Die Ukraine zerstören, indem ihr die Exportfähigkeit genommen wird
Eine Flüchtlingswelle aus Nordafrika und dem Nahen Osten auslösen, welche Europa überflutet
Unter dieser Situation wird Russland der Ukraine alle Schuld für die Probleme geben, und auf die Anerkennung der unabhängigen Teilrepubliken pochen, und die Aufhebung aller Sanktionen fordern
Dort verlinkte ich auf ein faszinierendes Interview mit einem ukrainischen Grossbauern, welcher sich unter anderem Sorgen um sein Lager der Maisernte vom letzten Jahr machte. Bei 17 Minuten 30 Sekunden spricht der Landwirt von „300’000 Tonnen Mais“, welche in seinem Speicher in der Ukraine lagern. Das Gebiet sei von der russischen Armee besetzt, er habe keinen Zugang zum Mais und wisse deshalb nicht, was mit dem Getreide passiert sei.
Nun, nach unverifizierbaren, aber für mich durchaus plausiblen Berichten schaut es so aus, als „rollten“ einige solche Getreidespeicher derzeit Richtung Russland:
Truckloads of grain being carried off toward Russia from Russian occupied Melitopol.
Holodomor 2.0? Ich denke nicht. Aber halten wir unser Augenmerk auf die ärmsten Länder der Welt, deren Gesellschaften auf Grund fehlender oder stark verteuerter Nahrungsmittel ihren Siedepunkt erreichen werden.
Für mich und die meisten hier ist Essen „einfach da“ — Brot und Milch kaufe ich im Coop, oder in der MIGROS, und seit Gedenken stand ich noch nie einem leeren Regal (ausser beim Änngelibeck in Bern, kurz vor Ladenschluss).
Im Gegensatz zu meinen Grosseltern und Eltern kenne ich keinen einzigen Preis für Grundnahrungsmittel und weiss deshalb auch nicht, wenn der Preis für Brot oder Milch aufschlägt (aus welchen Gründen auch immer).
Folgendes Gespräch hat mich wachgerüttelt — so wüst die humanitäre Katastrophe in der Ukraine selber aktuell ist, tun wir gut daran, wenn wir uns jetzt schon auf einen weltweiten Versorgungsschock an Grundnahrungsmitteln einstellen, welcher uns mindestens dieses wie auch nächstes Jahr begleiten wird:
Wenn wir reichen Schweizer Glück haben, bedeutet das für uns „nur“, dass wir in den nächsten ein-zwei Jahren mehr für Nahrung bezahlen müssen. Nicht schön, aber ertragbar, indem wir andere, aber nicht zwingende Ausgaben reduzieren. Ärmere Länder, die bereits jetzt immer knapp durchgekommen sind, wird es aber deutlich härter treffen. Resultate könnten Hungersnöte mit vielen Toten sein, aber auch Aufstände, und damit verbunden Massenmigration.
Viele hier hoffen auf einen „Regime-Change“ in Moskau, doch vermutlich werden wir zuerst Regime-Changes in anderen Ländern sehen.
Wieso diese Schwarzmalerei? Das Video erklärt es sehr gut: Die Ukraine und Russland gehören zu den grössten Nahrungsmittelproduzenten und -exporteuren der Welt. Der Wegfall von zehn Prozent bis zu einem Drittel der weltweiten Produktionsleistung kann am Planeten schlicht nicht spurlos vorüber gehen.
Der Krieg führt einerseits dazu, dass Sonnenblumen, Weizen, Gerste und Mais in der Ukraine entweder nicht angebaut werden, oder die Felder im Sommer/Herbst nicht geerntet werden können. Landwirtschaft ist ein zeitkritisches Geschäft, wo man mit der Anpflanzung oder der Ernte nicht beliebig zuwarten kann.
Andererseits wird sich wohl das mit Sanktionen belegte Russland zwei Mal überlegen, in welche Länder es seine eigene Nahrungsmittelproduktion liefert — falls es die Produkte nicht gleich mit einem Ausfuhrverbot belegt.
Zur kritischen Lage trägt indirekt auch Treibstoffmangel bei. Der ukrainische Grosslandwirt erklärt im Video, dass beispielsweise Diesel für die Traktoren entweder von der ukrainischen Armee konfisziert, oder aber vernichtet wurde, damit es den Russen nicht in die Hände fällt.
