Archiv ‘Politik’

Montag, 22. Oktober 2007

Die ersten Nationalrätinnen

Heute ist ein historischer Tag: Der erste dunkelhäutige Schweizer zieht in den Nationalrat ein! Gratulation auch von meiner Seite an Ricardo Lumengo. Netter Nebeneffekt: So bleibt garantiert, dass dem FPS-Blog der Stoff zum Kernthema nicht ausgeht …

Da sich Smythe zudem über die Verdoppelung der Frauenquote bei der SVP freut (welche dieser Damen für ihn wählbar ist, erfahren wir leider nicht – wohl keine …), nahm mich Wunder, wer denn 1971 die erste weibliche Nationalrätin war (man erinnere sich: dem „schwachen“ Geschlecht war bis zu besagtem Jahr nicht möglich, an Abstimmungen und Wahlen teilzunehmen).

Mit Erstaunen musste ich feststellen, dass im November 1971 nicht nur eine, sondern gleich ein knappes Dutzend Frauen in den Nationalrat einzogen:

  • Lang-Gehri Hedi – SP
  • Nanchen Gabrielle – SP
  • Uchtenhagen Lilian – SP
  • Meier Josi J. – CVP
  • Blunschy-Steiner Elisabeth – CVP
  • Thalmann Hanny – CVP
  • Frey Tilo – FDP
  • Girardin Lise – FDP
  • Ribi Martha – FDP
  • Spreng Liselotte – FDP
  • Wicky Nelly – PdAS

Quelle: Ratsmitglieder seit 1848 – Kompletter Datensatz

Fazit: 3 SP, 3 CVP, 4 FDP, 1 PdAS

Schon damals also glänzte die SVP nicht mit progressivem Verhalten … Wahrscheinlich empfand man weibliche Kandidatinnen als Modeerscheinung der auslaufenden 68er, die bald wieder verschwinden sollte. Sowieso: Frauen gehören an den Herd, und nicht ins Parlament. Dieser Spruch hat auch 2007 nicht an Gültigkeit verloren, auch wenn sich in der nächsten Session sechs SVPlerinnen dem Diktum ihrer Patriarchen widersetzen.

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Sonntag, 21. Oktober 2007

Petition gegen Krawall-Demos in Bern

Ein StudiVZler sinniert in einer Gruppe laut über eine Petition nach, um Künftig Krawalle aus Bern zu „verbannen“:

Die Krawalle vom 6. Oktober
sind das Resultat einer jahrelangen Laisser-faire-Politik. Anstatt Bern zu einer
sprühenden, pulsierenden, sicheren und sauberen Stadt werden zu lassen,
konzentrieren sich Gemeinde- und Stadtrat seit Jahren auf die Bevorzugung von
Minderheiten und auf die Behinderung des Gewerbes durch Verbote und Gebote – mit dem
Effekt der Vertreibung möglichst vieler, guter Steuerzahler und einem Imageschaden
im In- und Ausland. Das muss ändern und zwar jetzt!

Den Petitionsbogen findet Ihr unter www.fuer-unser-bern.ch

Ich habe mich dank eines Hinweises von Kollege Burgdorfer in die Diskussion eingeklinkt und ein wenig mitdiskutiert. Hier mein Abschlussstatement:

Ich finde es echt besser, wenn du deine Energie für die Gemeindewahlen einsetzst.
Die Wirkung entfaltet sich so deutlich rascher als mit ein paar Tausend
Unterschriften.

[…]

Nur Law & Order-Politiker sind bereit, alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass so
etwas nie wieder passiert. Nur diese bieten statt 300 Polizisten 3000 auf, um die
Lage unter Kontrolle zu halten. Nur diese werden eine unbewilligte Demo „Schwarzer
Schafe“ umgehend auflösen – wenn nötig mit Gewalt. Nur diese werden die Reithalle
abriegeln. Nur diese werden Personenkontrollen im Bahnhof Bern durchführen lassen.
Nur diese werden potentielle „Krawallmacher“ in Verwahrung nehmen, bevor diese
Schaden angerichtet haben. Nur diese werden sich über eventuelle Proteste aus der
Wohnbevölkerung (Stichwort „Unverhältnismässigkeit“) hinwegsetzen.

