Archiv ‘Politik’

Dienstag, 4. Dezember 2007

Christoph Blocher

Im Magazin vom letzten Samstag ist eine ausführliche Reportage über Christoph Blocher erschienen. Der Text ist äusserst lesenswert – auch wenn man, wie ich, mit dem Politiker und seiner Weltanschauung wenig anfangen kann: Eine grosse Persönlichkeit ist dieser Mensch sondergleichen.

Einige Textpassagen, die Erwähnung verdienen:

Er selbst plant, das Jahr 2008 zum «Jahr der Durchsetzung» der Gesetze zu machen. Und vielleicht gar ein paar davon wieder abzuschaffen, wenn sie nurmehr toter Buchstabe sind.

Aber die «vier Zukunftsprojekte der FDP»? Kennt noch heute kein Mensch. Stattdessen verabschiedete sich der Freisinn mit seinen «Hop Sviz»-Plakaten nach Absurdistan.

Seit einem halben Jahr ruft er seine Partei auf, «sich um die Schule zu kümmern». Regelmässig melden sich Lehrerinnen und Lehrer bei ihm – «gar keine SVPler» –, die ihm erklären, dass es so nicht weitergehen könne. Blocher fordert nichts weniger als eine «konservative Wende in der Pädagogik» […]

[…] Anspruch des Anti-68ers Blocher, das Rad in der Pädagogik – und in den Elternhäusern – um vierzig Jahre zurückzudrehen. Es wird längst nicht reichen, wenn stramme SVP-Schulräte die Budgets zusammenstreichen. Dieser Partei fehlen zwei Generationen von pädagogischen Praktikern. Unter der Schweizer Lehrerschaft sind so wenig SVP-Anhänger zu finden wie unter den Journalisten.

Quelle: KENNE DEINEN GEGNER!

Unternehmer

Der Unternehmer Blocher – Motto: Vom Pfarrerssohn, gelernten Landwirt über das Jura-Studium zum Milliardär – geniesst auch bei mir grosses Ansehen:

Bodenmann verteilte damals an den Fabriktoren in Ems Flugblätter gegen den «Lohndrücker Blocher». Der «Rattenfänger der kleinen Leute» sollte endlich als Milliardär, als Schlossbesitzer, als «riiche Siech» vorgeführt werden. Vergebens. «Zum Glück bin ich en riiche Cheib. Es gibt ja nichts Traurigeres als einen armen Unternehmer», war sein entwaffnender Standardspruch.

Gelobt wird selten, wenn kritisiert wird, dann scharf.

[Online-Kommentar] Am häufigsten waren Treffen mit Blocher zum Marketingkonzept und Dreijahresplan. Zwei Punkte waren ihm bei der Erarbeitung dieser Dokumente immer besonders wichtig. Erstens musste das Hauptproblem, mit dem sich der Unternehmensbereich in den nächsten drei Jahren konfrontiert sah, sauber herausgearbeitet werden. Ein Auswahlpalette von Problemen wurde nicht akzeptiert. Konzentration der Ziele wie der Mittel waren Blocher immer sehr wichtig. Damit die Strategie, im Jargon „Marschrichtung“, gut kommunizierbar war, musste sie klar und prägnant formuliert werden. Auch vor radikalen Zielen wie Massnahmen schreckte Blocher nicht zurück.

Vater

Im gleichnamigen Buch […] erzählt Vater Blocher, wie sein Sohn Markus eines Nachts zu Fuss die 15 Kilometer von Zürich nach Hause musste, weil er den Mitternachtszug verpasst und sich somit nicht an die Regeln gehalten hatte. «Durch Konsequenzen lernt man Regeln befolgen», sagt der Vater. («Meine Frau fand die Strafe allerdings etwas sehr hart.»)

Ich hätte meinen (imaginären) Sohn in so einer Situation auch gerne 15 Kilometer nach Hause wandern sehen, hätte es aber dann doch vorgezogen, wenn dieser gerade zum Trotz die Nacht in Zürich durchzechen gegangen wäre …

Die vier Blocher-Kinder, liest man weiter, hatten auch nie ein eigenes Auto, bis sie selber eins kaufen konnten. «Nicht Geiz war das Motiv, sondern die Erziehung zur Selbstverantwortung.»