Weiter vermute ich (ohne Verifizierung!) auch andere Einflüsse: Maschinerie und Transportmittel fehlen dort wo sie eigentlich gebraucht werden, weil sie in Sicherheit gebracht wurden (Landwirtschaftsmaschinerie kostet unglaublich viel Geld), für anderes als Landwirtschaft eingesetzt werden (Abtransport russischer Panzer), oder sie könnten auch in Kämpfen zerstört oder beschädigt worden sein. Selbst wenn die Kriegshandlungen eingestellt werden, ist die Frage, ob und wie rasch man Ersatzteile für Reparaturen bekommen wird. Und: Ohne Maschinerie kann man keine industrielle Landwirtschaft betreiben — egal, wie viele Hände man als Ersatz aufbieten würde.
Schlussendlich erwähnt der Landwirt auch noch verminte Felder, und ich kann mir vorstellen, dass die Überfahrt von Panzern und sonstigem schweren Gerät über Felder nicht gut ist für den Untergrund. Oder wenn verlassenes oder zerstörtes Armeematerial wie Panzer und Haubitzen auf den Feldern liegenbleibt, welches dann erst geräumt werden muss (nicht ganz trivial, wenn noch scharfe Munition rumliegen sollte).
Dasselbe mit Getreidelagern mit der Ernte von 2020, sowie Saatgut: Im schlimmsten Kampfhandlungen zerstört, oder die Ware aus welchen Gründen auch immer verdorben, oder konfisziert und abtransportiert. Der Landwirt erwähnt sein eigenes Maislager im Kriegsgebiet, und dass er nicht wisse, wie es dem dort lagernden Mais ergeht. Ich denke etwas von 300’000 Tonnen gelagertem Mais gehört zu haben (eine fantastische Zahl, die man noch verifizieren müsste — tatsächlich: bei 17 Minuten und 30 Sekunden spricht der Landwirt die Zahl aus). Zur Einschätzung: die Ukraine hat 2020/21 ungefähr 29 Millionen Tonnen produziert.
Weiter man muss sich auch bewusst sein, dass sowohl (künstlicher) Dünger als auch Pestizide aus fossilen Brennstoffen (Gas) hergestellt werden — und einer der grössten Gas-Produzenten führt derzeit eine „Spezialoperation“ in der Ukraine durch.
Einschub: Wie sich das bei mir anekdotisch bemerkbar macht? Im Februar 2013 habe ich meinen zweiten Aktienkauf in meinem Leben getätigt, mit ganz, ganz wenig Spielgeld. Ich habe mir damals auf Grund eines Blog-Artikels Potash-Aktien gekauft (ein Kanadisches Unternehmen, welches „Pottasche“ abbaut, sprich das „Kaliumkarbonat“ im NPK-Düngertriumvirat). Der Aktienpreis stürzte in der Folge ab, aber ich entschied mich, die wenigen Aktien zu halten. Das Unternehmen wurde irgendwann einmal von Nutrien aufgekauft, und ich erhielt dafür Nutrien-Aktien. Und jetzt endlich, 9 Jahre später, bin ich so nah wie noch nie am Break Even: Meine Aktien dümpeln „nur“ noch 11.92 Prozent unter dem Einstandspreis, nachdem sie seit Februar 2022 (war da was?) eine unglaubliche Rally hingelegt haben.
Wieso ein ITler sich um solche Dinge kümmert? Der Titel meines Lizentiats lautete Die Missernte 1916/17 in der Schweiz. «Wenn nur der Wettergott bald ein Einsehen hätte» (Download als PDF hier).
Und da wären wir auch schon im letzten Punkt: Auch die Ungläubigsten unter uns sollten ab und zu beten, dass die Landwirte dieses Jahr nicht auch noch von schlechtem Wetter oder Witterung getroffen werden. Sonst nähern wir uns einem perfekten Sturm.
Zum Schluss: Cui Bono? Neben der Fracking-Industrie und den Waffenproduzenten wird dieser Konflikt auch sehr positive Ertragsauswirkungen auf die U.S.-Landwirtschaft haben.
Nachtrag
Die Witterung scheint uns nicht gut gesinnt:
Südasien wird derzeit von einer aussergewöhnlichen Hitzewelle heimgesucht. Sie bedroht die Ernten vieler Bauern. Indien ist der zweitgrösste Weizenproduzent der Welt. Die durch den Ukraine-Krieg angespannte Situation auf den Agrarmärkten dürfte sich damit noch verschärfen.