Quelle: Thema: Petition für unser Bern

Labels: Bern, Gesellschaft, Politik

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Sonntag, 21. Oktober 2007

Die Wahlschlappe

Als bekennender Träger des SP-Parteibüchleins ist es sicher nicht verfehlt, eine Stimme von der „Basis“ zu Wort kommen zu lassen.

Grundlage ist die 2. gesamtschweizerische Hochrechnung von heute Abend.

Die SP hat gemäss diesen Zahlen neun Nationalratssitze verloren und eine herbe Schlappe eingefahren.

Ob man mir es glaubt oder nicht – mich berührt die Niederlage nicht sonderlich. Eventuell symptomatisch für SPler? Die Lethargie könnte auch damit zusammenhängen, dass ich weder in der nationalen noch kantonalen Politik tätig bin – für mich hat die kommunale „Polit-Szene“ höchste Priorität. Und dort geht es (glücklicherweise?) deutlich pragmatischer zu und her. Die Wahl der Partei hier in Neuenegg fiel mir deshalb leicht: Ich bevorzugte SP deutlich ich vor der immer noch bäuerlich geprägten SVP (vom Anhängsel FDP reden wir gar nicht erst).

Für einen „Roten“ sicherlich auch ungewöhnlich: Ich habe 13 SPler und 13 Grüne gewählt. Ein Zeichen, dass man innerhalb der Linken Rosinen pickt?

Was nun?

  • Parteipräsident Fehr muss den Hut nehmen.
  • Bundesrat Leuenberger geht in Bälde in Pension.
  • Die SP-Jugend erhält ein grösseres Mitspracherecht; die Zeit der „verknöcherten Gewerkschaftsbürokraten“ ist vorbei. Wobei ich aber gleichzeitig davor warnen möchte, zu viele „Hirnis“, sprich Studentinnen (weibliche Form explizit so gewählt!), die Macht übernehmen zu lassen. Für mich müssen auch Büetzer, Secondos, junge Mütter und Väter angemessen vertreten sein. Gelingt dies nicht, werden die nächsten Wahlen zum Desaster. Motto: Weniger Sozialphilosophie, mehr Pragmatik! Keine grossen Würfe (Stichwort: Einheitskasse), sondern kleine verdaubare Häppchen
  • Bürgernahe Inhalte in einer für Bürger verständlichen Sprache
  • Wahlkampf 2011:
    • Keine Atomkraftwerk-Plakate
    • Blocher und die SVP „links“ liegen lassen – Sauberer Wahlkampf; Konzentration auf eigene Themen („Positive Campaining“)
    • Das Soziale wieder in den Mittelpunkt rücken

Labels: Politik

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Sonntag, 21. Oktober 2007

Wer darf eigentlich Politiker werden?

Kollege Zgraggen fährt anlässlich des Wahltages den Totschläger aus:

Und Ursula Wyss ist vielleicht im sozial-kulturellen Gernhabe-Kuchen der Stadt Bern nahe am Bürger; aber wer 34 Jahre lang nur vom Staat profitiert, und danach immer noch den Mut hat, mit weiteren Ideen aufzufahren, wie das von anderen erarbeitete Geld am besten zu verschleudern ist […], hat nicht nur beim Automechaniker-Lehrling im Emmmental keine Glaubwürdigkeit mehr…

Quelle: Votez mit starkem Tobak

Im vorangehende Kommentar sieht er den FDP-Kandidaten Pierre Triponez als deutlich „bürgernaher“. Was auch immer das heissen mag: Ich persönlich sehe mich lieber durch eine 34-jährige, linksstehende Mutter im Rat vertreten als durch einen kurz vor der Pension stehenden FDPler aus der alten Garde, der sich im steuergünstigen Muri b. Bern niedergelassen hat.

