Freitag, 16. Juni 2006
Als Leser von Fredy Künzlers Blog bin ich mittlerweile über die Städtischen Elektrizitätswerke von Zürich besser im Bilde als über ewb hier in Bern …
Fredy begleitet mit kritischem Blick das Vorhaben der ewz, in einem Grossteil der Stadt Zürich „Glas“ bis zu den Häusern zu ziehen:
Natürlich hat dieses Vorhaben liberale Denker auf den Plan gerufen, die den Staat wieder einmal in privaten Gärtchen wildern sehen. Der Verdacht nach Quersubventionierung wurde bereits geäussert, die Weisung des Stadtrates wird wohl weiter Wasser auf die Mühlen der Gegner lenken:
Das ewz ist damit in der Lage, mit dem Breitbandnetz eine für die zukünftige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Stadt Zürich wichtige Grundinfrastruktur schneller und günstiger zu realisieren als andere.
Quelle: Weisung 9. Leistungsauftrag für das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich zum Erbringen von Telekommunikationsdienstleistungen, Rahmenkredit, Ergänzung der Gemeindeordnung.
Ob dies wirklich so ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist aber auch anzunehmen, dass Swisscom und Cablecom die bestehende Infrastruktur so lange wie möglich ausreizen wollen – schliesslich muss aus den gewaltigen Investitionen in Kupfer- und Kabelnetze ähnlich einer Zitrone das letzte Tröpfchen herausgedrückt werden. Und leider wird man für’s Geld bald nicht immer nur mehr „mehr“ erhalten:
Die Hauptmitbewerber Swisscom und Cablecom können die Leistung ihrer heutigen Kupferdraht- und Kabelfernsehanschlüsse über neue Übertragungstechniken und Kompressionsverfahren ebenfalls noch steigern, das Ausmass ist hingegen begrenzt.
Meine Auffassung von solchen Staatsaktivitäten: Why not? Wieso soll/muss sich der Staat immer nur dort engagieren, wo sich mangels Wirtschaftlichkeit niemals ein privates Unternehmen finden lassen würde, das (privatisieren wir doch Sozialhilfe und Fürsorge – UBS und Crédit Suisse werden sich garantiert um diese Aufgabe reissen …). Hier könnte er a) nicht nur Geld verdienen, sondern b) seinen Einwohnern einen deutlichen Mehrwert bieten und sich unter den Schweizer Städten als führend positioneren. Und das fördert – gemäss liberalen Credo – den für uns Bürger so heilsbringenden Wettbewerb, genauso wie Steuersenkungen.
Mit Blick auf eine Swisscom-Privatisierung könnte so auch prophylaktisch gegen die Oligopole vorgegangen werden, die sich nach der Verscherbelung des Swisscom Fixnet-Tafelsilbers automatisch bilden würden (Paradebeispiel: Mobiltelefonie-Markt. Da kann mir niemand kommen, dass hier ein freier Markt herrscht. Aber das hat für einmal garantiert nichts damit zu tun, dass sich Swisscom Mobile in Staatsbesitz befindet … Interkonnektionsgebühren, SMS, Minutenpreise, zu hohe Roaming-Kosten, welche nun auch bereits die EU auf den Plan gerufen haben).
Mit dieser fortschrittlichen Telekommunikationstechnologie stehen wir – resp. Zürich – vor der Möglichkeit, sich zusammen mit der ETH als führend im Kommunikationsbereich zu positionieren. Denn eines ist klar: Ist die Bandbreite einmal (zu einem bezahlbaren Preis) verfügbar, werden in Bälde auch die entsprechend bandbreitenintensive Angebote auf dem Markt erscheinen – Pay-TV? Video on Demand? Aber sicher auch völlig neue Geschäftsideen, die momentan noch niemand ausgetüftelt hat, da die kritische Masse an ultra-schnellen Anschlüssen nicht erreicht ist. Daran habe ich keine Zweifel. Zürich könnte das „Südkorea“ von Westeuropa werden (obwohl der Titel wohl schon von irgendeiner skandinavischen Stadt beansprucht wird).
Blaupause für Swisscom-Privatisierung
Wie Fredy mit seinem Spürsinn gezeigt hat, könnte dieses ewz-Vorhaben als Blaupause dienen für eine primär dem Volk, und nicht den zukünftigen Shareholdern, nützliche Privatisierung:
EVP fordert Netzgesellschaft: Swisscom zerschlagen, um ihren Wert zu erhalten!
Genauso wie die ewz als Infrastrukturanbieter auftreten will, sollte auch die Swisscom in eine Netz- und eine/mehrere Dienstleistungsgesellschaften aufgeteilt werden. Die Netzgesellschaft würde weiter in Händen des Staates und des Volkes bleiben, während sich die anderen Einheiten des Unternehmens dem freien Markt stellen müssten (diese historisch gewachsene Verbandelung hat sich seit der Marktöffnung bisher für kaum jemanden als glücklich herausgestellt – dies ist störend und nicht, dass das Unternehmen in Staatsbesitz ist – ein Privatunternehmen würde bei solchen Voraussetzungen genau gleich marktbehindernd handeln).
Privatunternehmen könnten danach Bandbreite auf dem Netz mieten (und dank der Glasfasern hat es aus heutiger Sicht wirklich Platz für alle). Der Preis würde nicht mehr mit dem bisherigen Hintergedanken gemacht, dass es sich bei den Mietern um Mitkonkurrenten handelt. Die Kosten müssten aber selbstverständlich den Unterhalt und die technische Weiterentwicklung des Netzes decken.
Kein potentieller Anbieter müsste zuerst mühsam ein eigenes Netz aufziehen, sondern könnte sich ohne Umschweife auf das deutlich profitablere Geschäft mit den Inhalten stürzen. Die Verschiebung von den Infrastruktur- zu den Inhalte-Anbietern würde weiter fortgesetzt.
Das ewz soll seine Dienstleistungen im Sinne einer offenen Plattform allen interessierten TKU und Dienstleistern anbieten und dadurch den Wettbewerb fördern.
Das ewz soll möglichst viele TKU als Benützer des Netzes gewinnen, damit die Bevölkerung und die Unternehmen eine möglichst breite Auswahl an Anbietern und Produkten erhalten.
Dennoch: Auch hier ist illusorisch, auf einen Schlag gleich alle Liegenschaften mit Glas zu erschliessen:
Auf diese Weise kann das Breitbandnetz potenziell etwa die Hälfte der Zürcher Bevölkerung abdecken.
Das Netz soll zuerst in denjenigen Gebieten aufgebaut werden, in welchen das ewz bereits eine dichte Netzinfrastruktur besitzt und wo eine starke Nachfrage nach breitbandigen Telekommunikationsverbindungen besteht. D. h., das ewz wird mit dem Netzaufbau in der Innenstadt sowie in angrenzenden Wohngebieten mit einer hohen Wohnungsdichte und den Subzentren beginnen. Danach wird die Erschliessung in den übrigen Quartieren fortgesetzt. Gemäss Planung sollten innerhalb von neun Jahren alle interessierten Unternehmen und privaten Haushalte in den grösseren Mehrfamilienhäusern angeschlossen werden können.
Auto- und Eisenbahn
Zwei Beispiele, wo sich der Staat als Infrastruktur-Anbieter bewährt hat. Hier motzt niemand, weil man eingesehen hat, dass wir schlechter dran wären, würde jeder Streckenabschnitt von einem anderen Privatanbieter unterhalten (und bewegelagert).