Freitag, 10. März 2006, 11:29 Uhr

Gangsta-Jugend

Auch die schweizerische Jugend nutzt das Internet immer intensiver und ergreift die vielfältigen Möglichkeiten, sich im World Wide Web anderen Leuten zu präsentieren. Präsentieren ist das richtige Wort dafür – Image ist alles. Insbesondere gerade Mitglieder der Generation Hip-Hop (wie konnten wir es nur dazu kommen lassen?) haben sich in mühseliger Arbeit ein individuelles Selbstbildnis gezimmert. Komisch nur, dass alle dasselbe anziehen, sagen und hören.

Erst kürzlich habe ich ja einige bildnerische Trouvaillen von Partyguide-Benutzern präsentiert. Lange vor mir kamen aber bereits andere Blogonauten, die sich dem Thema angenommen haben! Schön, dass die heutigen Tendenzen nicht nur mich stören.

Ist euch schon aufgefallen, wie viel junge Teenager sich sehr provokativ und sexistisch präsentieren? Wenn deren Eltern davon wüssten, wären sie alles andere als begeistert. […] Nicht zu vergessen sind diese unleserlichen Texte mit diesen Slangs und Schreibweisen der Jugendliche.

Quelle: Ich hasse Meinbild.ch

125 Kommentare – soviele Antworten habe ich noch nie auf einen Blog-Artikel eintrudeln sehen. Die Lektüre dieser ist langwierig, aber spannend:

Nein, die Seite meinbild.ch ist mal wieder eines dieser tollen Beispiele, das Zeigt für was unsere Jugend auch fähig sein kann. Ein solches Beispiel nimmt einem manchmal ganz arg den Wind aus den Segeln, wenn man für einen starke Jugend einstehen möchte.

Gerade deswegen weil sich zeigt auf welch niedrigem Niveau sich unsere Jugend inzwischen bewegt. Denn wenn ich mich mal schlecht fühle, mit mir selbst mal wieder nicht zufrieden bin und ich mich selbst frage, ob ich wohl nicht ganz normal bin, dann mus ich nur die Website meinbild.ch besuchen und ich merke wieder, wie froh ich eigentlich sein kann, nicht zum Durchschnitts-Niveau zu gehören.

wered all so konservativ wie ihr, würdemer no i höle wohne und mitere kühle um fraue werbe!!!! all redet vonere verblödig und nivolosiket.. ich sege aber es isch es anders nivo vo eus junge, es revoluzioners*g* mi hend hald kei ziit und lust me uf die ganz rechtschribe schei****e, üses ziel isch sich zverstendige underenand, obs jetz en gangsa- skater- sprayer- kifferslang isch, spielt kei rolle.. klar, die 14 jährige halb nakte meitli findi au nöd grad guät, vorallem mit all dene pedos wos inzwüsche git..

[Antwort an den Revoluzzer] Revolution? Dass ich nicht lache. Eine Revolution der Verblödung? Da sieht man’s mal wieder, wieviele der jungen Leute dumm sind und auch dumm bleiben. Nur weil 50% und mehr (Messlatte: meinbild.ch) der Youngsters nicht mehr richtig Deutsch sprechen plus schreiben, sollen sich die Intellektuellen deren anpassen? Nicht mit mir! Mir scheint, als müsste man inzwischen weniger von einer “Verblödungsrevolution” sprechen als von einer Intellektualrevolution.

[…] und diese slangs, das ist einfach das, was wir heutzutage benutzen. es sieht einfach cooler aus, wenn man einen slang benutzt.

ich sege eigentlich nix übner anderi lüt aber die chline 11 jöhrigi wo halb nackt im meinbild sind isch scho chli danebet

übrigens: ja ich finde dass ich inteligent [sic!] bin danke:D

mein gott ir scheiss tye sind so beschisse demlich ey, ir labered was vo verblodig vo de menschheit, aber ir sind scho lang verblodet, raffed ers ned?

[CUT]

Und es geht ewigs so weiter – anscheinend lesen die Teenies auch Blogs? Und sie kommentieren auch und verteidigen ihr Revier. Wow :-)

In der Blogosphäre wurden Morphis Worte in weiteren Artikeln verarbeitet:

Normale Entwicklung?

Trotzdem:

Meinbild.ch zeigt also auf, auf welchem ach so tiefen Niveau unsere Jugend, ich inbegriffen, heutzutage steht. Ich kann dem absolut nicht beipflichten. Wir haben unsere eigene Sprache, voll von Anglizismen, schwiizerdütsche Wörtlis, und “Insider”- Ausdrücken. Aber ist das wirklich so schlimm? Schliesslich hat jede Generation irgendwie ihre eigene Umgangssprache, sie ist sogar notwendig um sich von anderen Gruppen abzugrenzen.

Guter Punkt. Die alte Generation steht der nachfolgenden immer skeptisch gegenüber, wobei wir in diesem Fall ja nicht vom Konflikt zwischen Eltern und ihren Kindern, sondern zwischen Teenagern (14 bis 18?) und jungen Erwachsenen (18+) reden.

Dass die Sprache dauernd im Fluss ist, zeigt die Forschung ja klar auf. Damit muss man sich abfinden. Obwohl ich finde, dass gepflegtes Deutsch im späteren Berufsleben wichtig ist (oder wollen Meinbildler solche Jobs gar nicht?), darf man die Jungen nicht dauernd daran aufhängen. Die Slanger müssen sich einzig bewusst sein, dass sie (noch?) nicht die Regeln machen. Und solange man die Regeln nicht macht, sollte man sich anpassen. Oder auswandern und einen Freistaat gründen.

Was mich aber stört ist die ganze Hip-Hop-Kultur, inspiriert durch das US-amerikanische Gangstertum. Das Bild, das durch all die Hip-Hop-Clips aus den Staaten in unsere Wohnzimmer flimmern, ist bedenklich. Viel zu viele Junge orientieren sich am Gangstertum und fühlen sich als Reinkarnation der Ghetto-Boys. Sie handeln leider auch immer wie mehr danach. Das ist das wahre Problem. Und diese Tendenzen beunruhigen mich, weil die Pimps und Gangstas noch nicht aufgezeigt haben, wie man das von ihnen vorgelebte Leben wirklich bestreitet (Wie fährt man eine schicke Karosse? Wie hat man dauernd drei Bitches um sich herum? Wie kommt man zum täglichen Brot?).

Kommas einsetzen

Zum Schluss noch einer dieser „Kommas, mir doch egal“-Ergüsse:

Sali zämmä ich finde das mega übertriebe vu verblödig vu dä jugend zredä sorry hey äs wird immer meh verlangt vu dä jugendliche egal i wellere richtig d’asprüch werdet immer extremer und respekt das viel jugendlichi dem gwachse sind und jetzt zu denä slangs dsproch isch lebendig und entwicklet sich und so slangs sind eini vu villne grundlage das sich eusi sproch witerentwicklet ob zum guete oder schlechte naja das isch gschmacksach und no so vuwägä kritik jo kritik isch an und für sich okay solang si konstruktiv isch aber i hacket jo nume druff umä naja so erreicht mir jugendliche äs ziel diä “allzugschiede” hässig mache also sorry würd zerscht mol luege wiä mers besser cha mache und ned verabscheue bye bye s’hansli

Erinnert mich an meinen Artikel Rechtschreibung und Stil in deutschen Blogs. Diesen Text könnte übrigens der/die Suchende benutzen, wo [sic!] mit der Suchanfrage "Text wo die Kommas noch nicht eingesetzt sind." auf mein Blog gekommen ist *grins*

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