Archiv ‘Politik’

Samstag, 7. Juli 2007

Die Amis wollen so werden wie wir

Das kollektive Bild des Auslands in den USA ist ein mythisches, in Formaldehyd konserviertes, aus der Zeit der Gründerväter tradiertes, bei dem das Königreich England aus dem Jahre 1776 als unbewusster Referenzpunkt gilt. Das erlaubt den USA einerseits, sich unbeirrt als das freieste Land der Erde zu beschreiben und zu empfinden, obwohl die meisten Länder Europas heute nach fast jedem objektiven Kriterium freiheitlicher sind als die USA.

Quelle: Die Retronation

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Freitag, 6. Juli 2007

Andere Erklärung für Berns Misere

Von 1885 bis 1914 gab es so etwas wie ein Berner Wirtschaftswunder. In dieser Zeit holte Bern die industrielle Revolution nach. […] Träger des Wirtschaftswunders waren Angehörige der freisinnigen Grossfamilie, die bis etwa 1920 im Kanton Bern die Mehrheit inne hatten. […] das neue Proporzwahlrecht verhalf der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei BGB, der späteren SVP, um 1920 zur Mehrheit in den Kantonsbehörden. Die BGB förderte die traditionalen Wirtschaftssektoren: die Landwirtschaft und das Kleingewerbe.

Quelle: BernerZeitung, 25. Oktober 2003, Berns Leiden am Kanton

Wie Pfister im Interview aber klarstellt, wäre es töricht, der BGB ohne eingehende Untersuchung den „schwarzen Peter“ in die Schuhe zu schieben.

Die erwähnte Machtverschiebung muss aber im Hinterkopf behalten werden, wenn man Bern- (und damit verbunden Rot-Grün-)Bashing betreibt und die Misere in pseudo-wissenschaftlicher Manier Staatsangestellten in die Schuhe schieben will. Könnte es nicht sein, dass der Grundstein für den wirtschaftsschwachen Kanton nicht in der unmittelbaren Vergangenheit liegt, sondern bereits in der Zwischenkriegszeit gelegt wurde?

Für mich jedenfalls ist die Hypothese äusserst verfänglich – der Entscheid, Agrarkanton zu bleiben, kann seine Wirkung in voller Breite auch erst Jahrzehnte später entfalten. Ich kann aber nicht ausschliessen, dass hier der Parteibüchli-Bias unterbewusst wirkt. Dafür gibt es ja die glücklicherweise die Kommentarfunktion.

Sind wir gespannt, ob sich die Geschichtswissenschaft dieser Frage in den nächsten Jahren annehmen wird.

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Mittwoch, 4. Juli 2007

Independence Day

So, jetzt könnte man dann wirklich mal …

“I didn’t vote for him,” an American once said, “But he’s my president, and I hope he does a good job.”

That—on this eve of the 4th of July—is the essence of this democracy, in 17 words. And that is what President Bush threw away yesterday in commuting the sentence of Lewis “Scooter” Libby.

Quelle: Olbermann: Bush, Cheney should resign

… ein Impeachment-Verfahren starten. Mittlerweile ist die Kunde ja bereits in den Massenmedien salonfähig geworden.

Das Problem: Den Vize möchte ich noch weniger im Chefsessel haben als sein derzeitiger Boss.

Mit solchen Aktionen ihres Präsidenten macht sich die letzte verbliebene Supermacht lächerlich, indem sie all den „Schurkenstaaten“ da draussen (inklusive Russland) vorwirft, zu was sie selber nicht mehr im Stande zu schein seit: Die Aufrechterhaltung der Gewaltentrennung.

Höchst enttäuschend sind auch die Demokraten, Angsthasen und Sesselkleber – die Demokratie in Übersee scheint gelähmt zu sein.

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Samstag, 30. Juni 2007

War FACTS zu links?

Das könnte man meinen, wenn man die letzte, „goldene“ FACTS durchliest (was – ausser dem Titelblatt – daran golden sein soll, entzieht sich hingegen meiner Kenntnis):

Jahrelang war es einfach, eine Zeitschrift zu machen: Man musste gegen das Establishement schreiben, tatsächlich oder vermeintliche Intrigen aufdecken und die linke Klassenkampf-Argumentation pflegen. Das Resultat war guter linker Journalismus. Unterdessen hat sich das Blatt gewendet. Bewahrende und blockierende linke Politik ist an vielen Missständen schuld – die Leserschaft weiss das. Viele Journalisten haben aber Hemmungen, gegen jene zu schreiben, die sie so lange verteidigt haben. Keiner diese Journalisten hat gegen die geplanten Gaskraftwerke von SP-Bundesrat Moritz Leuenberger geschrieben. Nur zögerlich werden Fehlanreize des Umverteilungsstaates thematisiert.