Hmmm, da war sogar ich ein Mü verwöhnter …

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Montag, 3. Dezember 2007

Langfinger unter sich

„Don’t steal, the government hates competition!“

Quelle: Paul Right To Vote Against Rosa Parks Medal

Dieses Zitat enthält einen doppelten Sinn: a) der Staat „stiehlt“ seinen Steuerzahlern das Geld aus dem Sack, b) er hasst Konkurrenz, was meiner Meinung nach auch einen Hinweis auf die freie Marktwirtschaft sein soll …

Der ist auch ganz gut:

The Congressional Gold Medal is made of solid gold, and in every instance it is awarded, it can cost taxpayers upwards of $30,000. […]

Paul also lamented the „supreme irony“ of awarding a Buddhist leader with such a costly material gift when Buddhism eschews worldly possessions in favor of spiritual wealth.

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Donnerstag, 29. November 2007

Inflation in der Praxis

[…] it means that the Dow Jones Industrial Average — even at its recent high of 14,000 — buys you 21% less than it did when it hit 11,722 in January 2000!

And when measured against tangible assets like gold and oil, the Dow purchases even less — almost 70% less than it did seven years ago.

Quelle: US Economy in Serious Trouble Whilst Asia Booms – What it Means For Your Portfolio

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Mittwoch, 28. November 2007

Wenn die SVP um die Beibehaltung von neun Gemeinderatssitzen kämpft ..


Aula SKZ Neuenegg
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… hört man Aussagen wie:

  • „Nur mit neun Sitzen können die einzelnen Regionen der Gemeinde allesamt repräsentiert werden. Thörishaus, Süri, Bramberg, Bärfischenhaus …“ – Der Gemeinderat ist kein Ständerat. In der Exekutive sind fähige Köpfe gefragt, die das Beste für die ganze Gemeinde verfolgen. Sowieso: Was – ausser den aussterbenden Aussenschulen – gibt es in den einzelnen Regionen schon zu verteidigen? Konsequenz: Innerhalb der SVP können die Listenplätze nicht mehr so aalglatt unter den Anwärtern verteilt werden und sind nun hart umkämpft. Schreckensszenario schlechthin: Der Kampf der SVP-Regionen!
  • „Wir haben Angst um den Proporz. Kleine Parteien haben es dann ganz schwer, überhaupt einen Sitz zu ergattern“ und „In Zukunft wird es neue Parteien geben, das ist klar. Es gibt immer wieder neue Ideen.“ – Manchmal sitzt man an einer Gemeinderversammlung und kommt ab dem Gesagten nicht mehr aus dem Staunen heraus. Ich befürchte, der Redner hat bei „kleinen und neuen Parteien“ weniger an die Grünen als viel eher an die Schweizer Jugend gedacht, die am äusserst rechten Rand politisiert. Oder meint er etwa die EVP?
  • „Im schlimmsten Fall setzt sich der Gemeinderat aus zwei Parteien zusammen. Links und Rechts. Ich will das nicht“ sowie „Die dritte Partei, die bisher das Zünglein an der Waage gespielt hat, könnte ganz aus dem Rat verschwinden.“ – Übersetzung: Die Partei, deren Namen mit F beginnt („Juniorpartner“), steht uns im Kampf gegen die Linken nicht mehr stramm beiseite.
  • „Bei Unwettern wie demjenigen von diesem Jahr sind die wenigen Gemeinderäte masslos überlastet“ – Glücklicherweise wies ein anderer Anwesender darauf hin, dass die Ressorts ja bestehen bleiben. Ob es jetzt 10 oder 20 Liter pro Quadratmeter regnet, der Ressortleiter Feuerwehr muss einewäg ausrücken. Ob er diesen Sommer von anderen, nicht direkt betroffenen Ressortleitern unterstützt wurde, ist doch mehr als fraglich.
  • „Man sagt immer, dass es heute schwer ist, Kandidaten zu finden. Ich sage Ihnen, es wird noch viel schwerer, wenn die Aufgabenlast auf weniger Schultern verteilt wird. Diese Aufgabe will dann niemand mehr machen.“ – Richtig. Ist halt alles eine Frage der Belöhnung. Der Markt spielt. Was der Redner übersah: der Vorschlag des Gemeinderates sieht eine Erhöhung der Besoldung eines Gemeinderates auf Total 8’000 SFr. jährlich vor. Der Vize erhält 2’000 SFr. zusätzlich. Und der Gemeindepräsident soll neu für ein Pensum von 20% 35’000 SFr. erhalten. Natürlich sind diese Zahlen vorerst rein als Empfehlung gedacht. Solange der Rat Ende Jahr nicht auch noch 20 Millionen SFr. als Bonus ausbezahlt haben möchte, habe ich kein Problem damit.
  • „Wir müssen uns überlegen, bei der Annahme der Verkleinerung die Amtszeitbeschränkung für Gemeinderäte zu erhöhen.“ – Maximalforderung Gemeinderat auf Lebzeiten? Wennschon, dennschon: Dann führen wir auch noch gleich die Vererbung des Sitzrechts ein. Wie in guten, alten Zeiten.