Wie bereits vom ukrainischen Landwirten angetönt und von uns allen befürchtet, haben die Kriegsparteien in der Ukraine offenbar landwirtschaftliche Felder (oder: Zugangswege dazu) vermint:
Chernihiv Oblast, another Ukrainian tractor hit a mine while working. An additional unexploded TM-62M anti vehicle mine was recovered at the scene. pic.twitter.com/K1ThinfjnL
Da ich 2011 zusammengezählt fast drei Monate in den USA — sprich in Kalifornien und New York — verbracht habe, sind mir einige fragwürdige Ingredienzen zu Ohren gekommen, die das Essen auf der anderen Seite des grossen Teiches „schmackhafter“ machen sollen.
Wie ich darauf aufmerksam geworden bin? Heutzutage betonen amerikanische Restaurants und Einkaufsläden mit entsprechendem Zielpublikum stärker, was man in den von ihnen verarbeiteten und verkauften Nahrungsmitteln garantiert nicht findet. Solche „wir nicht!“-Bezeugungen sind der beste Hinweis darauf, dass die meisten Unternehmen, die sich nicht mit solchen Unbedenklichkeitsbescheinigungen brüsten, wohl tagtäglich verwenden.
Da man sich mittlerweile auch in der letzten verbleibenden Supermacht auf diesem Planeten vermehrt Gedanken macht, was man so zu sich nimmt und wie die Nahrungsmittel produziert werden, sind die Konsumenten sensibilisiert und dadurch deutlich wählerischer geworden — sofern ihnen das dortige Schulsystem das nötige Denkvermögen vermittelt hat und es sich die Betroffenen überhaupt leisten können, wählerisch zu sein. Denn in den USA gilt heute wie in jedem westlichen Staat: Gesundes Essen ist leider teurer als Junk-Food.
Um was geht es?
MSG Mit diesem Wundermittelchen — einem Nahrungsmittelzusatz — verstärkt man den Geschmack von Gerichten (vgl. Monosodium glutamate). Restaurants brüsten sich teilweise an ihren Schaufenstern damit, garantiert „MSG free food“ anzubieten.
rBGH Mit diesem Wachstumshormon bringt man insbesondere Kühe dazu, mehr Milch zu geben (vgl. Bovine somatotropin). Whole Foods bezeugt auf seiner Web-Site, dass die Lieferanten ihren Kühen das synthetische Wachstumshormon nicht verabreichen.
Fazit: Solche sind Ausdruck eines hocheffizienten, industrialisierten Nahrungsmittelproduktionsprozesses, welcher der Kostenminimierung und Gewinnmaximierung gehorcht.
Auf die Gefahr hin, dass ich als idealisiernden Grünen hingestellt werde: Selbstverständlich darf man aber nicht aus dem Auge lassen, dass man die heutige Weltbevölkerung mit mittelalterlichen Landwirtschafts- und Nahrungsproduktionsmethoden nie und nimmer füttern könnte. Somit bleiben solche Erkenntnisse leider ein notwendiges Übel …
A Coke is a Coke and no amount of money can get you a better Coke than the one the bum on the corner is drinking. All the Cokes are the same and all the Cokes are good. Liz Taylor knows it, the President knows it, the bum knows it, and you know it.
Der Finanzblog «Zero Hedge» hat das vorgestern mit einem eingängigen Vergleich auf den Punkt gebracht: Ein Big-Mac in Zürich kostete in Dollar an diesem Tag 17,19 Dollar, wofür ein Beschäftigter im US-Bundesstaat Minnesota zum Mindestlohn vier Stunden lang arbeiten müsste. In der Schweiz arbeitet man dafür laut einer Berechnung der UBS nur eine Viertelstunde – wenn man den Durchschnittslohn aus 14 Berufen zur Berechnung heranzieht.
Mario Aeby, geboren am 25. September 1980 in Bern, Schweiz
Ein Weblog über IT (Linux, OSS, Apple), Heim-Automation; mein mittlerweile abgeschlossenes Geschichtsstudium; Erkenntnisse aus meiner aktuellen Tätigkeit in der Informationssicherheit, meine Erfahrungen als IT-Berater, IT-Auditor, Web-Developer und IT-Supporter; die Schweiz, den Kanton Bern, meine ursprüngliche und auch wieder aktuelle Wohngemeinde Neuenegg, meine vorherige Wohngemeinde Bern, über lokale, regionale und globale Politik; meine Reisetätigkeit und Erfahrungen mit anderen Kulturen; und zu Guter letzt auch das Älter werden.
Alle in diesem Blog gemachten Aussagen und Meinungen sind persönlich und nicht als Ansichten meines aktuellen und/oder meiner bisherigen Arbeitgeber zu verstehen.