschaftsWoche (WiWo) ist datiert auf den 19. April 2019, die auf YouTube publizierte Rede hielt Sinn am 16. Dezember 2019. Der WiWo-Artikel scheint Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Sinn nicht umgestimmt zu haben.

Dabei: Damit Elektroautos besser wegkommen als die Diesler, müssen gemäss Stefan Hajek, Redakteur Innovation & Digitales bei der Wirtschaftswoche, (englische Version) „nur“ folgende vier Studienparameter/-annahmen geändert werden:

  1. Verzicht auf NEFZ-Laborwerte, stattdessen soll man bei Dieselfahrzeugen und Benzinern 40 Prozent zu den NEFZ-Werten hinzurechnen, bei Elektroautos seien nur 8 Prozent nötig; oder man soll gar nicht erst NEFZ verwenden, sondern WLTP, EPA oder aber „empirische Verbrauchswerte“. Im Artikel werden die WLTP- und EPA-Werte nicht genannt und sind somit auch nicht mit den NEFZ-Werten vergleichbar.
  2. Für Tesla-Batterien darf man nicht mit 300, sondern muss mit 3000 Ladezyklen rechnen. 3000 ist der Spitzenwert, den ein Tüftler erreicht hat, indem er die Batterie aus seinem Tesla 3 ausgebaut, die Ladeelektronik und alle Schutzmechanismsen deaktiviert und die Batterie dann ununterbrochen geladen und entladen hat. Tönt echt viel realitätsnaher, und ich finde es auch überaus sinnvoll, wenn Tesla-Besitzer händisch ihre Ladeelektronik überbrücken und Schutzmechanismen deaktivieren … (wer Sarkasmus findet …). Anderer Fun Fact: Rechnet man eine Reichweite von 500 Kilometer pro Ladezyklus (ich bezweifle, dass das ein von Normalsterblichen zu erreichender Durchschnittswert ist, insbesondere im Winter) machen Teslas mit 3000 Ladezyklen 1.5 Millionen Kilometer. Steht so im Artikel. Für mich tönt das alles grenzwertig und unrealistisch, aber ich halte ab sofort Ausschau nach Teslas mit Originalbatterie und 1’500’000 Kilometer auf dem Tacho (Geboten werden 900’000 Kilometer mit einer ausgetauschten Batterie. Korrektur: 1’000’000 Kilometer, aber: „As we previously stated, these miles are not all on the original motor and battery. In fact, by November 2019, Gemmingen had gone through four motors and three battery packs.“). Forumsdiskussion dazu, und auch noch bei Heise: Fragezeichen. Hajek hat vermutlich eine solche Reaktion erwartet und relativiert im Artikel, dass man die ausgelatschten Tesla-Batterien ja anderenorts weiterleben lassen kann. Nebenbei:
    • Sinn weist in seiner Rede darauf hin, dass Batterien von Elektroautos in der Praxis eben gerade nicht optimal geladen werden (Stichwort: „range anxiety“), und dieser Umstand die Lebenszeit der Batterien verkürzt.
  3. [Den dritten Punkt verstehe ich nicht; hier mein Deutungsversuch] Gemäss Hajek hat Sinn „vergessen“, die CO2-Bilanz zur Herstellung der Bauteile des Diesel-Autos ebenfalls einzurechnen (das wäre doch selten dämlich, eines Prof. Dr. Dr. h.c. mult. unwürdig und würde ihn der Lächerlichkeit preisgeben). Auch vergässe Sinn, die Förderung, Raffinierung und den Transport des Diesels einzuberechnen.
  4. Die CO2-Emissionen für Fahrten mit dem Tesla sind falsch und müssen um 16 Prozent nach unten korrigiert werden

Dazu Hans-Werner Sinn: Sinn verteidigt Studie zu E-Autos: Haben sogar optimistische Annahmen gemacht.

In Sinns Replik wird auch noch eine Volkswagen-Studie erwähnt, die aufhorchen lässt:

[…] eine von Volkswagen veröffentlichte Studie, die den E-Golf mit einem Golf TDI vergleicht. VW hatte errechnet, dass ein E-Golf beim heutigen deutschen Strommix geringfügig mehr CO2 je Kilometer ausstoße als ein Diesel-Golf – 142:140 Gramm CO2.

WDR konnte im September letzten Jahres auch nicht wirklich bedingungslos in den Lobgesang auf Elektroautos einstimmen: WDR Fernsehen ∙ Planet Wissen ∙ 16.09.2020 ∙ Sind Elektroautos umweltfreundlicher als Benziner?

Fazit?

Sinn spricht im Video über viele andere Themen, die meiner Meinung nach deutlich wichtiger sind. Elektroautos machen nur einen Teil des Vortrags aus.

Meine Meinung zur Diskussion mit Elektroauto-Verfechtern: Der wahre Umweltretter ist vermutlich diejenige Person, die gar kein Auto fährt (d.h. weder Benziner, noch Diesler noch Elektroauto). Wir sind das sicherlich auch nicht, fahren aber immerhin unseren alten, popeligen Toyota Verso-S benzingetriebenen Gebrauchtwagen zu Boden. Vermutlich die ökologischste unter den schlechten Varianten.

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Labels: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft

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