Posts Tagged ‘Verhandlungen’

Dienstag, 16. Januar 2024

„Friedensgipfel“ hat jetzt eine neue Bedeutung

Seit Wochen geistert in den Medien im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine immer wieder das Wort „Friedensgipfel“ herum. SRF hat eine solche Nachricht schon am 11. Dezember gebracht (damals unter dem Begriff „Friedensgespräche“), heute war DER SPIEGEL dran.

Wer von diesen Artikeln aber nicht nur den Titel liest, wird irgendwo tief im Text vergraben dann erkennen müssen, dass die Verkünder des „Friedensgipfels“ etwas völlig anderes darunter verstehen, als Otto Normalverbraucher: Ein Treffen der Ukraine mit seinen Verbündeten. Die Teilnahme Russlands steht nicht zur Diskussion:

und [Selensky] ließ damit durchblicken, dass eine Einladung Russlands nicht geplant ist.

Quelle: Russlands Angriffskrieg: Schweiz will Friedensgipfel für Ukraine ausrichten

Und so findet man sich in 1984 wieder, wo Begriffe eine völlig neue, oft die gegenteilige Bedeutung erfahren. Kann es wirklich einen Friedensgipfel geben, wenn nicht beide Kriegsparteien an einem Tisch sitzen, um über einen Waffenstillstand, wenn nicht sogar einen Frieden zu verhandeln?

Wenn es aber wie hier eher darum geht, dass Ukraine seine westlichen Verbündete um sich schart, um weiterhin mit Waffen und Abermilliarden unterstützt zu werden, damit der Krieg weitergeht — sollte man dann nicht eher von „Kriegsgipfel“ sprechen?

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Sonntag, 15. Januar 2023

Europa: Kein kohärenter, langfristiger Plan für die Ukraine

Anknüpfend an den gerade veröffentlichten Post, und meine Aussage, dass uns in Westeuropa fähiges politisches Personal fehlt, noch folgender Artikel (natürlich wieder aus den „verbotenen“ Medien):

Die Schweiz des Ostens – oder ein slawischer Libanon?

Der Artikel beginnt mit der sich abzeichnenden taktischen Massnahme Westeuropas, der Entsendung von „unseren“ Kampfpanzern an die Ukraine, und spinnt die (fehlenden) Folgeüberlegungen hinter dieser Aktion dann weiter.

es scheint mir, dass kein Plan existiert, wie dieser Krieg beendet werden kann und was aus einem Sieg oder einer Niederlage der Ukraine für Konsequenzen erwachsen.

Geschlagene Kräfte müssen weiterverfolgt werden, um eine erneute Sammlung zu verhindern. Man stelle sich vor, Napoleon wäre nicht über die Beresina verfolgt worden, oder die Alliierten wären an Rhein und Oder einfach stehengeblieben und wären nicht ins Dritte Reich vorgedrungen. Eine feindliche Armee kann nicht einfach besiegt werden – sie muss vernichtet und aufgelöst werden. Wie soll das bei einer Atommacht wie Russland funktionieren?

Landverluste bleiben immer eine offene Wunde, getreu dem Motto „Nie darüber reden, immer daran denken“. Die Franzosen hatten 1871 auch die Geduld, sich erst 1918 das Elsass wieder einzuverleiben, und Schlesien blieb Jahrzehnte der Zankapfel zwischen Preußen und Österreich. Und Polen fordert heute noch von Deutschland Reparationen für seine Ostgebiete, die sich doch lustigerweise die Russen bereits 1939 einverleibt haben. Es wird also keine Gewinner geben, sondern einen auf vielleicht 10 – 20 Jahre eingefrorenen Konflikt, auf dessen Fläche es zwangsläufig ethnische Säuberungen geben muss, wenn sich die Ukraine nicht auf Jahrzehnte hinaus mit russischen Guerillatruppen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen herumschlagen will. Das ist moralisch nicht hübsch, aber militärstrategisch und politisch unabdingbar. Die Russen, Polen und Tschechen mussten exakt so 1945 handeln, so grauenhaft das für die deutschen und jeweiligen polnischen Minderheiten war.

Man sollte eigentlich erwarten, dass die Damen und Herren und Diversen mit den Schulterklappen aus 3000 Jahren dokumentierter Militärgeschichte gelernt hätten.

Die Hoffnung (meiner Meinung nach deutlich zu spät), und die Befürchtung über des Resultat:

Ich würde mir die Ukraine als eine Art Schweiz des Ostens wünschen – aber bestenfalls wird sie wohl zum Libanon der slawischen Staaten.

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Mittwoch, 26. Juni 2019

Trump bringt mit seinem Win-Lose-Ansatz die Win-Winler in die Bredouille

Heute kam ich bei einem Mittagessen mit einem Juristen auf das Thema Verhandlungstechnik zu sprechen.

Ich erzählte ihm, wie ich als Student als Vorbereitung auf mehrere internationale Model United Nations MUN-Anlässe an Seminaren von Prof. Felix Addor zur Verhandlungsführung teilgenommen habe. Dort wurde uns das vom Harvard Negotiation Project entwickelte Harvard-Konzept (engl. „Getting to Yes“) nahegelegt. Wenn ich mich korrekt erinnere, wird in der Verhandlungstechnik ein Win-Win-Resultat für beide Verhandlungspartner angestrebt. Sehr viele Juristen wie auch Diplomaten haben diese Verhandlungstechnik internalisiert.

