Archiv 4. Dezember 2009

Freitag, 4. Dezember 2009

Climategate — oder: Hier sind Rohdaten!

So sehr ich Messmers Ergüsse mag (er schreibt sozusagen die Weltwoche unter den wenigen Schweizer Blogs, die ich mir regelmässig zu Gemüte führe) … aber was zum Teufel schwafelt er da?

Und wie es sich gehört, für eine richtige Glaubensgemeinschaft, gibt es die Esoteriker, welche die Rohdaten zu den Glaubenssätzen besitzen (gut, die sind inzwischen vernichtet worden), die sie uns, dem profanen Volk in einfache Glaubenssätze und Regeln übersetzen.

Quelle: arlesheimreloaded-manfred-messmer – Der Hockey Stick-Kult

Herr Messmer, die Datengrundlagen für den Hockey-Stick sind sehr, sehr simpel! Wenn man den Klimawandel aufzeigen will, zieht man am Besten die guten, alten Temperaturmesswerte herbei. Den aus irgendeinem Grund sprach man früher immer von Klimaerwärmung — auch wenn der Begriff heute mit dem allgemeineren „Klimawandel“ ersetzt wird.

In der Schweiz wurden diese beispielsweise seit 1864 von der Schweizerischen Meteorologischen Centralanstalt mit unzähligen, über das ganze Land verteilten Messstationen erhoben und jährlich in den Annalen abgedruckt.

Abgedruckt, Herr Messmer! Sie können also — man verzeihe mir den Ausdruck — gopferdelli nochmal in die nächste wissenschaftliche Bibliothek (oder direkt zur SMA nach Zürich) gehen und dort die Annalen eines jeden Jahres seit 1864 auf Papier bestaunen.

Da Sie ja (korrekterweise) den baldigen Tod der klassischen Presse auf Grund des Internets predigen, möchte ich es nicht unterlassen, Sie auch noch darauf hinzuweisen, dass Meteoschweiz — man höre und staune! — die Monatsmittel der wichtigsten Messstationen kostenlos im Netz zum Download anbietet. Diese Dienstleistung nennt sich treffenderweise …

Langjährige homogene Temperatur- und Niederschlagsreihen der Schweiz

Sie können diese Daten also abgreifen, in Excel importieren und ihre eigenen Plausibilitätsberechnungen anstellen. Es ist nicht so kompliziert — wer in der Schule Arithmetik und Statistik gelernt hat, sollte über die nötigen Grundlagen verfügen, um mit den Rohdaten die nötigen Berechnungen anzustellen.

Ihr Einwand, dass die heutigen Forscher die Rohdaten absichtlich unter Verschluss halten oder gar löschen, um ihre Manipulationen zu verschleiern, ist damit nichtig. Denn wie soll ein Wetterbeobachter um 1920 von der viele Jahrzehnte später etablierten globalen Verschwörung um den Klimawandel gewusst und die Daten dementsprechend getürkt haben? Wenn Sie also an eine Verschwörung glauben, holen sie sich lieber die Annalen auf Papier. Denn so ist ausgeschlossen, dass ein neumodischer Klimawissenschaftler dreingepfuscht hat.

Anmerkung 1: Für die Kenner der Materie: Ja, ich weiss, dass die elektronischen Daten von SMA „homogenisiert“ werden. Messmer würde gerade hier die Scharlatanerie der Meteorologen vermuten — in Tat und Wahrheit geht es aber nur darum, dass die Messreihen angepasst werden müssen, wenn die Messstation verschoben wird. So lag die Messstation Bern um 1916 beispielsweise noch am westlichen Ende der Schanzeneckstrasse.

Anmerkung 2: Ich gehe mit meiner studentischen Naivität natürlich davon aus, dass sich die Temperaturkurve des Hockeysticks bereits mit solchen Messdaten klar aufzeigen lässt. Ich habe diese Kurve aber noch nie selbst berechnet! Sollte dies nicht der Fall sein, würde ich gewisse Zweifel der Climategatler selbstverständlich verstehen.

