Freitag, 24. März 2006
Heute Donnerstag-Abend war ich in Laupen und wohnte einer Wahlkampf-Veranstaltung für die kommenden Regierungs- und Grossratswahlen bei. Alle neun RegierungsratskandidatInnen standen sich selber, dem Moderator Otto Zutter (Berner Zeitung) und schlussendlich auch uns Politikinteressierten Red‘ und Antwort.
Konkurrenzkampf
Auf die Frage meines Vaters, ob Wirtschaftsförderung bedeute, dass Gemeinden sich untereinander mit Steuervergünstigungen etc. die Unternehmen abjagen, gab es interessante Voten. Denn schliesslich möchte man sich nicht nur gegenseitig die Arbeitsplätze abjagen, sondern auch neue schaffen. Da waren sich alle einig.
(Aus meiner Sicht) Die Bombe platzen liess darauf Eva Desarzens (Boll, FDP), ihreszeichen doktorierte Historikerin (wir sind halt doch noch zu etwas nütze). Die FDP, die sonst doch immer den Wettbewerb über alles lobt und als Allheilmittel sieht, worauf Lahme plötzlich Weltmeister über 100-Meter werden – sie als Mitglied dieser Partei schlug vor, Steuern juristischer Personen auf kantonaler Ebene einzufordern. Unternehmen könnten in unserem schönen Kanton also hinziehen wo sie wollten – sie bezahlten überall denselben Steuersatz. Der Anreiz, alle paar Jahre in neue Gemeinden zu ziehen und dabei individuelle Steuerermässigungen auszuhandeln, entfiele.
Den Nuggi jagte es mir aber endgültig raus, als selbst Urs Gasche (Fraubrunnen, SVP) (ausgerüstet mit einem ständig blinkenden Smartphone) vorschlug, die Steuern nicht nur ausschliesslich in der Wohnortsgemeinde, sondern auch in der Gemeinde zu entrichten, in der der Arbeitsplatz liegt. So, wie Gasche ausführte, würde es einem Herr Ospel (nicht explizit beim Namen genannt) dann eben rein gar nichts mehr bringen, wenn er sich in den steuergünstigen Kanton Schwyz absetzen würde. Einen Teil seiner Steuern würde er weiterhin an seinem Arbeitsort, wohl also in Basel oder Zürich, entrichten. Als anderes Beispiel wurde auch eine Person erwähnt, die in Bern arbeitet, aber im steuergünstigeren Kanton Aargau wohnt und so jährlich 10’000 SFr. sparen könne. Auch ein solches Verhalten würde durch eine Revolution des Steuersystems keinen Profit für den Einzelnen mehr einbringen.
Liebe Leute – folge ich diesen Erläuterungen und skaliere sie auf eine höhere Ebene, handelt es sich hierbei ganz und gar um eine Absage an ein heterogenes Steuersystem, das sich aus 26 Kantonen zusammensetzt …
Auslaufmodell Kanton
Spät kam es, aber umso mehr erfreute es mich, dass quer durch die ganze Parteienlandschaft Personen das heutige förderale System der 26 Kantone in Frage stellen. Für einmal denken Politiker nicht nur an die nächste Legislatur, sondern über ihren eigenen Nasenspitz hinaus, in die Zeit, in der ich noch lebe, die Alt-Regierungsräte dann wohl aber zu Grabe getragen werden.
Natürlich geschieht die Abkehr von den Kantonen nicht über Nacht – es begeistert mich aber, dass sich langsam, aber sicher der Mut breit macht, althergebrachte Gebilde in Frage zu stellen. Leider im typisch schweizerischen Tempo – aber he, immerhin macht sich überhaupt einmal jemand Gedanken darüber.
Feinheiten
Sind Personen derart der Öffentlichkeit ausgeliefert wie die Kandidaten, erlaube ich mir immer wieder, auf Nebensächlichkeiten zu achten. Heute Abend beispielsweise auf die Fussbewegungen. Mit Blick auf das Gefuchtel oder eben die Totenstarre unter dem Tisch erkennt man sehr genau, wer angespannt, und für wen das ganze „a piece of cake“ ist. Auch die Schuhmodelle sind nicht ohne: Egger-Jenzers Cowboy-Stifeli hatten es mir ganz besonders angetan *grins*