Eigentlich schmeisse ich die nervigen elektronischen Newsletter von tilllate.ch immer gleich weg, ohne sie gross zu beachten. Als Absender sticht aber immer dieser „Silvan | tilllate“ hervor – für mich mittlerweile Inbegriff des auch in der Schweiz hausierenden E-Mail-Spams.
Silvan gibt sich Mühe, in jeder Ausgabe des Newsletters dennoch ein gewisses Niveau zu erreichen und analog zu einer Zeitungskolumne Themen aufzugreifen, die die Welt bewegen. Heute hat er es nach Millionen von Mails denn auch endlich geschafft, meine Aufmerksamkeit zu wecken. Doch lest selbst:
Hallo Mad4you
Halb eins, der Vierer hält vor der Säulenhalle. Eine Gruppe von 17-jährigen kämpft sich ins Tram. Das Bitchy-Chick in überengen Miss-Sixty fällt hin, ihre Kollegin kreischt auf: „Mann Du bisch ja huere bsoffe!“. Lautes Gelächter. In dem Moment tönt ein „I like to move it – wapedi-wup-wup“ aus der Fake-LV-Handtasche. HILFE! Crazy-Frog-Alarm. Wo ist die Notbremse? Ich muss raus!
„Mein Gott… die heutige Jugend“, seufze ich, „Alkohol, Vergnügungssucht, Geschmacksverdrehungen und reine Orientierung an Gruppenmustern. Fühlt sich dabei noch unheimlich innovativ. Dabei sehen doch alle exakt gleich aus. Hose in den Socken. Cap schräg aufgesetzt. Uniformiert in phat farm, southpole und fubu…“ – „Eeehm, Silvan“, unterbricht meine Freundin in kritischem Ton, „ich habe doch Bilder von dir in diesem Alter gesehen: Business-Shirt und Kaschmir-Pulli über den Schultern… wohl alles Markenartikel. Du bist regelmässig ins Schauspielhaus gegangen, obwohl du in Wirklichkeit eher auf Teenie-Filme à la American Pie stehst. Und was hat mir André von Euren Samstag-Abenden erzählt? Kneipentouren im Niederdorf? Nicht viel besser…“
Ich spüre wie mein Backen rot anlaufen. Zähneknirschend gebe ich ihr recht. Damals bin ich mit in der Tat mir meinem eigenartigen Verhalten supercool vorgekommen. Als hätte ich die Weisheit mit Löffeln gefressen. Als hätte ich einen wahnsinnig individuellen Stil. Dabei hatte ich mich doch nur an den Goldküstenbuben und orientiert.
Womöglich gehört diese Phase zu den Teeniejahren. Die 17-jährigen Girls aus dem Tram werden bestimmt irgendwann älter und reifer… und schauen dann mit 27 kopfschüttelnd auf ihre jüngeren Zeitgenossen… „Mein Gott…. die heutige Jugend“, werden sie seufzen.
Wenn er auch recht hat – wie die Jungen sich nicht ändern, sollten sich auch die „Alten“ nicht ändern: Mich kotzen diese Hip-Hoppers mächtig an. Schon nur, weil die alle mit diesen Billig-MP3-Playern aus Südkorea und Taiwan herumlaufen – dabei gäbe es doch Apples iPod. Aber den kann man sich halt nicht um den Hals hängen. Das Beste: Den MP3-Player legt man heutzutage nicht mal mehr im Ausgang ab. Anscheinend ist es mega-hip, mit dem Gerät seinen Status als Pimp zu markieren. Ich frage mich nur, ob man vom Sound des Players noch etwas mitkriegt, wenn der DJ die Anlage auf verbotene 100dB aufdreht? Klärt mich jemand auf, was das genau soll?
Ah, und noch etwas: Sind meinen Lesern auch schon diese Plüsch-Trainerhosen in den Farben Pink oder Weiss aufgefallen? Die erinnern mich unweigerlich an die Pyjamas, die ich in früher Jugend getragen habe … Einer meiner schlimmsten Erlebnisse war denn auch, als ich (im Traum, wohlgemerkt!) eines Tages im Pyjama in die Primarschule ging und dies erst im Klassenzimmer bemerkte. Heute scheint das überhaupt kein Albtraum mehr zu sein, man begebe sich nur für wenige Minuten an den Treffpunkt im Bahnhof Bern und beobachte die Gören.
Was wohl als nächstes In sein wird? Vader 77-Shirts?