Damit haben die Redaktionen ihre Werthaltungen verloren. Was sie produzieren, wird in den Augen der Konsumentinnen und Konsumenten mehr und mehr wertlos, was dazu führt, dass sie das Produkt gratis haben wollen.

Ruedi Noser, Zürcher Nationalrat und Vizepräsident der FDP Schweiz.

Quelle: FACTS, 26/2007, 28. Juni 2007, „Blockierende Linke Politiker sind an vielen Missständen schuld“, S. 60.

„Blockierende Linke Politiker sind an vielen Missständen schuld“ – aus Sicht eines zürcherischen Liberalen wohl sogar am Niedergang von FACTS …

Starker Tobak, den Noser da liefert. Doch irgendwie geht es in diesem Elaborat mehr um Parteipolitik als um FACTS. Ein Schelm, wer im Wahlkampfjahr böses denkt! Dabei sollten Politiker der bedrohten Gattung FDP aufatmen: gfs prognostiziert „nur“ einen Verlust von 0.3% für die „Wir Hop-Sviz Liberalen“, würden heute Parlamentswahlen stattfinden.

Einige Passagen:

  • „guter linker Journalismus“ Nicht links-liberaler, „linker“? Ob sich ein Blatt heutzutage wirklich leisten könnte, auf solcher Linie zu politisieren journalisieren?
  • „die linke Klassenkampf-Argumentation pflegen“ Beweise, WatsonNoser! Mir wäre nicht bewusst geworden, dass FACTS noch im Zeitalter der Parteipresse steckt. Haben Sie vielleicht insgeheim zur WOZ gegriffen?
  • „Bewahrende und blockierende linke Politik ist an vielen Missständen schuld – die Leserschaft weiss das.“ Herr Noser scheint mit der SVP-Wahlkampf-Propaganda gleichgeschaltet worden zu sein. Wahrscheinlich leidet er an dem in Zürich wütenden Virus namens „Linken-Bashing“.
  • „Keiner diese Journalisten hat gegen die geplanten Gaskraftwerke von SP-Bundesrat Moritz Leuenberger geschrieben.“ Wahrlich, eindeutiges Indiz, dass FACTS von linken Parteigänger durchsetzt ist …
  • „Was sie produzieren, wird in den Augen der Konsumentinnen und Konsumenten mehr und mehr wertlos, was dazu führt, dass sie das Produkt gratis haben wollen“ Eine der köstlichsten Schlussfolgerungen, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Ein Blatt wie FACTS bringt man nurmehr gratis unter die Leute … So wird es sein! Komisch nur, dass die Weltwoche bisher weniger Leser aufwies als FACTS – der Markt spielte doch? Wem FACTS zu „links“ war, konnte problemlos zur Konkurrenz wechseln …

Nebenbei: Wenn von Linken und ihren Schergen wirklich eine derartige Gefahr ausgeht, sollte Herr Noser all die „Wir unechten Liberalen“ wie Frau Markwalder & Co. schleunigst aus „seiner“ Partei ausschliessen.

Ein Leser (wiederum Zürcher) doppelt nach:

Es wundert mich nicht, dass euer Blatt eingeht. Schade um die Leute, die Arbeitsplätze. Blocher ist Spitze. Ihr seid einfach viel zu links. Einen Georg Kreis oder einen Bodenmann muss man in die Wüste schicken. Und natürlich sind unsere linksgerichtete Richter auch ein Ärgernis. Der Presse würde es guttun, sich mal Richtung Mitte zu verschieben. Wenn man den Leuten zuhört, interessiert es die wenigsten, was unsere linken Journalisten schreiben.

Werner Bruderer, Kloten

Quelle: FACTS, 26/2007, 28. Juni 2007, „Reaktionen zum Ende“, S. 8.

Wirklich?

Für viele wäre es tatsächlich verlockend, den „linken Journalismus“ FACTScher Manier für den Niedergang des Blattes verantwortlich zu machen. Doch was sagen ideologisch weniger Verblendete und nicht im Wahlkampf stehende Exponenten?