Würde das mit Bürgernähe wirklich zählen, müsste man wohl 80%+ des Parlaments nach Hause schicken. Gemäss dem Anteil an der Bevölkerung dürften dann vielleicht 5 Unternehmer, 2 Bauern und 193 Arbeitnehmer Einsitz nehmen. Die Quote könnte beliebig angepasst werden: Auch Ausländern – Deutsche, Franzosen, Serben, Albaner, Türken, Tamilen, etc. – und den Religionsgruppen – Christen, Muslimen, Buddhisten etc. – müsste genügend Platz eingeräumt werden. Dann, ja dann hätten wir eine „bürgernahe“ Politik die ihren Namen auch wirklich verdienen würde. Ich glaube aber nicht, dass man dann noch von Demokratie sprechen könnte …

Fakt ist: Ursula Wyss hat das beste Resultat der SP-Frauen gemacht. 57’000 Stimmen heimste die von Zgraggen als Geld-„Verschleuderin“ titulierte Kandidatin um 21:43 Uhr (Bern fehlt noch) ein. Triponez 38’116. Da verkennt wohl jemand den Wert des FDPlers – oder ist auf den „billigen Populismus“ Wysscher Prägung hereingefallen (jung, Mutter, links, studiert).

Zugangsbeschränkungen gefordert

Eine ähnliche Diskussion riss Kollege Schmid letzten Herbst an: Er fand es unerhört, dass junge Politikerinnen ohne jegliche Meriten (explizit war von Ursula Wyss und Evi Allemann die Rede) es doch tatsächlich wagten, für die Wahlen anzutreten. Ein Trauerspiel sei es, Personen in den Rat einziehen zu sehen, die noch nie in ihrem Leben in der Privatwirtschaft gearbeitet hätten und nie aus dem Elfenbeinturm der Universität hinausgeblickt hätten. Wie sollten solche Personen politisieren, ohne je den Ernst des Lebens mitbekommen zu haben?

Ich verstand die Kritik nicht ganz – ist es nicht gerade das Grundprinzip der Demokratie, dass sich jeder aufstellen und wählen lassen kann? Und wenn man den Wähler nicht überzeugt, wird man auch nicht gewählt. Marktwirtschaft pur – zumal SPlererinnen auch nicht im Verdacht stehen, ihre Stimmen kaufen zu können. Da die beiden Damen (mit beachtlichen Stimmenzahlen) gewählt werden, heisst dies doch, dass ihre politischen Inhalte beim Stimmbürger ankommen (oder wie erklären sich die beiden Haudegen deren Abschneiden?). Oder im Umkehrschluss: Das die Politik der greisen, verfilzten Männer in Bundesbern gewisses Unbehagen auslöst.

Zudem tönte es so, als könne jeder in den 200-köpfigen Rat einziehen, dem es so passt. Ich wies deshalb darauf hin, dass doch gerade die Ergatterung eines Parlamentssitzes nun Meriten genug sein müssten. Zwar ist es heute wohl schneller möglich, in den Rat einzuziehen – ein Kinderspiel ist es aber nun wirklich nicht. Man benötigt ein Netzwerk an Sympathisanten und Wählern, ein Unterstützungskomitee, eine solide Finanzierung – ansonsten kann man gleich wieder einpacken.

Einmal im Rat, wage ich zu behaupten, sind solche Jung-PolitikerInnen deutlich immuner gegen BestechungsLobbying-Versuche und verfolgen so eine ehrlichere, integre Politikals ihre Verwaltungsrat-Söihäfeli-Söidecheli-Kollegen. Aber ich mag mich täuschen …

Deshalb: Ich als 27-jähriger wünsche mir eine angemessenere Vertretung meiner Altersgruppe in der Politik. Ob Geld-Verschleuderer oder Exzess-Sparer ist mir eigentlich egal. Hauptsache, junge Leute bringen sich früher und mit mehr Nachdruck in die Politik ein, als sie es die letzten 159 Jahre getan haben.

