Donnerstag, 26. März 2009, 21:26 Uhr

Kein Christ und doch gegen den Biometrie-Pass

Gestern hat die Rundschau mit dem Beitrag über Biometrische Pässe einen neuen Tiefpunkt erreicht (Dank: irgendein Twitterer da draussen). Zwanghaft wurde versucht, die Gegner des biometrischen Passes mit einer christlichen Sekte in Verbindung zu bringen. Anstelle dass die Sendung auf Fakten basiert die Vor- und Nachteile des neuen Passes aufgezeigt hätte (was im Grunde ja der gesetzliche Auftrag des Staatsfernsehens ist und womit nicht zuletzt auch unsere Billag-Gebühren begründet werden), versuchte man – wohl der Schlagzeile wegen – krampfhaft, alle Gegner in dieselbe Liga wie Saseks christlicher Fundi-Sekte „Organische Christus-Generation“ einzureihen. Wer gegen den verchippten Pass sei, so wurde unterschwellig suggeriert, sei wie Sasek & Co. auch Anhänger der Grossfamilie, gegen Homosexuelle, fürchte den Genozid an religiösen Minderheiten, möchte die Einpflanzung eines Chips in seinen Körper verhindern und habe Angst, dass der Staat seine Bürger mit diesem Chip non-stopp (wie auch immer) überwachen kann.

NEIN!

Obwohl ich mich mit Saseks Sache keinen Millimeter weit anfreunden kann, bin auch ich gegen die Einführung des biometrischen Passes. Als wohl eines der wenigsten Ländern dieser Welt hat die Schweizer Bevölkerung im Mai 2009 die Möglichkeit, über die Erfassung biometrischer Merkmale all seiner Bürger durch den Staat abzustimmen. Aus meiner Sicht bringt diese Datensammel-Wut ausser Spesen rein gar nichts. Weder können durch den verwanzten Pass Terror-Attacken verhindert werden, noch gestaltet sich die Ein- und Ausreise in paranoide Länder einfacher. Im Gegenteil: Um den neuen Pass zu erhalten, muss ich wohl einen halben (oder je nach Wohnort gleich einen ganzen) Arbeitstag freinehmen, um mich Abzulichten und Fingerabdrücke anfertigen zu lassen. Für den ganzen Gspass zahle ich dann noch deutlich mehr als es für die alten Pässe der Fall war. Abgesehen von solchen ökonomischen und praktischen Problemen geht es mir aber auch ums Prinzip: Jeder Schweizer soll selber entscheiden dürfen, ob er sich den Biometrie-Pass antun will/muss (ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich nicht wenige Geschäftsleute für den High-Tech-Pass entscheiden werden, um rascher durch die Zollkontrollen zu kommen) oder weiter mit seinem alten, immerhin „maschinenlesbaren“ Pass in der Weltgeschichte rumgurken will. Und ja, lieber Staat – dann nehme ich halt auch in Kauf, dass ich statt in 5 Minuten halt in 20 Minuten durch den Zoll komme und vorher im Heimatland noch ein Visum beantragen muss. Sollen diese Biometrie-Pass-Fundis nur eine anständige Visums-Bürokratie in ihren Botschaften aufbauen …

Die NZZ weist in ihrem Leitartikel (Zufall, dass er ausgerechnet am Tag nach der journalistischen Betriebsunfall im Leutschenbach erscheint?) noch auf einen weiteren Punkt hin:

Stein des Anstosses ist der Umstand, dass die biometrischen Daten auf einer zentralen Datenbank beim Bundesamt für Polizei gespeichert werden sollen. Der Schengen-Acquis fordert derlei nicht. Also ist nicht einzusehen, warum jeder Passbesitzer seine persönlichen Daten dem Staat übergeben soll. Die Begründung des Bundesrates, die zentrale Speicherung erschwere die missbräuchliche Verwendung von Pässen, genügt nicht, um die informationelle Selbstbestimmung derart einzuschränken. Umfassende Datenbanken wecken nach aller Erfahrung Begehrlichkeiten. Auch wenn die Regierung einstweilen versichert, dass die Daten nicht für Fahndungszwecke verwendet werden sollen, ist dies in Zukunft nicht auszuschliessen.

Quelle: Die Position der NZZ

Die Attacke der Rundschau auf die Gegner ist ein Nebenkriegsschauplatz und hat mit seriösem Journalismus kaum mehr etwas gemein. Pfui SF! Nehmt euch ein Beispiel an derjenigen Postille, die mitten im Wettkampf um den besten boulevardschen Ausrutscher und im Kampf gegen Gratiszeitungen noch ein klein wenig Journalismus und eigenes Denkvermögen an den Tag legt.

Nachtrag: Man sollte zudem auch skeptisch sein, ob dieser Pass tatsächlich nie von unerlaubten Dritten ausgelesen werden kann. Das Schweizer Fernsehen rettet die verloren gegangene Ehre mit folgendem Beitrag in einer der wenigen Sendungen, für die sich das Gebührenzahlen noch lohnt:

Quelle: «Sind die Daten auf dem E-Pass sicher?»

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Labels: Politik, Schweiz

2 Kommentare Kommentare

don sagt:

muss mal wieder gesagt werden: top artikel – bin ziemlich deiner meinung. es ist nicht obligatorisch vorgeschrieben von brüssel, lediglich die möglichkeit muss bestehen, einen solchen pass beziehen zu können.

Bastian sagt:

@don: die möglichkeit sollte bestehen, jedoch sollte man die Preispoitik überdenken.

Es kann nicht sein, dass es nur nach erfolgter (positiver) Abstimmung möglich ist die Identitätskarte und den Biometischen Pass als Päckli zu beziehen.

Momentan zahlt man ja beide Produkte noch seperat, was extrem teuer ist.

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