Am Kurs der Zeitung – wenn die Befriedigung vieler Geschmäcker überhaupt ein Kurs ist – konnte und durfte nichts verschoben werden. Die kleinen subventionierten Titel in einem grossen Haus dürfen nichts tun, was dem Gesamtineresse des Verlags zuwiderläuft. Keine Anzeigeunkunden nachhaltig verprellen und auch nicht zu scharfen Kurssetzern in einem Verlag werden.

Anders bei Wochenzeitungen, die in ihren kleineren Häusern das Flaggschiff sind. Wenn ihr Erschienen – und das war oft der Fall in den letzten Jahren – in Gefahr stand, dann wurde ungeniert nach einem neuen, starken Tabak gesucht.

Hanspeter Lebrument, Verleger Südostschweiz Mediengruppe

Das tönt nicht gerade nach linkem Parteiblatt, das nicht anders konnte, als den Genossen gefallen zu wollen.

Auch Roger Blum sieht die Sache etwas nüchterner:

FACTS war als recherchierendes und Thema setzendes Medium keineswegs allein – auch einige Tages-und Sonntagszeitungen, auch einzelne Fernseh- und Radiosendungen, auch „Cash“ und „Weltwoche“ mischten auf ihre Art mit.

Mit drei SonntagsZeitungen und zwei Donnerstags-Magazinen war der Markt hart umkämpft – während in der Chefetage von Tamedia einzig die Kosten zählten. Die Tamedia lässt so aber willentlich ihr Flaggschiff sinken – war das intelligent?

Wie dem auch sei: Für Noser & Co. besteht zu befürchten, dass nun viele der „linken Journis“ zur SonntagsZeitung und zum Magazin überlaufen – dort weiterhin die „pöhsen, pöhsen Linken“ mit Samthandschuhen anfassen.

Fazit

Wer hat Recht? Der polternde Leserbriefschreiber aus Kloten und der freisinnige Nationalratskandidat? Oder der Professor für Medienwissenschaften und der ostschweizerischen Verleger?

„Niedergang“

Ist „Niedergang“ sowieso nicht fehl am Platz? Notabene: 440’000 Leser hat das Wochenmagazin bis zum Schluss gehabt – im Vergleich zum Vorjahr konstant; während die Weltwoche 378’000 Leser zählte, minus 5% (Die Leserzahlen der Printmedien sowie Grafik).

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Donnerstag, 28. Juni 2007

Die CO2-Abgabe lässt uns kalt

Aus diesem Grund wird ab Januar 2008 eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe (Heizöl, Erdgas) von 12 Franken pro Tonne CO2-Emissionen erhoben.

Bei der Abgabe handle es sich nicht um eine Steuer, sondern um einen Anreizmechanismus, hält das Bundesamt für Umwelt (Bafu) fest. Die Abgabeerträge werden den Bürgerinnen und Bürgern über die Krankenkassen […] zurückverteilt. Die Einnahmen aus dem Jahr 2008 – schätzungsweise 220 Millionen Franken – werden 2010 rückverteilt.

Quelle: Kritik an Beschluss zu CO2-Abgabe

Der HEV-Präsident rechnet mit jährlichen Mehrausgaben pro Haushalt von rund 100 Franken.

Quelle: Kritik an Beschluss zu CO2-Abgabe

Das Hause Aeby – Erdölfrei, seit 1986*.

*) Selbstverständlich kommt auch unser bescheidenes Heim nicht ohne „billige“ Energie aus. In diesem Fall ist es Strom – aus AKWs und Stauseen. Nicht nur, dass wir damit von lästigen Umwelt-Abgaben verschont bleiben, nein, der Strompreis ist weder derart volatil1 wie Heizölpreise, noch fliesst unser Geld in den Nahen Osten.

Wir danken bereits jetzt allen Heizöl-Konsumenten für die jährliche Spende von 100 Stutz. Was sollen wir damit tun? Mit Easyjet an die französische Riviera? Oder machen wir doch besser eine Autotour auf den Gurnigel?

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Dienstag, 26. Juni 2007

Repräsentiert die SVP 30% der Schweiz?

Während ich dem Ton aus dem Fernseh-Zimmer lausche („Der Club“ über das Rütli; u.a. mit SVP-Präsident und Ständeratskandidaten Ueli Maurer), höre ich es wieder:

[…] Freiheit bla bla Unabhängigkeit bla bla Dies sind Werte, die wir SVPler mit 30 Prozent der Bevölkerung teilen.