Schlussendlich nahmen die Anwesenden Stimmbürger die Reduktion von neun auf sieben Gemeinderäte an (84:41 Stimmen). Ironie der Geschichte: Es war die SVP selbst, die seinerzeit die Abklärungen zur Reduktion angestossen hatte. Man munkelt, dass die Partei erst bei intensiven Berechnungen realisiert hat, dass sie bei einer Reduktion auf sieben Sitze das absolute Mehr im Rat äusserst rasch und knapp verlieren könnte. Deshalb der plötzliche Meinungsumschwung.

Erstaunlich auch, dass der Gemeinderat die Reduktion einstimmig beschlossen hatte – und die SVP-Räte an der Gemeindeversammlung vor Publikum plötzlich allesamt vom Mumm verlassen wurden und das Händchen nicht mehr brav hoben … Ob sie sich schlussendlich der Stimme enthielten oder gar dagegen stimmten, ist mir leider nicht überliefert worden.

Eh ja – „hie ds Nöienegg dräie die politische Uhre no chli angers aus bir Classe Politique ds Bärn usse!“.

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Mittwoch, 28. November 2007

Politischer Profit mit Francesca

Im Widerspruch zur Bundespräsidentin meinte Verteidigungsminister Schmid daraufhin, dass er Erklärungen verurteile, «die darauf abzielen aus dieser Affäre politischen Profit zu schlagen». Der Vorsteher des VBS sagte, dass sich die Kritik in diesem Fall nicht gegen die Armeewaffe, sondern gegen die Armee richte.

Quelle: Diskussion um Armeewaffen neu lanciert

Ja und? Wenn in Zürich eine BMW-Fahrende Sozialhilfebezügerin enttarnt wird, sehen auch gleich alle Rechtsbürgerlichen einen Systemfehler, der umgehend behoben werden muss. Im Mordfall hingegen soll es sich gemäss denselben Schreiern um einen Einzelfall handeln, der nicht auf ein Versagen des Systems hindeutet.

Alle Soldaten zur Waffenrückgabe aufzufordern, wäre ein Misstrauensvotum gegenüber der grossen Mehrheit. Diese verdiene es nicht, mit jenen in den gleichen Topf geworfen zu werden, denen man keine Waffe anvertrauen könne.

Man ersetze „Soldaten“ mit „Sozialhilfebezügern“, „Waffenrückgabe“ mit „Verzicht auf Sozialhilfe“, „Waffe“ mit „Steuergeld“ …

Liebe Leute – so funktioniert Politik halt. Probleme erkennen und Lösungen präsentieren. Wie denn sonst möchte Herr Schmid solche Morde verhindern? Wenn er einen besseren Vorschlag hat, bin ich der erste, der ihm zuhört und sich von seinen Argumenten überzeugen lässt.

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Dienstag, 27. November 2007

Mitte-Links

Dass der Staat nicht alles richten kann, wissen vor allem die Jungen. Viele waren zeitweise ohne Job und mussten auf bittere Weise lernen, sich im Markt zu bewähren. Die heutige Generation der 20- bis 40-Jährigen ist eigenverantwortlich und leistungsorientiert. Diese Generation will weiterkommen und sich Wohlstand erarbeiten. Dennoch stehen viele ein für die Schwächeren und für die Umwelt, aber sie wissen, dass der soziale Ausgleich nur auf dem heutigen Niveau gehalten werden kann, wenn sich das Land einer wettbewerbs- und wirtschaftsfreundlichen Politik verschreibt. Mit den Gewerkschaftsfundis aber haben sie kaum mehr was am Hut, auch nicht mit einer Parteispitze, die noch im 68er-Mief verharrt.

Quelle: SonntagsZeitung, 28. Oktober 2007, „Neue Signale setzen“, S. 67.