Ob sie dabei peinliche Medienauftritte hinlegen und Wissenslücken aufweisen (ist das nicht auch näher am „normalen Bürger“ dran, Zgraggen?) ist mir eigentlich egal – Politik ist am Ende nicht Show, sondern Inhalte. Soll heissen, dass Ursula Wyss meine Stimme verdient hat, sobald Sie im Rat so abstimmt, wie ich das von ihr erwarte. Schliesslich heisst es ja auch „Volksvertreter“.

Labels: Politik

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Sonntag, 21. Oktober 2007

SMS-Geplänkel am Wahltag

Ich: hotel bern … eh … mc this afternoon?

Er: Ohne mich heute, bin anderweitig am Fressen

Ich: gibs zue, du siech bisch im äusseren stand mitem triponez am cüpli suffe! :-P

Er: Ok, ig bi mitem Beni Hess am abchüblä ;-)

Ich: you got blogged! :-)

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Sonntag, 21. Oktober 2007

Neuenegg überrascht

Simonetta Sommaruga holt in meiner Wohngemeinde weit über Parteigrenzen hinaus Stimmen:

Andres, Dora FDP 557 36.6% 3.
Donzé, Walter EVP 69 4.5% 5.
Luginbühl, Werner SVP 766 50.4% 1.
Sommaruga, Simonetta SP 733 48.2% 2.
Teuscher, Franziska Grüne 420 27.6% 4.

Quelle:

(Jedenfalls, wenn man davon ausgeht, dass „nur“ 420 Personen, die auch Franziska Teuscher gewählt haben, tatsächlich Links stehen.)

Nationalrat

Mittlerweile sind auch die Zahlen der Nationalratswahlen in unserer Gemeinde bekannt:

Liste Nr. Liste Parteistimmen Wähleranteil
1 SVP – F / UDC – F 2919 7.4%
2 SVP – M / UDC – H 11698 29.8%
3 JSVP / JUDC 1253 3.2%
4 SP-Frauen / PS-Femmes 4900 12.5%
5 SP-Männer / PS-Hommes 3139 8.0%
6 FDP / PRD 4921 12.5%
7 jf / jr 260 0.7%
8 LRR / LRR 239 0.6%
9 Grüne / Les Verts 2755 7.0%
10 jg-ja / jv-ja 308 0.8%
11 GRAL / LAVerte 176 0.4%
12 EVP – S / PEV – P 1090 2.8%
13 EVP – Z / PEV – A 122 0.3%
14 EVP – E / PEV – E 144 0.4%
15 EDU – BC / UDF – FA 1469 3.7%
16 EDU – NC / UDF – FV 124 0.3%
17 SD / DS 558 1.4%
18 Z – CVP / C – PDC 1978 5.0%
19 Z – LS / C – LS 476 1.2%
20 FPS / PSL 138 0.4%
21 PIG / PIS 292 0.7%
22 JSB / JSB 82 0.2%
23 MP / MP 98 0.2%
24 IGM / CCM 107 0.3%
Total 39246 100.0%

Quelle: Resultate der Gemeinde Neuenegg

Es erfüllt mich mit Erleichterung, dass die SVP verglichen mit den Wahlen vom Oktober 1919 längst nicht mehr das absolute Mehr erreicht. Schade, dass die SP im gleichen Zeitraum nur gerade 5% gut machen konnte. Rechnet man die Grünen hinzu, gibt dies immerhin eine Verdoppelung der Stimmen. Die grossen Bürgerlichen (SVP, FDP, CVP) versammeln immer noch 70 Prozent der Neuenegger Wähler hinter sich.

Labels: Neuenegg, Politik

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Samstag, 20. Oktober 2007

Votez mit starkem Tobak

Votez.ch richtet sich an eher jüngere, technisch versierte Leute, die vor Wahlen und Abstimmungen eine Entscheidungshilfe per Mail präsentiert erhalten möchte. Auf Grund des Zielpublikums und der Macher hinter Votez ist die Stossrichtung der Wahlempfehlung wohl noch nie ins rechtsbürgerliche Spektrum abgedriftet – gut so!