Ueli Maurer: Das Rütli bedeutet für viele Schweizer … das ist kein physischer Ort am Vierwaldstättersee … sondern das Rütli ist das Symbol für … wir wollen frei sein … wir wollen unabhängig sein … wir wollen keine fremden Richter … es wurde zum Symbol für den Widerstand im Zweiten Weltkrieg von General Guisan … das alles verkörpert das Rütli für sehr viele Schweizer […] Ich versuche zu schildern, was die Leute in diesem Land bewegt.

Adolf Muschg: […] Nein, nur was ihre Partei bewegt!

Ueli Maurer: Unsere Partei wählen immerhin 30% der Schweizer!

Quelle: Das Rütli-Theater: Ende gut – alles gut?

(Sinngemäss wiedergegeben; sobald morgen die Aufzeichnung verfügbar ist, werde ich das Zitat wortwörtlich niederschreiben)

Falsch! Muss ich meine Berechnung vom 5. Juni 2007 wieder hervorholen? Dort steht akribisch aufgelistet:

Nationalratswahlen

Total Stimmbevölkerung 4’565’7151 Pers.
Gewählt haben 45,4%
2’072’834 Pers.
Die SVP gewählt haben 26,7%
553’446 Pers.

Quelle: Weniger Staat, aber nur solange die anderen das Sagen haben

Ich finde es nicht gut, wenn eine Partei suggeriert, 2.47 Millionen Schweizer im Rücken zu haben (30% von 7.5 Millionen), wenn es tatsächlich nur gerade eine halbe Million ist (entspricht weniger als 10% der Einwohner unseres Landes). Würden Kinder und immigrierte Deutsche SVP wählen, geschweige denn so denken wie es die Parteiführung (Gell, Smythe? *zwinker*) vorsieht?

Mythos Rütli

Für mich bedeutet das Rütli nicht primär Unabhängigkeit und Freiheit, sondern Eidgenossenschaft (dem Gebilde, dem die SVP so nachzutrauern scheint). Wir leben aber in einem föderalen Bundesstaat, der massgebend von liberalen Geistern des 19. Jahrhunderts (und vielleicht auch ein wenig von den Sozialdemokraten des 20. Jahrhunderts) geprägt worden ist. Wäre es nach den altbackenen Eidgenossen nach Vorstellung der SVP gegangen, würde ich heute noch im Staate Bern und nicht in der Schweiz leben.

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Dienstag, 26. Juni 2007

Charakterisiere die Weltwoche


Grauer Brief
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by emeidi

Ignoranten – ohne Respekt gegenüber Lesern und Demokratie

Die Berner Zeitung und die Neue Luzerner Zeitung haben über die Mitgliederversammlung des AUNS kein Wort berichtet.

Gerade deshalb empfehlen wir Ihnen, die Weltwoche (siehe Beilage) zu abonnieren. Sie berichtet kritisch, ohne ideologische Verblendung und mit Fakten über die schweizerische Aussenpolitik. Mit der Bestellkarten in der Beilage können Sie exklusiv von einem Vorzugsabonnement profitieren.

Quelle: Grauer Brief, Nr. 117, Mai 2007, S. 3
Via: FACTS, 25/2007, 21. Juni 2007, „O-TON“, S. 23.

„Dir sit doch aues Grännis!“. Ausserdem scheint deren Shift-Taste (sorry, für AUNS-Mitglieder: die „Hochstelltaste“) desöfteren zu klemmen … Wer wird den gleich SCHREIEN?!

Schade, dass solche lustigen Dinge in Zukunft den Weg nicht mehr zu mir finden werden. Wegen des baldigen Abschieds von FACTS will mir Tamedia die Schweizer Familie schmackhaft machen. Was soll ich mit einem Friede, Freude, Eierkuchen-Heftli? Ich will Fakten! *zwinker*

Das kommt halt davon, wenn Tamedia die Existenz dieser grossen „Bewegung“ einfach so negiert. Hätte FACTS regelmässig über die AUNS berichtet, würde jetzt für ihr Magazin und nicht dasjenige der Konkurrenz geworben. Oder so.