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Montag, 26. November 2007

Schreckgespenste UBS und Uefa

Leser meines Blogs wissen, dass ich wohl so ein Prototyp dieser Winterthurer-Neinsager bin:

«Die Leute freuen sich zwar auf die EM, doch sie sehen nicht ein, warum die Stadt ein Projekt unterstützen soll, hinter dem Milliardenunternehmen wie die UBS und die Uefa stehen.»

Quelle: Winterthur will keine Euro-Arena der UBS

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Montag, 26. November 2007

Kleine Genugtuung am Ende der Wahlen 2007

Bye, bye Ständeratskandidat Ueli Maurer und Ständeratskandidat Toni Brunner. Für einen SPler wie mich ist das heutige Wahlresultat Balsam für die Seele – schliesslich wurde unsere Partei bisher (verdienterweise) nicht verwöhnt.

Da die Zeitungen morgen voll sein werden über die Nichtwahl der beiden SVP-Ikonen, beschränke ich mich auf die Nennung einiger Spitzfindigkeiten:

  • Ich hatte recht! Der Tagi gab Diener zwar nie eine Chance (der Liebling der Tagi-Journalisten war und bleibt SPlerin Gallade), und auch Kollege Zgräsch und Kure sahen letzten Samstag in Zug Ständerat Maurer schon mit triumphierendem Lächeln ins Stöckli einziehen. Dabei ist es doch arithmetisch ganz simpel: Links von der SVP gibt es nun halt einfach mehr Stimmen zu holen.
  • Doris Fiala, Zürcher FDP-Präsidentin, will zurücktreten. Wieso? Die FDP würde lieber ihre Parteibasis auswechseln.
  • Maurer wählen und als Gratisbeigabe den Schlüer doch noch in den Nationalrat katapultieren? Da kriegten selbst FDPler den Bammel. Liebe Freisinnige: Bei einer solchen Drohkulisse darf man ruhig „über den Zaun grasen“.
  • Freisinnige denken … freisinnig. Wäre ja gelacht, wenn die Liberalen stramm nach Parteirichtlinie marschieren würden.
  • Linke bleiben nicht frustriert zu Hause, wenn kein Kandidat der ihrigen mehr zu wählen ist. Sie wägen ab und wählen des kleinere Übel.
  • Die SVP darf wieder in die übliche Opferrolle schlüpfen: „Wir gegen den Rest der Welt!“ – „Mit Fahnen und Trompeten in den Untergang!“
  • Wenn Toni Brunner in vier Jahren gegen nicht-bisherige antreten muss, wird er die Wahl ins Stöckli problemlos schaffen.
  • These: Wahlen nach den Wahlen sind ein gewisses Korrektiv – hat eine grosse Partei zu gut abgeschnitten, werden in den Nachwahlen die Verlierer gestärkt. Typisch Schweizerisch eben: Hauptsache, es gibt keine klaren Gewinner.

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Mittwoch, 21. November 2007

SP-Häuptling


SP-Häuptling II
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Heute Mittwoch durfte ich am regionalen Parteitag der SP Region Bern teilnehmen. Eingeladen war ein prominenter Redner: Der Präsident der SP Schweiz, Hans-Jürg Fehr. In einer ca. 45-minütigen Rede analysierte er die Wahlniederlage vom 21. Oktober 2007 – und betonte vorgängig, dass es sich dabei nur um einen Analyse-Zwischenstand handle.

Obwohl ich hier gleich nach den Parlamentswahlen seinen Rücktritt gefordert habe – eine so fundierte, gut strukturierte und exzellent vorgetragene Analyse hätte wohl kaum ein anderer Genosse hingekriegt.

Stammtisch oder Philosophie Sternstunde?

In der anschliessenden Diskussion wurde von einem Parteimitglied die Frage in die Runde geworfen, wie die SP wieder näher an den Mann kommen könne. Allzusehr hafte der Partei der intellektuelle Touch an, welcher potentielle Wähler abschrecke und so in die Arme der Populisten treibe.

Hier erkannte ich das Dilemma unsere Partei: Gegen innen war und ist Fehr die optimale Besetzung für den Posten des Präsidenten. Denn hier spricht er die meiste Zeit zu „Intellektuellen“ (ob wir das nun hören wollen oder nicht – ist nun mal so, dass in der SP, wie ich sie seit meinem Beitritt von 2004 kenne, kaum noch Büetzer mit dreckigen Händen sitzen).