Am 5. Oktober trudelte das Empfehluns-Mail für die Nationalrats- und Ständeratswahlen ein. Nachfolgend die Begründungen, weshalb gewisse Parteien im Kanton Bern lieber nicht gewählt werden sollten:

  • Listen 1 bis 3 (SVP und junge SVP) sind unwählbar. Immer stärker orientiert sich die einst staatstragende, liberal-konservative Berner SVP an Stil und Ton und Politik ihrer extremen Zürcher Kameraden.

  • Listen 4 und 5 Sozialdemokratische Partei. Von diesen beiden Listen empfiehlt votez.ch die beiden bisherigen Nationalrätinnen Ursula Wyss und Evi Allemann [im Newsletter war wegen eines Fehlers im HTML-Code nur Evi Allemann ersichtlich]: Die Listen als ganzes kann votez.ch nur beschränkt empfehlen. In den letzten Jahren zeichnete sich die SP schweizweit durch politische Immobilität aus. Verknöcherte Gewerkschaftsbürokraten, wie sie auch auf der Berner Liste zu finden sind, gehören nicht ins Bundeshaus.

  • Listen 7 und 8 jungfreisinnige/Liste Radicale Romande (FDP Berner Jura) vertreten politisch in etwa dasselbe wie ihre Mutterpartei (Liste 6), angereichert mit Partikularinteressen der jungen und französischsprachigen Minderheit im Kanton Bern. Auf den beiden Listen hat kaum jemand eine Chance gewählt zu werden.

  • Listen 10 und 11: junge Grüne/Grün-Alternative Liste. Die Kandidierenden auf diesen beiden Listen vertreten grüne Politik kompromissloser als ihre Kolleginnen und Kollegen auf Liste 9. Sind nicht wählbar, weil sie vergleichsweise wenig politische Erfahrung mitbringen und ihre Positionen aus einer ideologischen Positionen heraus vertreten.

  • Listen 12 bis 16: Evangelische Volkspartei/Eidgenössisch Demokratische Union: Nicht wählbar, weil die Bibel in der Politik nichts verloren hat.

  • Listen 17 bis 24: nicht wählbar, weil sie extreme Positionen am rechten Rand des politischen Spektrums vertreten oder nur zum Jux zu den Wahlen angetreten sind.

Votez empfahl schlussendlich die Liste 6 der FDP sowie Liste 9 der Grünen. Da beide Kräfte im Kanton Underdogs darstellen, könnte es durchaus sein, dass diese progressivere Ideen vertreten und auch bereit sind, Status Quo zu rütteln.

Wie auch immer – im Ernstfall vertraue ich lieber auf Smartvote als auf Votez. Denn schliesslich ist Christa Markwalder im Besitz desselben Parteibüchleins wie bspw. Pierre Triponez

Dank gebührt Smythes Einschätzung – mit den Charakteristika einzelner FDPler kenne ich mich leider nicht aus. Ob aber die „Law & Order“-Politik Triponez‘ eine echte liberal-bürgerliche Tugend ist, sei dahingestellt …

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Samstag, 20. Oktober 2007

Eine kleine Parteiengeschichte der Schweiz

Kurt Imhof, der immer und überall etwas zu Besten gibt, durfte diese Woche für die Weltwoche Das Magazin schreiben. Seine These: Die Bürgerlichen Parteien sind – oh schreck – gar nicht mehr bürgerlichen Werten verpflichtet.

SVP

Mit dieser Partei ist es am Schlimmsten:

Dass die SVP das Etikett «bürgerlich» bis heute behalten konnte, negiert die Metamorphose, die die Führung dieser Partei realisiert hat. Die allermeisten rechtspopulistischen und radikalen Parteien Europas, die solche Positionen vertreten, sind neue Akteure, und niemand gesteht diesen Kräften dieses ehrwürdige Etikett der Aufklärung zu. Und natürlich finden wir Plakatierungen von der Qualität der drei und einem Schäfchen auch in anderen europäischen Ländern. Nur: Dort fristen sie das Dasein von Affichen, die in der Nacht an Mauern geklebt werden, und erscheinen nicht flächendeckend an den teuersten Standorten im öffentlichen Raum.