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Montag, 25. Juni 2007

Neues Stilmittel im Wahlkampf


Die Wahrheit über die Reithalle
Originally uploaded by emeidi

Bald sind Wahlen – und jeder Kandidat, der etwas auf sich hält, präsentiert sich mit einem neuen Stilmittel im Web: Video-Clips. Insbesondere die SVP und ihre Schergen setzen voll auf dieses Mittel, um neue Wählerschichten (Generation YouTube?) zu gewinnen.

Einerseits gäbe es da einmal die nationale Wahlkampfplattform, wo Statistiken nach jeglichen Regeln der Kunst geschändet werden. Andererseits springen auch andere Exponenten auf den von der Mutterpartei aufgegebenen Kurs auf – so etwa Thomas Fuchs.

Da will ich nur hoffen, dass der Fuchs nicht ernst macht mit der Top-Level-Domain tv, die er für seine Web-Site gewählt hat. Das Wahlkampf-Getrommel mit düsteren Stimmen und der für diese Partei obligatorischen Angstmacherei, die der Tagi als dominantes Element des SVP-Wahlkampfs verortet, ist sowohl bei Maurer als auch bei Fuchs äusserst ausgeprägt. Würden wir uns ausschliesslich über solche Web-Sites informieren – man müsste meinen, die Welt stünde kurz vor dem Untergang.

Die erste Persiflage auf das „Sozialhilfe statt Arbeit“-Video (äh, nein, umgekehrt: „Arbeit statt Sozialhilfe“, natürlich), das wohl das Wählersegment Jugendliche ansprechen soll („Föht doch no grad afa Gränne, heiland nonemau!“ möchte man den finster und traurig dreinblickenden Jungschar zurufen), liess nicht lange auf sich warten:

Dank: LuLu

Übrigens: Markus Notter hat für die Regierungsratswahlen auch auf Videos gesetzt. Diese sind im Gegensatz zur SVP-Kost recht amüsant, wenn auch inhaltsleer.

Was lernen wir? Geschmäcker sind verschieden und ungleich über die Parteien verteilt.

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Sonntag, 24. Juni 2007

Missbrauch des Missbrauch-Begriffs

So gehen schleichend die Relationen verloren. Während es die Schweizer Privatversicherungen als zwingende Begleiterscheinung ihrer Geschäfte werten, dass die Kunden rund zehn Prozent der Schadenszahlungen missbräuchlich beziehen, gelten die fünf Prozent Missbräuche im Zürcher Sozialdepartement als Skandal, zumindest aus der Optik der SVP.

Quelle: Die Liebe der SVP zum Missbrauch

Spannender Artikel über die Genese des mächtigen SVP-Wahlkampfes.

Auf der Internetplattform von Swissinfo (SRG) werden die grossen Parteien nach ihren wichtigsten Anliegen im Wahljahr befragt. Während SP, FDP, CVP und Grüne ihre Programme mit überwiegend positiven Begriffen definieren, positioniert Ueli Maurer seine Partei konsequent als SVPM, als Schweizerische Volkspartei gegen den Missbrauch.

… wie viele lange Jahre wird es wohl noch dauern, bis die Leute die Miesmacherei satt haben?

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Samstag, 23. Juni 2007

Hetze gegen Staatsangestellte

Vorbemerkung: Als Teilzeitangestellter der Universität Bern bin ich per Definitionem auch „Staatsangestellter“. Als Mitglied der SP gehöre ich derjenigen Partei an, die (vermutlich) am meisten Staatsangestellte in ihren Reihen zählt. Mich stört aber weniger, dass Staatsangestellten und der SP „Steuerraub“ im Namen des Kantons unterstellt wird (für einige entspricht das nicht gerade einem strafbaren Kapitalverbrechen), sondern viel eher die fragwürdige Art, wie diese These im Zeitungsartikel belegt werden soll.

In der BernerZeitung von heute Samstag findet sich ein zweiseitiger Artikel mit dem Titel „Parlamente: In der Politik regiert die Staatslobby“. Der Autor Stefan von Bergen übt sich in Thesenjournalismus weltwöchischer Prägung. Die vertretene These lautet:

Je mehr Staatsangestellte in einem Kantonsparlament sitzen, desto höher sind die Steuern in diesem Kanton.

