Sonntag, 19. Juni 2005, 12:22 Uhr

Die FDP Neuenegg lebt!

Nach langer Ungewissheit gab es in der aktuellen Ausgabe der Neuenegger Zeitung wieder ein Lebenszeichen der „dritten (politischen) Kraft“ in Neuenegg (naja, Kraft mag etwas übertrieben sein – Wählerstärke 2004: 12%). Die FDP hat die jeder Partei zustehende A4-Seite in der Ausgabe des Informationsblattes der Gemeinde ausgenutzt, um etwas auf das Papier zu bringen. Nachfolgend eine kurze Inhaltsanalyse – an einem sonnig-warmen Sonntag, eine Woche vor den Semesterprüfungen, hat man ja als Student nicht wirklich Wichtigeres zu tun:

Titel

Bereits im Titel lässt man es so richtig krachen

Die SVP dominiert – die SP opponiert!

Als Mitglied einer der angesprochenen Parteien fokussiert man ja vorerst auf denjenigen Teil des Satzes, der sich mit einem selber beschäftigt, nach einigen reiflichen Überlegungen merkt mann dann aber, dass auch der SVP Kritik entgegenschwingt: dominiert ist ja nicht unbedingt ein sehr positiv gefärbtes Wort. Die FDP ist also auch (schon?) der Meinung, dass die jahrzehntelange Dominanz der „grossen Partei“ nicht nur immer das Beste für die Gemeinde als ganzes darstellt.

Abgesehen davon halte ich Opposition dagegen per se überhaupt nicht für schlecht, wie ich auch gerade aus den Unterlagen zu einer Vorlesung, Medienpolitik bei Trappel, entnehmen kann. Erst Konkurrenz (und zwar durch Andersartigkeit, nicht durch Kopie) belebt das Geschäft und führt zu besseren Lösungen.

Weiter erinnere ich mich, dass die sog. „kooperativer Föderalismus“ sicherlich auch hier in Neuenegg zum Zuge kommt. In einem Artikel zur Vorlesung zwar auf Deutschland (SPD und CDU/CSU) bezogen, zeigt es doch auf, dass eben auch Parteien (und andere Gruppierungen) mit geringen und insbesondere unbedeutenden Wählerstärken genügend Aufmerksamkeit erhalten.

Und wo bitte sind die Lösungen?

Ich weiss nicht, wie lange die FDP (und die andere, ungenannt bleibende Mitte-Partei) so einen Hype um diese Lösungs-Formel machen – wohl seitdem dass die beiden zu einer auf den ersten Blick vernachlässigbaren Kraft geworden sind. Irgendwie muss man sich die Existenzgrundlage ja noch herbeireden … Ich weiss aber wirklich nicht recht, ob die Neuenegger FDP denn auch wirklich Lösungen in Petto hat. Ihre Leistungsbilanz ist IMHO doch gar etwas durchzogen. Geschadet hat ihr sicherlich, dass sie sich zu Lange – wie auf dem nationalen Parkett – als Schosshündchen der SVP profiliert hat. So kann man ja kaum Wähler dazugewinnen! Die FDP muss sich meiner Meinung nach wieder mehr als Vernunftspartei, als Partei der Pragmatiker hervortun und sich klar von diesen Polterern abgrenzen. Dazu gehört auch, nicht dem Herrchen nachzurennen, sondern eine eigenständige Haltung einzunehmen und zur „unberechenbaren“ Kraft (im positiven Sinne) zu werden. Unabhängig von der SVP, unabhängig von der SP, das Ziel vor Augen. Erwartungsgemäss werden die Zielvorstellungen in der Mehrheit der Fälle eher auf Linie der SP liegen als auf Linie der SVP … oder etwa doch nicht?

Doch: Die FDP Neunenegg wird bei dem Vorhaben wohl aber bereits an ihrer Mitgliederzahl scheitern … zu alt und zu wenige sinds.

Ironisch würde ich also eher auf folgenden Untertitel plädieren:

Und wo bitte bleibt eigentlich die FDP?

Danach folgt kurz das Vierpunkte-Programm:

Eine vernünftige Finanz-, Steuer- und Gebührenpolitik

Ohne die Leitmotive genau zu kenne würde ich das übersetzen: Aufwand weiterhin stark minimieren, wo’s nur geht, Steuern runter – und alles wird gut. Denn Steuern sind das grösste Übel unserer Zeit. Komisch nur, dass es den Skandinaviern trotz viel höherer Steuerbelastung so gut geht … Ich jedenfalls zahle in Neuenegg gerne „mehr“ Steuern, wenn ich dafür auch entsprechende Mehrleistung erhalte.

Eine Weiterentwicklung der Gemeinde im Rahmen der Ortsplanung

Soweit für mich verständlich heisst das: Wohnraum vergrössern, Zuzüger anlocken. Einziges Problem: Die Infrastrukturkosten könnten fatalerweise stark steigen, wenn man nicht aufpasst, wie viele Personen die Gemeinde mit der bestehenden Infrastruktur noch verträgt. Es ist mittlerweile eine Binsenweisheit, dass Neuzuzüger Steuern bringen. Zuallererst einmal bringen sie Kosten mit sich. Solange die Infrastruktur (Kanalisation u.ä.) mit den jetzigen Einwohnern noch nicht ausgelastet ist, stellen sich keine grösseren Probleme. Ist die Maximalauslastung aber erst einmal erreicht, steigt der Aufwand der Gemeinde immens, weil sie Strassen, Kanalisationen, Strom, Schule usw. usf. zuerst ausbauen muss. Da können die neuen Anwohner noch lange Steuern zahlen … auf eine schwarze Null bringt man es dann wenn überhaupt längerfristig. Ich bin mir sicher, dass die FDP-Strategen diese Zusammenhänge nicht nur vom Hörensagen kennen und ein „nachhaltiges Wachstum“ propagieren werden.