Quelle: WER IST BÜRGERLICH

Und jetzt folgt schweres Geschütz (recht hat er – soll mir mal eine Person bürgerlicher Gesinnung erklären, was am untengenannten bitteschön bürgerlich sei):

Jedoch: Eine Ausschaffungsinitiative, die die Sippenhaft fünfzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wieder einführen will, der Kampf gegen eine imaginierte «Classe politique» in unserer Demokratie, der Kampf gegen das humanitäre Völkerrecht und zentrale Institutionen unseres Rechtsstaats, der Kampf gegen schwarze Schafe und der Personenkult – das alles kann schlicht unter keinem Titel mehr als «bürgerlich» bezeichnet werden.

FDP

Deutlich spannender ist für mich als Student der Geschichte hingegen folgende Aussage:

Das Metronom des «Bürgerlichen» in der Schweiz, die Freisinnig-demokratische Partei, begann nach der Wirtschaftskrise von 1974 über den Zürcher Flügel das zu verspielen, dem sie alles verdankte: ihren Einsatz für den Ausbau und die Perfektionierung eines Staatswesens, das der schweizerische Freisinn seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts erstrebte und ab 1848 beständig fortführte. «Weniger Staat, mehr Freiheit» dementierte Ende der 1970er-Jahre den Kern des bürgerlichen Selbstverständnisses. Wer gegen den schweizerischen Staat war, der war im 19. Jahrhundert ein Ultramontaner, ab Beginn des 20. Jahrhunderts ein Sozialist, ab dem Generalstreik ein Kommunist, in den 1940ern ein Frontenbündler oder ein Vaterlandsverräter, in den 1950ern ein PdA-Mitglied und in den 1960ern ein 68er oder ein PdA-Mitglied.

An seinen Bundesstaat liess der Freisinn nie etwas kommen, bis er es selbst tat. […]

Doppelt blöd für diese Softie-Partei – wollen bürgerlich sein, sind es nach Imhofs Lehrbuch aber längst nicht mehr; wollen liberal sein, obwohl viele Parteiangehörige im Ernstfall auf den freien Markt pfeifen (in meinem Blog unter den Titeln „Wir unechten Liberalen“ angeprangert). Kein Wunder, dass die Partei unentwegt verwirrt durch den Polit-Dschungel stolpert – wer sich selbst verleugnet kann auch nicht gewinnen!

CVP

Diese Partei wiederum hat massiv Dreck am Stecken. Erstaunlich ist die Wandlung, die die einst so konservative Partei auf dem Weg zur Bürgerpartei durchgemacht hat:

Die Katholisch-Konservativen glaubten in den 1920er-Jahren, mit dem internationalen jüdischen Bolschewismus, der SPS und der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS) den Antichrist vor sich zu haben. Als Reaktion darauf verbündeten sie sich 1934 mit den Frontenbewegungen für eine Totalrevision der Bundesverfassung zwecks Errichtung eines zutiefst unbürgerlichen Ständestaates.

Nicht schlecht – wer würde heute der von Leuthards und Darbellays geleiteten Partei eine solch dunkle Vergangenheit zutrauen?

SP

Da die SP sich nie als „bürgerliche“ Partei verstanden hat (obwohl man – meiner bescheidenen Meinung nach – sagen kann, dass diese Partei den Geist der Aufklärung mit all den Beamten, Lehrern, Akademikern mehr denn je in ihren Reihen trägt), befasst sich Imhof nur am Rande mit ihr.