Der Text könnte nicht zuletzt auch als Ergänzung zu Mörgelis Abstempelung der 90er als „verlorenes sozialdemokratischen“ Jahrzehnt dienen. Zwei FACTS-Leserbriefschreiber wiesen zu Recht darauf hin, dass die Sozialdemokraten in diesem Jahrzehnt – wie auch sonst nie – die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat inne hatten. Smythe versuchte als Reaktion darauf zu zeigen, dass die Mehrheitsverhältnisse in einem Parlament links liegen gelassen werden können – es zählen viel mehr die Ausgaben für die soziale Wohlfahrt, die bestimmen, wann ein Jahrzehnt eben ein „sozialdemokratisches“ sei.

Natürlich darf man sich dennoch über Ursache und Reaktion fragen – geht es der Wirtschaft schlecht, wie es in den 90ern der Fall war, steigen logischerweise auch die Ausgaben für Soziales. Die Kritik geht natürlich trotzdem auf, wenn man wiederum die Linken für die wirtschaftliche Schwäche in diesen Jahren verantwortlich macht.

Von Bergen bringt ein weiteres Kriterium ins Spiel: Anstelle der Parteizugehörigkeit eines Mitgliedes des Parlaments ziehe man heran, wer dem Parlamentarier der Lohn zahlt, um sein Verhalten zu vorauszusagen. Bürgerliche werden bereits hier aufjubeln und den Artikel gar nicht mehr fertig lesen: „Ist ja logisch, endlich bringt das mal jemand auf den Punkt!“, werden sie rufen, auf den Stammtisch hauen und sich in das wohlverdiente Wochenende begeben.

Wer das Elaborat hingegen ganz durchliest, wie ich das getan habe, wird sich über die Zahlenwurstlerei und die Herstellung von pseudo-signifikanten Korrelationen des Autors wurndern. Zur Untermauerung der Aussagen interviewt man zusätzlich einen Jurist, einen Statistiker und zwei Politologen (darunter Claude Longchamp – der Name deshalb ausgeschrieben, damit er diesen Artikel findet und auch liest *zwinker*), geht aber irgendwie dann doch nicht ganz auf das Gesagte ein, um am Schluss des Artikels zu folgern (sinngemäss wiedergegeben):

Berner wandern ins steuergünstige Zofingen aus; die Grossrats-Parteien müssen deshalb ihr Personal auswechseln.

Bravo, Stefan von Bergen.

Kritikpunkt 1: Zahlenspielereien und Rückwärtssaltos

Im Kanton Bern kann man von den 160 Mitgliedern des Grossen Rates 62 denjenigen zuordnen, die vom Staat oder staatsnahen Körperschaften ihren Lohn erhalten. Es sind dies Lehrer, Angestellte der öffentlichen Verwaltung, des Gesundheitswesens, von Stiftungen und Verbänden, Gewerkschaften und Parteien.

Ganz neue Erkenntnis: Gewerkschaftsvertreter und Parteien erhalten Lohn vom Kanton? Von Bergen räumt gleich anschliessend selbst ein:

Natürlich ist es etwas unpräzis, sie alle als Staatsvertreter zu bezeichnen.

Aha „etwas unpräzis“. Das ist aber wirklich nicht sehr wissenschaftlich. Doch lesen wir weiter:

Von diesen 90 [Vertetern der Privatwirtschaft] sind nämlich 22 Bauern, die in hohem Masse von staatlichen Geldern leben. Und 17 Juristen oder Fürsprecher, die oft von staatlichen Aufträgen profitieren.

Betrachtet man die 22 Bauern als Staatsangestellte und zählt die Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre bei den Staatsvertretern ab, dann stehen im Berner Grossen Rat 76 Empfänger eines staatlichen Lohnes 68 Lohnempfänger aus der Privatwirtschaft gegenüber.

„Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“. Hütchenspieler von Bergen? Kreative Buchhaltung? Whatever. Übrigens: In der kleinräumigen Schweiz steht zu befürchten, dass wohl fast jeder irgendwie vom Steuerfranken profitiert …

Kritikpunkt 2: Von der Theorie zur Praxis

Dass der gewachsene Anteil von Staatsvertretern auch eine staatsfreundlichen Finanzpolitik zur Folge hatte, ist Sterchi nicht aufgefallen.

Sterchi arbeitet bei einer Treuhand- und Revisionsfirma und war 12 Jahre lang für die SVP im Gemeindeparlament von Langenthal. Mir ist nicht ganz klar, wieso von Bergen nicht einen bernischen Grossrat interviewt? Wie dem auch sei: Es beruhigt, dass selbst ein SVPler den verlockend klingenden Zusammenhang nicht bestätigen will.