Und doch wünscht man sich dann, wenn der Präsident eben nicht zu denjenigen Personen spricht, die er längst für sich gewonnen hat, jemanden von einer einfach gestrickteren Natur, mit einem kleineren Wortschatz – aber mit agitatorischen Fähigkeiten. Rein nur der Show willen. So ein urchiger Bodenmann halt.

Baldrian für die Seele

Mein Eindruck nach Fehrs Rede: Die Probleme sind erkannt und dürfen beim Namen genannt werden. Die Worte des Häuptlings liessen keine Zweifel aufkommen und machten Mut – so schlimm steht es noch nicht.

Ein Abschnitt seiner Rede erinnerte mich an meine eigenen Worte, die ich in einem anderen Zusammenhang hier niederschrieb:

Schaue ich mich in meiner örtlichen Sektion um, finde ich kaum mehr einen Büetzer alter Schule (Industriearbeiter), der momentan in der Dorfpolitik aktiv ist. Ist das so schlimm? Ich finde: Nein. Angehörige anderer Parteien mögen uns daraus einen Strick drehen – doch nur weil wir andere Berufe ausüben als die „Gründerväter“ der Partei im 19. Jahrhundert, die Internationale weder auswendig noch singen können, müssen wir nun wirklich nicht aus der Partei austreten. Wo sollten wir auch hin?

Denn: Öffnet man diesen eingeengten Blickwinkel etwas und betrachtet die Eltern der SP-Politiker, findet man oftmals die verschollen geglaubten Büetzer wieder (so jedenfalls meine These). Unsere „Legitimation“ ist es folglich, in einem Büetzer-Haushalt aufgewachsen zu sein. Wir leben das Gedankengut weiter, das wir von unseren Eltern mitgegeben erhalten haben, ohne uns aber dem Wandel der Zeit zu verschliessen. Viele von uns mögen zwar nicht mehr einer Gewerkschaft angehören, vielen dort gelebten Werten leisten wir immer noch Folge. Nicht zuletzt dank der politischen Vorarbeit und Schufterei unserer Eltern war es uns möglich, Gesellschaftlich aufzusteigen; in den Gymer zu gehen und zu studieren. Hätten Sozialdemokraten im 20. Jahrhundert nicht dafür gekämpft, stünden wir heute nicht hier.

Quelle: Hetze gegen Staatsangestellte

Fehr drückte es ähnlich aus: Die Arbeiter hätten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die bürgerliche Gesellschaft integriert und diese von innen heraus umgeformt. Gäbe es beispielsweise das Frauenstimmrecht oder das Partnerschaftsgesetz, wenn es nicht von offenen Geistern aus der SP vorangetrieben worden wäre?

Verdienter Applaus

Der Applaus, der fast in Standing Ovations auszuarten drohte, gab dem Präsidenten die Gewissheit, im parteipolitischen „Mittelstand“ der SP gut verankert zu sein und für seine Arbeit im Wahlkampf honoriert zu werden.

Oder doch zu früh Friede, Freude, Eierkuchen?

Einzig Peter Vollmer liess in seinem Votum durchblicken, dass er noch nicht ganz an die Selbstheilungskräfte der Partei glaubt.

Die Zukunft wird den Weg weisen

Ich bin gespannt, wie das Wahlresultat von 2011 aussehen wird. Mit einer Wirtschaft, die nicht mehr so ganz rund läuft, und krawallfreien Wochen vor den Wahlen sollte die SP problemlos fähig sein, Ränge gutzumachen.

Wichtig: Das nächste Mal erwähnen wir Herrn Blocher mit keinem Sterbenswörtchen – wer weiss, ob die SVP zu diesem Zeitpunkt nicht gar längst in den „Erbfolgekriegen“ stecken wird …

Nachtrag

Am 28. Oktober, eine Woche nach der Wahlniederlage, fuhr Peter Rothenbühler gegen Hans-Jürg Fehr schweres Geschütz auf:

Eine Partei, die einen wie Sie zum Präsidenten macht, ist einfach selber schuld. Womit wirklich nichts nachteiliges über sie gesagt sein soll. Sie sind ja der Inbegriff einer gewissen aufgeschlossenen Hochanständigkeit. Aber einfach kein Parteipräsident. […]

[…] Was sagt man Ihnen nach? Fairness und ausgleichendes Wirken. Das heisst doch so viel wie Langweiligkeit und mangelndes Charisma. […]

Aber eben, in ihrer Partei gibts zu viele Leute, die echt froh sind, dass es in der SP keine überragenden Leadertypen mehr gibt wie einst Helmut Hubacher oder Peter Bodenmann. All jene, die jetzt Ihre Meriten über den grünen Klee loben, wollten doch nie, dass da einer herausragt.