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Freitag, 4. Dezember 2009

Gedankenfetzen zum Minarettverbot

  • Ironie des Schicksals: Mit dem Begriff „Minarett“ enthält nun sogar die Schweizerische Bundesverfassung ein arabisch-islamisches Wort …
  • Ich wünsche den Bundesrichtern bereits jetzt viel Spass, eine juristische Definition von „Minarett“ zu ergrübeln. Handelt es sich um einen Turm? Oder muss ein Turm noch zusätzliche besondere Eigenschaften aufweisen, damit er ein Minarett ist? (Ja, ich weiss — der Stammtischpolterer und Büetzer wird sagen: Bullshit, wo liegt das verdammte Problem? Doch lasst euch sagen, ich weiss langsam, wie Juristen ticken — und die Herleitung einer Definition für „Minarette“ ist ein verdammt riesiges Problem für diese Berufsgruppe!)
  • Die Abstimmung ist korrekt abgelaufen; weshalb entschuldigen sich nun unsere Bundesräte für das Stimmverhalten „ihres“ Volkes?! Auch wenn ich ein Nein in die Urne gelegt habe — Plebiszit ist Plebiszit, dafür muss man sich (derzeit noch) nun wirklich nicht entschuldigen. Alle politischen Pappnasen, die sich jetzt schon bei irgendwem aus dem Ausland entschuldigt haben, sollen ihren Job an den Nagel hängen. Damit man mich aber nicht falsch versteht: Ich begrüsse es selbstverständlich, wenn Micheline Calmy-Rey ausländischen Botschaftern die direkte Demokratie Schweizerischer Prägung erklärt und damit die Wogen glättet. Aber Entschuldigen? Für was?
  • Aus diesem Grund habe ich auch lange gezögert, der „Ich schäme mich …“-Facebook-Gruppe beizutreten. „Schämen“ ist irgendwie das falsche Wort … so emotional.
  • Die Aufforderung der Facebook-Grüppeler, ein weisses Armband als Protest gegen den Ausgang der Abstimmung zu tragen, finde ich hirnrissig.
  • Roger Köppel sollte in den Rang eines ausserordentlichen Botschafters gehievt werden — so wie er derzeit Medienauftritte für ausländische Stationen realisiert …
  • Mich nerven die Trittbrettfahrer!
    • Insbesondere das katholische „Fähnchen im Wind“ Darbellay und seiner bescheuerten Idee, nun auch noch die Totenruhe in die Verfassung aufzunehmen („Die Erstellung nicht-christlicher Friedhöfe ist verboten“?). Stoppt den mal jemand?
    • Und da gibt es ja noch all diese Jesus-Parteien wie die EDU, die nach hunderttausenden Kirchenaustritten nun auch ihre Glanzstunde kommen sehen. Im Namen des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geists — bitte verschont mich mit dem Christentum. Und nun soll ausgerechnet noch die „christliche Leitkultur“ plötzlich in der Bundesverfassung verankert werden? Wer gibt zu sowas seine Unterschrift her? Wann die Mehrheit der Minarettverbötler wohl das letztes Mal andächtig in der Kirche sass?
    • Und natürlich nervt auch dieser türkische Europaminister, der — völlig uneigennützig, versteht sich — seine Glaubensbrüder dazu aufruft, alles Geld von Schweizer Bankkonti in das osmanische Reich überzusiedeln … Trotz Minarettverbot und UBS-Debakel ist unser Ruf als Finanzplatz noch nicht derart am Arsch, dass die reichen Ölscheiche im Nahen Osten ihr Geld (viel Geld!) vollständig den einheimischen und regionalen Banken anvertrauen würden.
  • Das Geschrei um Boykotte ist völlig übertrieben. Wenn wir in 3–6 Monate Bilanz ziehen, wird sich kaum ein Einbruch bemerkbar machen. Protestieren ist das eine — die so schön glänzende Rolex im Schaufenster dann deshalb nicht zu kaufen, verbietet das Ego.
  • Heute Abend hat ein Bekannter erzählt, dass alle akademisch Gebildeten in seinem Kollegenkreis ausnahmslos ein Nein in die Urne gelegt hätten. Sobald er aber seine Büetzer-Kollegen gefragt hätte, seien alle für ein Ja eingestanden.

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