Kritikpunkt 3: Ratschläge in den Wind schlagen

Um sichere Schlüsse zu ziehen, sagt [der Politologe] Fivaz, müsse man das Stimmverhalten der Politiker in Finanzfragen untersuchen.

Was macht von Bergen? Richtig, da diese Analyse mangels Ressourcen nicht machbar ist (und der Aufwand für einen solchen Artikel definitiv zu hoch wäre), greift man halt auf Smartvote zurück.

Problem: Während auf Smartvote Politiker ihr eigenes „Image“ mittels eines Fragebogen wählergerecht formen (negativ ausgedrückt: „zusammenzimmern“), ist eigentlich nur entscheidend, ob man bei einem Grossratsgeschäft schlussendlich ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ drückt. Dieses Abstimmungsverhalten ist die einzig wissenschaftlich brauchbare Kenngrösse, mit der Aussagen über die „Staatsfreundlichkeit“ eines Politikers gemacht werden sollten.

Fivaz hat ihm das ja auch noch ausdrücklich gesagt:

Bei konkreten Sachthemen aber, sagt Fivaz, votierten die gleichen Politiker ja nach ihrer Parteicouler mal für, mal gegen Staatsausgaben.

Bei Sachabstimmungen wird der grösste Sparer manchmal zum Geldverteiler par excellence!

Marktversagen?

Gestern noch habe ich gegen die Ökonomen und die Abkehr vom Homo oeconomicus gewettert, nun greife ich selber gerne wieder auf das Modell des freien Marktes zurück.

Zuerst einmal kann man festhalten, dass die Kantonspolitik (grundsätzlich) jedem Kantonsbürger offen steht, der das Stimmrechtsalter erreicht hat. Selbstverständlich ist es aber in der Praxis nicht so einfach: Am Besten schliesst man sich einer Grossrats-Partei, weist genügend Erfahrung im Politbetrieb auf, verfügt über ein gewisses (privates, berufliches und politisches) Netzwerk, das einem Wählerstimmen garantiert. Ein paar Franken in der Wahlkampfkasse wären natürlich auch nicht schlecht.

  • Angebot

    [Koller] verweist auf den Hauptgrund für die verzerrte Repräsentation der Berufe in der Politik. Die Abkömmlichkeit und Verfügbarkeit. Selbständige und Staatsangestellte können sich den zeitlichen Aufwand und die eher tiefe Entschädigung am ehesten leisten.

    Stellen wir also lieber Profis aus der Privatwirtschaft an, die die Steuern enorm senken, gleichzeitig aber doppelt so hohe Entschädigungen einfordern. Was können Staatsangestellte dafür, wenn sich Leute aus der Privatwirtschaft zu schade sind, in der Politik mitzumischen?! Stimmen nur 40% der Stimmbürger ab, kräht auch kein Hahn. Es heisst dann „Sie sind mit dem einverstanden, was die aktiven Stimmbürger entscheiden.“ Dasselbe gilt auch für die Privaten: Nicht mitmachen, aber danach motzen – das gehört verboten! Natürlich kann man argumentieren, dass der Kanton der Politisiererei seiner Angestellten ein Ende setzen sollte. Fraglich ist nur, ob Leute aus der Privatwirtschaft dann über Nacht plötzlich enormes Interesse an den freigewordenen Parlamentssitzen entwickeln werden. Wer kommt also als Ersatz ins Parlament? Laien, die nach ein paar Jahren im Rat ebenfalls zwangsläufig zu Steuerräubern umkonvertiert wurden? Dann beginnt das Spiel wieder von vorne – und die BZ kann wieder einen entsprechenden Artikel bringen.

  • Nachfrage Bürger haben die freie Wahl, welche Liste sie in die Urne werfen wollen. Besteht in der Mehrheit der Bevölkerung akuter Bedarf nach Steuersenkungen, würde sich diese Mehrheit bei den Wahlen auch im Parlament widerspiegeln. Wenn von Bergen über zu hohe Steuern wettert, zollt er der Volksmeinung keinen Respekt (ich töne ja schon fast wie ein SVP-Politiker …). Die Demokratie ist ein selbstregulierendes System, es besteht also kein Bedarf, dass Journalisten ihre persönliche Agenda durchsetzen.

Quoten müssen her!

Folge ich der Logik von Stefan von Bergen, müssten also schon bald Quoten eingeführt werden: Im Kanton Bern beträgt der Anteil der Bauern an der Bevölkerung X Prozent, also dürfen diese X Prozent an Sitzen im Grossen Rat innehaben.