Schule mit Blockzeiten, Mittagstisch, Kindertagesstätte

Wunderbar! Nehmen wir sie dabei beim Wort – die SP Neuenegg wie auch die FDP Neuenegg scheinen sich als moderne Parteien zu verstehen und erkennen, wo die Hindernisse der Zukunft liegen. Die FDP wird sicherlich genug Gegensteuer geben, um eine möglichst kostenneutrale Lösung auszuarbeiten. Die SVP dagegen, ja die SVP, nun … (SVP-)Familien bestehen doch aus dem erwerbstätigen Vater, einer Hausfrau und zwei Kindern – für was also Tagesschulen?!

Exkurs: Ist das auf der SVP Schweiz-Homepage anzutreffende Ehepaar wirklich das Idealbild der Partei? So jung, dynamisch, erfolgreich? Vor allem: Glücklich? SVP-Mitglieder sind mir eher als stetig schlecht gelaunt bekannt, die sich benachteiligt, hintergangen fühlen, von Neid erfüllt, dass der Nachbar „mehr“ (von was auch immer) hat als sie selber. Die Mutter sieht mir weiter nicht wie eine typische Hausfrau aus, die sich aufopfernd um das Wohlergehen ihres Ernährers und des Nachwuchses kümmert. Wählen die abgebildeten Leute wirklich SVP?! Immerhin: Wahrscheinlich bringen die vier Äpfel ohne scheinbaren Zweck das letzte Düftchen Landwirtschaft in die Konstellation hinein – schliesslich war die SVP ja mal die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei).

Senseausweitung („Flussbad“)

Das Grossprojekt der nächsten Jahre! Ich bin ja gespannt, was da schlussendlich rauskommen soll. Offiziell ist noch nichts, aber die SVP Neuenegg und die FDP Neuenegg haben vor (so habe ich es jedenfalls vernommen), beim Viehschauplatz die Sense auszuweiten. Ziel soll es werden, die Strömung zu brechen und ein für alle Altersgruppen ungefährliches Bad zu errichten … Schön und gut, aber:

  • Wer braucht das?
    Die Sense ist auch so schon gut besucht. Mit Kleinkinder wird man wohl eher die Laupen-Badi avisieren – Kinderpool, Aufsicht, Toiletten, Restaurant. Gemäss einer weiteren Munkelei geht es aber genau darum, die Zahlungen an die Laupen-Badi einzustellen. Anstelle der Kooperation fällt man wieder zurück auf das Gärtchendenken – wieso zusammenspannen, wenn man es alleine viel besser kann? In der heutigen Zeit kann das nun ja wirklich nicht mehr die Lösung unserer Probleme sein. Gemeinsam statt einsam! Dann fordere ich aber auch bei uns an der Striten entsprechende bauliche Massnahmen, aber garantiert. Und Thörishaus hätte sicherlich auch noch die eine oder andere Vorstellungen, wo man die Sensebadi errichten könnte. Oder ist es schlussendlich nur Wahltaktik, mit Blick auf die Wahlen 2008?
  • Was kostet das?
    Abgesehen vom Mehrwert/Nutzen einer Sensebadi darf man nicht die auch für unserer Gemeindeversammlung entscheidende Frage unter den Tisch kehren. Ich glaube nicht, dass man hier von vier oder fünfstelligen Beträgen spricht. Und somit ist das Projekt gestorben – jedenfalls, wenn solche Kostenmonster von unserer Seite herkämen. Ich bin gespannt, ob es durch die Unterstützung der „grossen Partei“ und der „ganz kleinen Partei“ eine diametral entgegengesetzte Finanzpolitik geben wird? Dann aber nur mit Steuererhöhung … *grins*

… Die FDP wird sich diesen Diskussionen stellen und gute Lösungen anbieten. Kompromissfähigkeit ist nicht ein Zeichen der Schwäche, wie das von einigen dargestellt wird, sondern ein Zeichen der Stärke.

Charakterisierend für die Mitteparteien der Schweiz im 21. Jahrhundert … die Vorwürfe erreichen also nach dem nationalem Parkett auch die kommunale Ebene. Aber recht haben sie – Kompromissfähigkeit wäre zu wünschen. Wenn die Kompromisse aber immer nur für eine der beiden Pole ausfallen würden (ich sage nicht, dass es so sei – ich habe nämlich keine Übersicht über die Entscheidfindung der letzten Jahre), müsste man sich schon fragen, was denn genau jetzt Kompromissfähigkeit ist. Kompromissfähigkeit bedeutet, dass beide aufeinander zukommen, nicht immer nur eine Seite aufgrund des übermächtigen Druckes der anderen Seite Zugeständnisse von sich geben muss.

Sind wir also gespannt, ob die FDP Neuenegg ihre Wiedergeburt in die Wege leiten kann …

Labels: Neuenegg, Politik

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