Freitag, 3. Juni 2005, 15:57 Uhr

Gemeindeversammlungen

Vier Mal im Jahr finden sie statt – besucht werden sie heutzutage von kaum jemandem mehr: Die Gemeindeversammlung unseres Dorfes Neuenegg hat letzten Mittwoch einen neuen Negativ-Rekord erreicht. Gerade mal 44 von (etwa) 2’500 Stimmberechtigten fanden den Weg zum SKZ. Dementsprechend rasch wurden die Traktanden abgehakt. Nicht vergessen sollte man, dass unter den 44 Personen auch 9 Gemeinderäte fungieren. Eins ist also sicher: 0 Personen werden wir nie erreichen. Sollte die Zahl aber 9 Personen wissen wir, dass die Gemeinderäte sich die Traktanden dann selber vorstimmen werden.

Ein Lichtblick immerhin: Neben meiner Wenigkeit habe ich mindestens vier anscheinend politisch Interessierte Jugendliche in der schieren Menge entdeckt. Eine Person, die ihre Mutter zu deren Einbürgerungsabstimmung begleitet, kann wohl abgezogen werden – es ist zweifelhaft, ob sie sich das nächste Mal wieder ins Dorfparlament wagt … (ohne ihr per se etwas böses unterstellen zu wollen). Dann wäre da noch Kollege Schmid, seineszeichen Sohn des Gemeindepräsidenten (was aber anscheinend nicht den Ausschlag gegeben hat, denn seine anderen beiden Brüder konnte ich am von der SVP in Beschlag genommenen Tisch nicht erkennen). Und, lustigerweise, noch zwei weitere Girls (Teenager), die sich in den Hexenkessel wagten und sich zuvorderst, direkt im Angesicht der hehren Gemeinderäte, platziert hatten.

Und siehe da: Es kam sogar eine Frage aus dem Publikum, von einer der beiden Damen, was denn nun mit zuviel budgetierten Geld eines Kredites geschähe … Eine gar nicht so unberechtigte Frage. Dies sorgte jedenfalls zu einem schmunzeln unter den altgedienten Haudegen. Dennoch schien es weder dem Gemeindekassier (oder wie sagt man demjenigen Funktionär? Meister der Kredite?) noch dem Gemeindepräsidenten leicht zu fallen, den Sachverhalt zu klären. Ein bisschen Hoffnung macht dieses Auftreten der jungen Generation schon: Da kommt man schon mal an eine Gemeindeversammlung, und hat dann sogar noch den Mut, Fragen zu stellen. So schlimm kann es um uns also gar noch nicht so stehen.

Die sehr alte Garde war erfahrungsgemäss überproportional vertreten, auch wenn deren Anwesenheit nicht missen möchte. Ab und zu erfährt man so wieder etwas vom alten Geist, der in unserem Dorf (Land?) einmal geherrscht hat. Insbesondere der Bezug zum Geld ist doch diametral entgegengesetzt. Und ich möchte mich hier nun wirklich nicht für die junge, konsumgeile Jugend in die Bresche werfen.

Schlussendlich darf man nicht vergessen, dass man – neben dem Freibier Freimineral – auch sonst einige Einblicke in den Ablauf der Gemeinde erhält. So weiss ich jetzt bspw., dass wir 17 Mio. im Jahr ausgeben – nicht gerade ein Pappenstiel. Mir jedenfalls eröffnet sich so eine ganz neue Welt politischer Dinge, von denen die Versammlungsabstinentler dann nur noch die Tatsachen präsentiert bekommen (und je nachdem mit ihren Steuern zu berappen haben, oder aber „usebichöme“).

Was ich mir aber aus staatsrechtlicher Sicht einige Sorgen macht: Kann es wirklich im Sinne der alten Aufklärer gewesen sein, dass 44 von 2’500 Stimmberechtigten über die Geschicke des Dorfes bestimmen? Mir persönlich gibt das immer wieder zu denken. Ich kann mich erinnern, dass ein Staat, dessen Namen mir entfallen ist, eine Mindestbeteiligung an Wahlen und Abstimmungen vorschreibt, ohne die das Resultat nicht gezählt wird. Doch was will man in einem Dorf wie Neuenegg schon machen? Urnenabstimmungen à la 5. Juni zu nationalen Themen? Ob der Aufwand die Mittel rechtfertigen würde? Man darf dennoch nicht vergessen, dass die anwesende Bevölkerung dann doch eher die politische aktive Fraktion darstellt, die sich (hoffentlich) eine Meinung gebildet hat, die nicht nur auf angsteinflössenden Plakaten, sondern Fakten beruht.

In dem Sinne: Mal schauen, ob bei der Budgetberatung 2006 wieder etwas mehr Volk zu locken ist …

Labels: Neuenegg, Politik

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