… hörte ich gestern wieder einmal, als ich bei Kollege Bucher zu Gast war. Nicht von ihm, sondern von seinem älteren Bruder. Da ich solch eine Pauschal-Aussage seit meinem Umstieg auf Mac im März 2004 noch nie gehört hatte, begann es mir so richtig zu kribbeln in den Finger. Gemäss wissenschaftlicher Manier wollte ich diese Worte (und denjenigen, der sie ausgesprochen hatte) zerlegen – oder es zumindest versuchen. Leider habe ich in einem der letzten Blogs beschriebenen Rhetorik-Lehrgang noch nicht durchgemacht. Ich liess es aber darauf ankommen und schob ihm den Vorteil freudig zu. Das Thema bot doch recht viel Angriffsfläche – ein Sieg, oder zumindest ein Patt, schien durchaus machbar.
Um die Diskussion anständig zu führen, erfuhren wir im „Intro“ erst einmal, dass beide genügend Erfahrungen mit Windows gesammelt hatten: Er arbeitet zu Hause immer noch mit diesen Monster-Kisten, auf der Arbeit muss er einen eMac benutzen. Ich belustigte mich seit Mitte der Neunziger bis eben 2004 mit den verschiedensten Ausgeburten von Windows, ausserdem habe ich es auf der Arbeit dauernd mit hoffnungslosen und weniger hoffnungslosen Fällen von sich-komisch-verhaltenden Wintels zu tun. Obwohl die Macs 16% vom Maschinenpark ausmachen, setze ich für Windows-Computer wohl 95%+ meines Pensums ein.
Jetzt, am Morgen danach, muss ich doch sagen: Mumpiz. Eine General-Kritik kam nicht zu Stande, eher eine Sammlung kleinere Mankos, die aus meiner Sicht weniger gegen Mac OS X als Plattform selber aufzufassen sind, sondern eher gegen Programme und der von ihnen erwarteten Funktionsweise.
Support kriegte ich übrigens noch von Kollege Yves – ETH El. Ing., wenn ich das jetzt richtig sage. Es ist immer schön, tatkräftige Hilfe von Sachverständigen zu haben.
(ICH) Virenfreiheit
Mit dem Einstieg schlechthin ging es los. Noch frisch beduselt von der Slashdot-Lektüre „Ready For the Big Mac Virus?“ von gestern warf ich mit dem wohl unanfechtbarsten Killer-Argument ins Feld.
Ich: „Für Mac OS X gibt es schlichtwegs keine Viren.“
Er: „Oh doch, ich erhalte andauern Viren per E-Mail!“
Ich: „Ach ja? Das sind aber Windows-Viren, die von infizierten Windows-PCs verbreitet werden und auf deinem Mac keinen Schaden anrichten können – sie laufen auf dieser Plattform nämlich schlichtweg nicht!“
Er: „Doch, die Mails stammten von einer Institution, die ausschliesslich Macs einsetzt. Das ist ja wohl Beweis genug. Viren laufen auf Mac!“
Ich: „Das glaube ich nicht. Ich und die Community kennt keine scharfen Mac-Viren In-The-Wild!“
Aus meiner Sicht hatte hier sein Ansehen, seine „Credibility“, schon arg Schaden genommen mit einer solchen Aussage. Selbstverständlich könnte es irgendwann einmal einen Virus für Mac geben, da will ich niemandem etwas dagegen halten – aber zu behaupten, dass Windows-Viren im Postfach bestätigen, dass es Viren für Macs gibt, ist doch einer der grössten Humbugs der Beweisführung, die ich je gehört hatte.
(ER) Cut funktioniert nicht
Er: „Unter Windows kann man mit Ctrl-V selektierten Text einfügen, mit Ctrl-C kopieren und mit Ctrl-X ausschneiden. Unter Mac funktionieren nur zwei der drei Tastenkombinationen: Ctrl-X funktioniert nicht. Und zwar global, egal, in welcher Applikation.“
Ich: „Hä? Also ich benutze diese Taste eigentlich ständig! Da muss wohl an deinem System gar etwas faul sein.“
(ER) Office 2004: Suchen und Ersetzen
Auf seiner Arbeit ist er zuständig für die Übermittlung von Artikeln an Fachverlage, die diese dann publizieren. Er muss dazu die Dokumente mit den vom Verlag gelieferten Word-Vorlagen formatieren.
Er: „Ich muss sehr oft mit der Suchen und Ersetzen-Funktion arbeiten. Weisst du, was unendlich nervt? Jedes mal, wenn ich das Dialog-Feld geöffnet habe und in das Dokument klicke, verschwindet es im Hintergrund. Ich muss es dann jedesmal wieder über das Menu öffnen gehen! Das nervt unglaublich und ist produktivitätsmindernd!