Wie auch bei Frauenquoten, die oft auch von Seiten der Steuersenkern bekämpft werden, gibt es aber triftige Argumente dagegen: Ich will keine Quotenfüller, ich will fähige Leute in der Politik. (Abgesehen davon, dass man wohl den einen oder anderen Vertreter zwangsrekrutieren müsste, wenn sich zu wenig Personen einer bestimmten Repräsentanten-Gruppe zur Wahl stellen).

Ein einig Volk von Steuermasochisten?

(Oder: Gäbe es vielleicht noch andere Faktoren, die die Steuerlast eines Kantons beeinflussen?)

Deshalb: Das demokratisch gewählte Parlament widerspiegelt des Volkes Willen. Claude Longchamp bestätigt dies:

Wenn die Berner mehr Steuern zahlen als andere, tun sie das nicht einfach gegen ihre eigenen Interessen, sie haben eine andere Steuermentalität als Zürcher.

Die Steuerlast wurde uns nicht von pöhsen, pöhsen Politikern aufdoktriert – wir Berner haben wohl einfach eine Veranlagung dazu, gerne etwas mehr zu zahlen als der Rest der Schweiz. Solange die Leistung stimmt, kann ich damit leben. „Nume ruhig!“. Dies ist wohl mit ein Grund, weshalb im Kanton Bern weniger Leute an einem Herzinfarkt sterben als im gestressten Zürich. (Wieder so eine These, die es zu überprüfen gälte).

Dazu fällt mir gerade eine Anekdote ein: Ein Bekannter von mir, UBS-Banker, der seine Schulzeit in Bern verbracht hat, eine gute Gymnasialbildung im Kirchenfeld durchlief und danach in Fribourg seinen Juristen abverdiente, wetterte letzthin über die Rot-Grüne Regierung, die wir in Bern hätten. So sind sie eben, diese Wahl-Zürcher. Und ehe man es sich versieht, hauen sie ab mit Sack und Pack nach Obwalden. Sollen doch die dämlichen Gross-Kantone für die Schulen, Gymnasien und Universitäten zahlen …

Tipp: In den VAE zahlt man gar keine Steuern. Komisch, dass all die eidgenössischen Steuer-Jammeris noch nicht dorthin ausgewandert sind? Deren Logik folgend sind tiefe Steuern alles, was ein Schweizer zu einem glücklichen Leben braucht … So einfach wird es wohl doch nicht sein.

Die neue Linke

Natürlich findet sich im Text nicht nur Schmarren. Folgender Aussage pflichte ich bei:

Die mächtigste Staatsfraktion ist in allen Kantonsparlamenten die SP, die praktisch nur Empfänger von staatlichem Geld in die Politik delegiert.

Schaue ich mich in meiner örtlichen Sektion um, finde ich kaum mehr einen Büetzer alter Schule (Industriearbeiter), der momentan in der Dorfpolitik aktiv ist. Ist das so schlimm? Ich finde: Nein. Angehörige anderer Parteien mögen uns daraus einen Strick drehen – doch nur weil wir andere Berufe ausüben als die „Gründerväter“ der Partei im 19. Jahrhundert, die Internationale weder auswendig noch singen können, müssen wir nun wirklich nicht aus der Partei austreten. Wo sollten wir auch hin?

Denn: Öffnet man diesen eingeengten Blickwinkel etwas und betrachtet die Eltern der SP-Politiker, findet man oftmals die verschollen geglaubten Büetzer wieder (so jedenfalls meine These). Unsere „Legitimation“ ist es folglich, in einem Büetzer-Haushalt aufgewachsen zu sein. Wir leben das Gedankengut weiter, das wir von unseren Eltern mitgegeben erhalten haben, ohne uns aber dem Wandel der Zeit zu verschliessen. Viele von uns mögen zwar nicht mehr einer Gewerkschaft angehören, vielen dort gelebten Werten leisten wir immer noch Folge. Nicht zuletzt dank der politischen Vorarbeit und Schufterei unserer Eltern war es uns möglich, Gesellschaftlich aufzusteigen; in den Gymer zu gehen und zu studieren. Hätten Sozialdemokraten im 20. Jahrhundert nicht dafür gekämpft, stünden wir heute nicht hier.

Labels: Medien, Politik

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