Posts Tagged ‘Jugend’

Freitag, 15. Juni 2007

Überwachungsstaat Elternhaus

When George Thomas was eight he walked everywhere. It was 1926 […] and he regularly walked six miles to his favourite fishing haunt without adult supervision.

Fast forward to 2007 and Mr Thomas’s eight-year-old great-grandson Edward enjoys none of that freedom. He is driven the few minutes to school, is taken by car to a safe place to ride his bike and can roam no more than 300 yards from home.

Quelle: How children lost the right to roam in four generations

Karte der Jagdgebiete der vier Generationen

Wenn ich mir das gesagte so durch den Kopf gehen lassen, war ich auch noch ein solch‘ „glückliches“ Kind. Bis etwa in die 4. Klasse gab es in unserem Haushalt weder Fernseher, noch eine Spielkonsole und schon erst recht keinen Computer. Das „Unheil“ begann rückwirkend mit der fixen Installation der Glotze in der Stube – die Schulferien bestanden nun darin, sich von morgens bis abends jede noch so doofe Sendung reinzuziehen. Natürlich auf Privatsendern, weshalb wir es uns mit der Zeit zum Sport machten, in gegenseitiger Konkurrenz die Werbungen an ihren ersten Sekunden Bild und Ton zu erraten. Der wenig später angeschaffte Gameboy führte zu ersten grossen Konflikten unter uns Geschwistern. Mein Bruder setzte sich die grösste Zeit durch und spielte solange, bis die Augen brannten, die Ohren heiss wie Herdplatten waren und man kaum mehr klar denken konnte – und noch in der Nacht davon träumte, dass man gleich von Tetris-Klötzen erschlagen würde. Als dann der erste PC, ein IBM XT als Entsorgungsgabe der Uni, den Weg in unseren Haushalt fand, war es dann auch um mich geschehen. Hier konnte ich mich durchsetzen – „Wo isch dr Märu?“ – „Vorem PC dänk!“ hiess es ab dann. Die Apokalypse kam, als man Ende der 90er ein-, zweimal täglich online ging.

Vor dieser Entwicklung war ich oft zusammen mit meinen Geschwistern und anderen gleichaltrigen Kindern aus dem Quartier im nahe gelegenen Wald, wo wir aus kleinen Ästen und Moos „Zwärgehüsli“ bauten, Flüsse stauten oder uns auf dann und wann so richtig eins auf die Nase gaben. Fortbewegungsmittel war das Velo (mein Favorit: Der blaue Eingänger mit Rücktritt aus dem Jumbo – so geil!), wohin es uns trieb wurde von keiner erwachsenen Person überwacht. Höchstens die Nachbaren griffen manchmal zum Telefonhörer, wenn wir wieder einmal den damals äusserst häufigen Baustellen einen Besuch abstatteten und es uns in luftiger Höhe auf dem Kran gemütlich machten. Dort wo heute überall Häuser stehen war eine Wiese, und mitten darauf stand ein Baum, wo wir verschiedene Male mit dem Bau eines Baumhauses begannen, ohne das Vorhaben je zu Ende zu bringen.

Heute gehe ich nur noch aus dem Haus, wenn ich an die Uni oder die Arbeit muss (Ausnahme: Marzilibesuche im Sommer). Der Fussweg zur Bushaltestelle dauert wenige Minuten, und wenn ich selbst diese kurze Strecke nicht mehr gehen mag, schnappe ich mir meinen mobilen Untersatz, auch bekannt als „kleiner Weisser“.

Irgendwie Schade – der Geist wäre willig, doch das Fleisch ist schwach, daran etwas zu ändern. Hund und Nachwuchs könnten die dringend nötige Initialzündung dazu geben …

Tags:
Labels: Gesellschaft

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen

Montag, 4. Juni 2007

Wir Liberalen pfeifen auf unsere Grundsätze

In meinem Blog habe ich Herrn Bundesrat Blocher wohl noch nie zugestimmt, doch für einmal hat er Recht:

Schon heute mache sich strafbar, wer unter 16-jährigen Jugendlichen pornografische Darstellungen zugänglich mache oder anbiete, sagte Justizminister Christoph Blocher. Wer ohne Vorprüfung des Alters der Kunden über Mobiltelefone solche Darstellungen abrufbar mache, handle also illegal. Mangelhaft sei der Vollzug, nicht das Gesetz.