Ich: „Hmmm, okey. Das würde mich tatsächlich nerven. Vorerst aber einmal: Wer wissenschaftliche Arbeiten mit Microsoft Word verfasst, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen!“
Er: „Der Verlag will es nun mal so!“
Ich: „Ok. Kennst du eigentlich Exposé? Wenn du die Fenster-Verkleinern-Funktion auf eine der Maustasten legst, könntest du etwas Zeit gewinnen. Ist aber natürlich nicht das Gelbe vom Ei. Oder wieso merkst du dir den Shortcut nicht? Ganz simpel würde es natürlich mit einem zweiten Monitor.“
Er: „Na gut – aber wieso klappt das unter Windows ohne all diesen Firlefanz, und unter Mac nicht?“
Yves: „Vergiss nicht: Office 2004 wird nicht von Apple, sondern von Microsoft hergestellt. Vielleicht sollte man denen dieses Problem anlasten?“
Es kann aber durchaus sein, dass der WindowManager von Mac OS X so etwas einfach nicht zulässt, die Unzulänglichkeit also direkt beim Betriebssystem und nicht bei der Applikation zu suchen ist. Anyone?
(ER) iTunes Musikwiedergabe mit Global-Key pausieren
Er: „In Windows kann ich Winamp mit einer bestimmten Tastenkombination pausieren, ohne das die Applikation aktiv im Vordergrung sein muss. Unter Mac funktioniert das nicht! Ich habe mir deshalb Winamp for Mac heruntergeladen. Mit diesem Programm funktioniert es.“
Beim Schreiben meines Blogs genügte eine simple Google-Suche: „itunes global pause“, und schon stiess ich auf Sizzling Keys. Eine gewisse Selbständigkeit sollte man eigentlich von Benutzern einer jeden Plattform erwarten können …
(ER) Copy-Protected-CDs mit iTunes rippen
Er: „Ich besitze CDs, die kopiergeschützt sind. Mit iTunes kann ich diese zwar anhören, sie aber nicht rippen.“
Ich: „Der Sinn eines Kopierschutzes ist es ja eigentlich, dass man damit versehene CDs eben nicht rippen kann. Aber komisch ist es schon, dass die CD abgespielt, aber nicht kopiert werden kann. Meine CD-Sammlung (mehrheitlich aus den späten 90ern) konnte ich bisher ohne Probleme einlesen – da waren sie halt auch nicht kopiergeschützt.“
Er: „Aber unter Windows kann ich die Scheiben rippen.“
Ich: „Ja, das ist dann wohl ein mächtiges Manko. *zwinker*“
Er: „Klar, ich sehe ja ein – wenn auf der Hülle steht, dass Macs gar nicht erst unterstützt werden, kann das nicht Apples schuld sein. Aber CDs, die dieses Zeichen nicht haben, sollten doch gerippt werden können …“
(ER) DVDs kopieren
Er: „Gibt es eigentlich Tools, mit denen man DVDs rippen kann unter Mac OS X?“
Ich: „Glücklicherweise besitze ich genug Kleingeld, um gute Filme als Original zu kaufen. Aber soweit ich weiss gibt es den einen oder anderen Anbieter solcher Software. Das kostete dann halt einfach etwas.“
Er: „Siehst du! Unter Windows gibt es Unmengen solcher Tools, und viele sind sogar gratis.*“
* „gratis“ ist aus seiner Sicht übrigens nicht zwangsläufig auch „legal“. Er hat auch Norton Antivirus installiert, und hat noch nie für ein Abonnements-Update bezahlt. Entweder sind seine Virendefinitionen also extrem veraltet, oder er bedient sich zwielichtiger Mittel, um das Abonnement zu erneuern/verlängern.
(ER) Performance (Grafikkarten, Games, …)
Er: „Wie sieht es eigentlich Hardware-mässig aus – ist die Plattform vergleichbar mit Wintel? Ist sie schneller, langsamer? Vor allem bzgl. Games“
Ich: „Ja, das ist der ewige Streitpunkt. Ich kann da keine klare Aussage machen.“
Er: „Aber wie sieht es eigentlich mit 3D-Grafikkarten aus? Gibt’s diejenigen für Windows auch für Macs?“
Ich: „Mac-Grafikkarten benötigen ein spezielles BIOS, weil sie sonst nicht booten. ATI hat soeben aber gerade die erste Karte herausgebracht, die sowohl in Windows-PCs als auch Macs lauffähig ist. Es kann aber durchaus sein, dass man für Mac-Grafikkarten einen höheren Preis bezahlt – ich bin nicht der Hardcore-Gamer, kann das also nicht mit Sicherheit sagen. Ich weiss aber, dass es die X800 auch schon seit einer Weile für den Mac gibt. Wenn man aber wirklich Spieler ist, macht es wirklich mehr Sinn, eine Windows-Kiste bereit zu haben. Für Mac OS X werden nur die besten Games portiert, weil der Aufwand sich finanziell sonst nicht lohnt.“
Yves: „Vielleicht ändert sich das mit dem Wechsel auf x86?“
Das Thema war so mehr oder weniger totgeredet – aus meiner Sicht war es eher Detail- als Fundamental-Kritik. Käme ich von Mac zurück auf Windows, stiesse ich sicherlich auf ähnliche solche Probleme. Was ich am meisten vermissen würde: Die Möglichkeit, mehr oder weniger alles per Drag & Drop hin- und herzuschieben. Bei Windows (oder seinen Apps) ist diese Funktionalität noch sehr schwach ausgebildet (Test: Fotos aus Picasa auf ein SMB-Share ziehen: Error – Fotos aus iPhoto auf ein SMB-Share ziehen: Success).