Russland blockt Schweizer Schutzmandat ab: «Das ist ein Hinweis auf den Bedeutungsverlust der Neutralität»
Das Aussendepartement kann die Interessen der Ukraine in Moskau nicht wahrnehmen, weil Russland die Neutralität der Schweiz bestreitet. Zu den Folgen des Njet für die künftige Rolle der Schweiz gibt es allerdings unterschiedliche Interpretationen.
Nein, es ist kein „Bedeutungsverlust“ der Neutralität.
Der Begriff „Bedeutungsverlust“ will uns weis machen, dass es sich eine zwangsläufige Entwicklung der Geschichte handelt, welche wir über uns ergehen lassen müssen. „Es kam einfach über uns, und wir konnten nichts dagegen machen, wehrlos, wie wir waren!“
Dabei haben gewisse Kreise den „Verlust“ selber aktiv herbeigeführt! Die Schweiz hat unter dem vermutlich schlechtesten Aussenminister und Gesamtbundesrat seiner Geschichte ihre Neutralität über Nacht abgewrackt. Das ist das Problem!
Unser Land ist schlicht und ergreifend nicht mehr neutral, weil die Jahrhunderte alte Prinzipien der Schweizerischen Neutralität aktiv sabotiert werden.
Natürlich können wir uns weiterhin einreden, dass wir noch neutral sind. Am Besten noch mit einem vorangestellten, sinnbefreienden Adjektiv, wie „kooperative Neutralität“, „wertbasierte Neutralität“, „differenzierte Neutralität“, „situative Neutralität“ oder „adaptive Neutralität“.
Das wäre dann in etwa so treffend wie der Begriff „jungfräulich schwanger“, was es in der Geschichte der Menschheit gemäss handschriftlichen Überlieferungen aus dem Nahen Osten circa ein einziges Mal gegeben haben soll.
Die NZZ könnte analog auch vom „Bedeutungsverlust der Kernkraft“ schreiben — um so schön verklausuliert bekannt zu geben, dass es wir (resp. die Mehrheit des Stimmvolches) waren, die bewusst keine Atomkraft mehr wollen, obwohl aus technischer Sicht absolut nichts dagegen spricht, neue Kernkraftwerke zu bauen und zu betreiben.
Am Ende des Tages kommt es halt weniger drauf an, was wir (und: Ignazio) denken, sondern wie uns das Ausland wahrnimmt.
Was Russland von unserer „Neutralität“ hält wissen wir spätestens jetzt.
Wir haben uns mit Politikeraktionen à la Ignazios „Dear Wolodomir“ auf dem Bundesplatz, TikTok-Irènes Selfie-Trip nach Kiev und der „Friedenskonferenz“ in Lugano mit nur einer Kriegspartei auf dem Schachbrett sauber und für alle klar erkennbar auf einer Seite positioniert. Der „autonome“ Nachvollzug der Sanktionen des Westens ist da nur noch ein Tropfen auf den heissen Stein.
Nachtrag
Klaus J. Stöhlker schlägt drüben bei Inside Paradeplatz in dieselbe Kerbe. Stöhlkers Artikel erschien vor meinem, ich habe ihn aber erst nach der Publikation dieses Blog-Posts hier gelesen. Mir scheint, als kämen wir zu denselben Schlüssen.