Immerhin weist auch er auf einige kritische Episoden hin wie beispielsweise den Klassenkampf-Paragraphen oder die Sympathie mit der kommunistischen Sowjetunion nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

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Mittwoch, 17. Oktober 2007

Brasilien pfeift auf das Bankkundengeheimnis

Der Sozi hat dazu gelernt und sagt jetzt dem Newspeak gleich nicht Bankgeheimnis, sondern Bankkundengeheimnis. Aus einem in den Kommentaren vorgetragenen Wortgefecht ging schlussendlich der Eindruck hervor, dass die Abschaffung des Bankkundengeheimnis dem Finanzplatz eigentlich kaum schaden würde. Aber eben: Die Abschaffung dieses würde der SP wohl so ungelegen kommen wie der SVP die bedingungslose Ausschaffung aller Ausländer in der Schweiz … Worüber könnten wir dann überhaupt noch politisieren? Himmel, da müssten wir ja damit beginnen, die wirklich wichtigen Probleme zu diskutieren, die unser Land bewegt.

Nun, in einem Kommentar zu einem hier vor wenigen Tagen erschienen Artikel, in dem ich die Einführung der Steuererklärung, die auf einem Bierdeckeli Platz, fordert, gab es den Tipp, doch mal bei brandeins vorbeizuschauen. Gesagt, getan.

Der erste Artikel, der mir bei der Google-Suche nach „brandeins steuern“ ins Auge sprang, hat es in sich:

Ob im Plus oder im Minus ist völlig egal. Wenn José, der brasilianische Normalverbraucher, sein Konto plündert, die Stromrechnung bezahlt, ins Minus rutscht oder einen Sechser im Lotto hat, erfährt das Finanzamt davon. Sofort und ganz automatisch. Weil die Bank dem Fiskus 0,38 Prozent von jeder einzelnen Einnahme oder Ausgabe überweist, von allen Beträgen, die über das Konto von José laufen.

Quelle: Der trockene Pelz

Ist das nicht fürchterlich? Fürchterlich effizient?

Aber nehmen wir einmal an, es gäbe keine andere Steuer, nur diese eine, und es wären nicht 0,38, sondern 18 Prozent Steuer auf den Kontenumsatz, die jeder Brasilianer mit einem Bankkonto zu zahlen hätte. Nicht auszudenken! Die brasilianischen Staatsfinanzen wären auf einen Schlag saniert – und alle, die ehrlich Steuern zahlen, wären hocherfreut. Gerecht wäre es außerdem, so gerecht, dass die armen Schlucker ohne Bankkonto mit keinem Centavo zur Kasse gebeten werden. Die heimlichen Millionäre aber zettelten eine Revolution an. Und mit ihnen die Steuerberater, Winkeladvokaten, Treuhänder, Vermögensverwalter und die Finanzbeamten sowieso – denn alle würden arbeitslos.

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Dienstag, 16. Oktober 2007

Sozialschmarotzer und Abzocker

Gut jedes dritte Schweizer Unternehmen ist von Wirtschaftskriminalität betroffen. Der Täter gehört häufig dem Management an und wird von Gier getrieben.

Quelle: Der Täter sitzt meist in der Teppichetage

Und wir Bürger hatten dank der SVP den Eindruck, dass 10% Scheininvalide und unrechtmässige Sozialhilfebezüger für alle Miseren unseres Landes verantwortlich sind.

Schlussendlich – das zeichnet mich wohl als Linken aus – finde ich es weniger verwerflich, mit Betrug seinen grundlegenden Lebensunterhalt zu decken, als neben einem äusserst anständigen Salär, das alle erdenklichen Bedürfnisse deckt, immer noch mehr zu wollen.

Ersteres gilt heute als eines der schlimmsten Verbrechen überhaupt und soll mit Landesverweis bestraft werden; zweiteres hingegen ist ein Kavaliersdelikt, für das man unter Kollegen noch Schulterklopfen erntet.

(Ich weiss – bei Unternehmen zahlt der Aktionär die Zeche, beim Sozialhilfemissbrauch ist es der Steuerzahler, weshalb man die beiden Fälle nicht vergleichen kann).

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