Quelle: SonntagsZeitung, 28. Oktober 2007, „Lieber Hans-Jürg Fehr“, S. 15.

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Mittwoch, 14. November 2007

Widersprüchliche SVP

Dieser Leserbrief im gestrigen Bund war so gut, dass ich ihn hier in seiner Gänze wiedergeben möchte:

Die Versuche einzelner SVP-Exponenten, insbesondere von Nationalrat Mörgeli, Samuel Schmid als «halben» Bundesrat der SVP oder als «dritten» der FDP hinzustellen, bieten Anlass zum Nachdenken. Es stellt sich die Frage, welche (charakterlichen) Eigenschaften einen Repräsentanten der SVP im BR auch zu einem anerkannten SVP-Vertreter machen.

Was kennzeichnet Bundesrat Samuel Schmid? Er ist ein Patriot und hat eine klare bürgerliche Position; er ist durchdrungen von einer liberalen Haltung; er ist in seinen politischen Positionen dezidiert, respektiert aber auch die politischen Positionen der anderen; er verzichtet auf Beschimpfungen seiner politischen Gegner; er behandelt politische Gegner nicht als politische Feinde; er anerkennt, dass das Gemeinwohl, der Ausgleich und die Gerechtigkeit Grundlagen unserer Schweiz sind – passt er deshalb nicht mehr zu der Schweizerischen Volkspartei?

Die Frage ist, ob Patriotismus, liberales Denken, Respekt vor anderen Meinungen, Verzicht auf Beschimpfungen und die Einsicht, dass die Schweiz ihre Kraft gerade aus dem Ausgleich aller Interessen schöpft, mit einer Mitgliedschaft in der SVP unvereinbar sind.

Ich habe mich wiederholt gefragt, wie sich wohl aufrechte SVP-Sympathisanten fühlen, wenn die Parteileitung den politischen Gegnern mit Begriffen wie «gierige Hintergedanken, Hinterhältigkeiten zum Machterhalt, perfide und erlogene Komplottvorwürfe, Kampf um eigene Pfründen, Kriminellenverhätschelung, Missbrauch und budgetäre Sorglosigkeit» eindeckt. (SVP-«Klartext», Ausgabe 10/2007, Editorial Nationalrat Ueli Maurer, Parteipräsident). Er bezichtigt damit den politischen Gegner mit anderen Worten als gierig, hinterhältig, perfide, verlogen, selbstsüchtig, sorglos und naiv – mithin alles Eigenschaften eines äusserst schlechten, wenn nicht kriminellen Charakters.

Der Nationalrat Ueli Maurer verunglimpft und diskreditiert den politischen Gegner; ist solches die Voraussetzung, dass man zur SVP passt?

Patrioten – als solche verstehen sich ganz speziell die Sympathisanten der SVP – identifizieren sich mit dem eigenen Land und dem Volk. Zum Volk gehört aber gerade auch der politische Gegner! Ihn auszugrenzen, zu beschimpfen, zu diskreditieren und als quasi kriminell hinzustellen, weil er eine andere als die eigene politische Meinung vertritt, ist höchst unpatriotisch.

Ich hoffe, dass die vielen aufrechten SVP-Mitglieder, die ich auch aus meinem Arbeitsumfeld kenne, den Mut und die Kraft aufbringen werden, sich gegen den momentanen Strom der schweizerischen Parteileitung zu stellen und die liberalen Werte innerhalb dieser Volkspartei hochzuhalten, wie es BR Schmid tut.

Ich glaube, dass sich dieser Mut lohnt, denn ich bin der festen Überzeugung, dass die grosse Mehrheit der SVP-Wähler und viele Vertreter dieser Partei in den Parlamenten Menschen mit anderer politischer Ausrichtung respektieren und deren Beitrag zum gemeinsamen Ganzen wertschätzen.

Stefan Bleuer, Niederwangen

Quelle: Der Bund, 13. November 2007, „Gegen RGM- und Schmid Bashing“, S. 9.

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