Quelle: Ständerat will Pornografie auf dem Handy verbieten

Aber eben – Wahljahr ist Zahljahr. Da überbieten sich selbst die eifrigsten Rufer nach weniger Staat und mehr Eigenverantwortung mit neuen Gesetzeserlassen. Als hätten wir nicht bereits viel zu viele Paragraphen …

Gegenteiliger Effekt

Mit der Illegalmachung wird bei der Jugend der Reiz ins Unermessliche gesteigert, solches Material auf dem Handy zu haben. Auf dem Pausenplatz ist dann definitiv derjenige „König“, wer seine 1GB-Karte randvoll mit Schmuddelmaterial gefüllt hat. Und wer wirklich glaubt, dass die Quelle solcher Filme kommerzielle Anbieter sind, gehört meiner Meinung nach nicht ins „Stöckli“. Das Material kriegt man aus unterschiedlichsten Quellen, meistens wohl in steinzeitlicher Manier durch Tauschgeschäfte. Die sind bekanntlich kostenlos und von Väterchen Staat nicht zu kontrollieren – ausser die Jugendschützer installieren den Bundestrojaner per Hintertür auf allen Mobiltelefonen in der Schweiz.

Erziehungsberechtigte

Der Ball liegt wie bereits früher erwähnt bei den Eltern. Diese haben dafür zu sorgen, dass ihre Kinder kein kleines San Fernando-Valley („Anyone who is even marginally familiar with the porn industry will know that the San Fernando Valley is the place where virtually all American porn is produced, filmed and distributed.“) in ihren Hosentaschen zur Schau tragen. Dies kann entweder mit der regelmässigen Kontrolle der Mobiltelefone geschehen (wobei selbstverständlich fraglich ist, inwiefern die Technikbanausen unserer Vorgängergeneration mit der Bedienung klar kommen werden); oder aber, was deutlich effektiver ist: Gebt euren Kinder ein 3210, und die Diskussion ist so schnell verflogen, wie sie aufgekommen ist. Das Übel liegt in den heute derart gehypten Multimedia-Handys.

Werden die Eltern nicht einmal hier zur Verantwortung gezogen, kapituliert unsere Gesellschaft endgültig vor den Problemen der Generation @.

Nachtrag

[…] ist der ständerat für das natel verbot beim sex, ne falschrum, telefonieren darf man beim vögeln, aber eben keine pornos mehr auf dem natel ansehen!

Quelle: handypornografie!

Tags:
Labels: Politik, Schweiz

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen

Mittwoch, 11. April 2007

Tatort virtueller Pausenplatz

Schüler filmen das Dekolleté ihrer Lehrerin, ziehen ihrem Lehrer die Hose runter – und kurz darauf stehen die Videos im Internet. Cyber-Bullying heißt dieser neue Trend aus Großbritannien: Handys und das Netz machen Pädagogen zum Gespött der ganzen Welt.

Quelle: Von Schülern verhöhnt – und die ganze Welt sieht zu

Harmlosere Variante auch in der Schweiz

Wie mir vor einigen Tagen zugetragen wurde, geschah ähnliches, wenn auch (noch) harmloseres, in einer Gemeinde nicht weit von hier. Während des Informatikunterrichts fühlte sich eine Schülerin anscheinend derart gelangweilt, dass sie kurzerhand (zusammen mit Mitläufern) ein Benutzerprofil auf – wo sonst – Partyguide einrichtete. Was ist schon dabei? mag der Leser nun fragen.

Nun, als Person hinter dem Profil erfasste die Schülerin nicht etwa sich selber (sie ist höchst wahrscheinlich bereits seit langem virtuell auf Partyguide präsent), sondern ihren Informatik-Lehrer – mitsamt Photo. Neben Namen und Adresse erfasste sie in der Beschreibung des Profils zusätzlich noch obszöne Kommentare, sinngemäss „Schwuchtel“ und „rubble mir gerne einen runter“.

Nachdem die Kunde über das verulkte Profil während den nächsten Tagen und Wochen langsam die Runde machte und schliesslich auch beim Opfer ankam, ging es Schlag auf Schlag. Einerseits setzte man die Löschung des Profils durch (ob Jason höchstpersönlich den Delete-Button gedrückt hat?), andererseits lieferte Partyguide die nötigen Informationen über die IP, mit der das Profil erfasst wurde, sowie die Uhrzeit. Das Opfer reichte Anzeige ein und wenige Tage später stellte sich die jugendlich-leichtsinnige Täterin der Verantwortung.

Die Anzeige wurde mittlerweile zurückgezogen. Ob und wie die Täterin zu Rechenschaft gezogen wurde, ist mir nicht bekannt. In meiner Jugend genügte ein Anruf ins Elternhaus allemal – spätestens dann war die Hölle los und man verkroch sich in die hinterste Ecke des Zimmers. Damals, als die Eltern ihrem Erziehungsauftrag noch nachkamen …

Lösung: Im Netz inexistent?

Inwiefern aber die Lösung des Problems für Lehrpersonen darin liegt, jegliche Hinweise auf sich aus dem Internet verschwinden zu lassen (bspw. Photos) – oder doch nur Symptombekämpfung? Derzeit wohl das einzig probate Mittel, als Pädagoge nicht unfreiwillig und zu leichtsinnig ins Schussfeld der Zöglinge zu gelangen.

Wie das Beispiel England zeigt, bringt diese Massnahme in Zukunft nicht mehr viel: Wollen die Schüler dem Lehrer an den Karren fahren, produzieren sie digitales Material halt einfach selber. Sony Ericsson sei dank!

Für viele frischgebackene oder in Ausbildung befindliche Lehrer könnte die Internet-Präsenz zu einem grösseren Problem werden: Partyguide & Co. gibt es bereits seit Jahren – was hindert findige Schüler daran, in den digitalen Archiven nachzuschauen und peinliche Porträts (Motto: „Eine heimer geng no gno!“) ihrer Respektspersonen auszugraben?

Aha-Erlebnis für Lehrbeauftragte

Immerhin führte die persönliche Attacke im virtuellen Raum auch zu einem Aha-Erlebnis von Seiten der Lehrerschaft: Neben dem Opfer registrierten sich nun auch manche Berufskollegen auf dem grössten Party-Portal der Schweiz ein und suchten aus „Gwunder“ nach ihren Zöglingen, in dem sie sich einfach mal alle User aus dem Schulort anzeigen liessen.

Hätten Sie vor einigen Wochen FACTS gelesen, wären sie nicht derart aus den Wolken gefallen, als sie teils sehr freizügige Fotos ihrer Sekundarschüler entdeckten …

Hoffen wir, dass dank solcher Entdeckungen nun auch vermehrt der Dialog zwischen Lehrern und Schülern über die Selbstdarstellung im Netz entfacht wird. Aus meiner Sicht wäre es im Grunde aber die Aufgabe der Eltern, den Internetkonsum ihrer Kinder mit einem wachsamen Auge zu begleiten. Aber diese müssen heute leider wie die Irren arbeiten, um der 14-jährigen Tochter eine Louis-Vuitton-Tasche finanzieren zu können …

Massnahmen von Seiten der Portalbetreiber?

Um solchen Unfug zu erschweren (dies gleich ganz zu verhindern erscheint unrealistisch), sehe ich zwei Möglichkeiten:

  • Aktivierung des Accounts nur durch einen Bestätigungslink, der auf die angegebene E-Mail-Adresse gesandt wird
  • Aktivierung des Accounts nur durch einen Bestätigungscode, der auf ein Mobiltelefon gesandt wird

Da wohl jeder halbwegs intelligente Benutzer des Internets weiss, wie man rasch und unkompliziert zu @hotmail.com oder @gmail.com-Adressen kommt (geschweige denn nicht gleich auf Wegwerf-E-Mails à la Mailinator setzt – Nebenbei: The Architecture of Mailinator), erweist sich der Aktivierungszwang per Mobiltelefon immer mehr als ein Muss. Seit die Ausweispflicht auch beim Kauf von Pre-Paid-Angeboten gilt, ist man hinter einer 07Xer-Nummer überhaupt nicht mehr anonym.

Die (positive) Kehrseite

Ich stelle mir gerade vor, wie während meiner Schulzeit wohl meine Eltern reagiert hätten, wenn ich ihnen ein Handy-Video aus der Zeichen- und Handwerksstunde mit unserem Zeichenlehrer sel. vorgeführt hätte. Da gab es immer wieder filmreife Szenen – und vereinzelt auch Handgreiflichkeiten, die heute wohl nicht mehr toleriert werden würden.

Auch für den besoffenen Stellvertreter des Klassenlehrers, der mit Fahne und anzüglichen Sprüchen gegenüber den Mitschülerinnen auftrumpfte, wäre der „Gspass“ garantiert nicht mehr so unbrenzlig ausgegangen wie in vormals analogen Zeiten …

Auch den Lehrern bleibt also in Zukunft nichts anders übrig, als sich anständig und korrekt zu benehmen (was sie ja eigentlich immer tun sollten). Abartiges Benehmen von beiden Seiten soll und darf nicht toleriert werden – begründete Kritik muss aber weiterhin erlaubt sein. Im Notfall auch mit Videoaufnahmen als Beweismaterial. Glücklicherweise hat hierbei die grosse Mehrheit der Lehrpersonen überhaupt nichts zu befürchten.

Tags: , , ,
Labels: Allgemein

Keine Kommentare | neuen Kommentar verfassen