Das Problem ist, dass man mit diesen Ansätzen gegen einen Herrn Trump nicht ankommt, da dieser auf Win-Lose spielt. Und spielt der Präsident der letzten verbliebenen Weltmacht mit dieser Taktik, haben die Win-Winler einen schweren Stand.

Mein Gesprächspartner verwies auf Matthias Schranner, Gründer des Schranner Negotiation Institutes, der sozusagen als Gegenpol die Win-Lose-Verhandlungstechnik lehrt. Und er schafft es eloquent, uns Konsensliebenden die Verhandlungstaktik des Herrn Trump zu erläutern — und ihm eine Logik und Intelligenz zuzuschreiben, welche ihm viele Leitmedien absprechen:

Wer sich dafür interessiert: Die zwei Verhandlungstechniken werden auch in Artikeln des Tagesanzeigers näher vorgestellt („Die Kunst der friedlichen Einigung“, 30. September 2013).

Doch gemäss Matthias Schranner hat Trump vor etwas mehr als einem Jahr seinen ersten grossen Fehler begangen, als er den Iranern vom Verhandlungstisch davon lief. Trotz Abschuss einer US-Drohne hat Trump entschieden, derzeit nicht gegen den Iran in den Krieg zu ziehen. Ob dies eine späte Nachwehe seines Entscheids vom Mai 2018 ist?

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Labels: Studium, USA

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Samstag, 27. März 2010

Wie man in Entwicklungs- und Schwellenländern richtig um den Preis feilscht

Da ich gerade in Peking weile und heute die Gelegenheit am Schopf gepackt habe, im Yashow Market meine ersten vier Kravatten zu ersteigern (schliesslich werde ich bald 30, und da gehört so etwas einfach in den Kleiderschrank), möchte ich hier meine Tipps zum „reibungslosen Feilschen“ bekannt geben.

Diese Erkenntnisse sind die Synthese aus Erfahrungen von Reisen durch Indien, Westafrika und China. Selbstverständlich ist hier aber nicht der Weisheit letzter Schluss — andere erfahrene Feilscher können sicherlich auch noch einige aus ihrer Sicht wichtige Punkte ergänzen.

Wer auf einem Markt ohne Fixpreise erfolgreich ein Produkt zu erstehen und sich einige Stunden später nicht übers Ohr gehauen fühlen möchte, benötigt optimalerweise folgende Voraussetzungen:

  • Kenntnis der lokalen Sprache
  • Kenntnis des „gerechten“ Preises des Produkts
  • Der Verkäufer verfügt mit seinem Produkt über kein Monopol
  • (leider kaum der Fall) Der Kunde hat im Grunde absolut kein Interesse, die Ware zu ersteigern (aber Aussendung der gegenteiligen Signale)

Leider können gerade Touristen, die nur wenige Tagen im Land sind, oftmals die ersten beiden enorm wichtigen Punkte nie und nimmer erfüllen. Wie kann man den Schaden aber grösstmöglich minimieren? Es ist gar nicht so schwer:

  • Die lokale Sprache kann man nicht erlernen. Das spielt aber nicht weiter eine Rolle, weil derjenige gegenüber ja oftmals auch nur bruchstückhafte Englisch, die heutige Lingua Franca, spricht. Um beim Verhandeln aber die Freude beider Teilnehmer (des Verkäufers und des Käufers) zu wecken, sind solche Kenntnisse Gold wert. Ich behaupte, dass ein freundschaftlich-respektables Verhältnis zum Verkäufer, genährt durch die Konversation in der Sprache des Verkäufers, tiefere Preise zulässt.
  • In Ouagadougou habe ich im Januar 2010 bemerkt, dass die Begleitung einer oder mehrerer junger Frauen die Situation mit ebenso jugendlichen Verkäufern drastisch bereichern kann. Manchmal liegen da sogar Geschenke mit drin — für die Frauen, selbstverständlich, nicht für den verhandlungsführenden Mann.
  • Auch wenn man den Preis des Gegenstandes nicht kennt, sollte man sich immer zuerst bei mehreren Läden umsehen und bereits erste unverbindliche Preissondierungen vornehmen. Manchmal erkennt man schon so, dass einige Verkäufer gegenüber ihren Kollegen massiv überrissene Preise verlangen. Selbstverständlich hilft es auch ungemein, wenn man einen ortskundigen Kollegen hat, der seit einigen Monat vor Ort ist und überrissene Preise, vielleicht auch sogar den annäherungsweise „gerechten“ Preis kennt. Im Zweifelsfalle kauft man lieber nichts, fragt bei Bekannten nach und schläft einmal über das Angebot, als es leichtsinnig anzunehmen.
  • Für den Vertragsabschluss förderlich ist es weiter, wenn man das eigene Maximalgebot passend in Geldnoten in der Hand oder der Tasche bereithält. Nähern sich die Verhandlungen einem Ende — bspw. durch Abbruch durch den Käufer, weil der Verkäufer entweder weiterhin hofft, den dummen Touristen mit fadenscheinigen Qualitätsbegründungen zur Bezahlung des Fantasiebetrags bewegen zu können oder aber weil der Verkäufer seinen Preis nicht weiter senken will und/oder sich Verkäufer und Käufer auf einen gemeinsamen Preis geeinigt haben — kann man das Geld hervornehmen und dem Verkäufer unter die Nase halten. Dieser Trick funktioniert (für mich anfänglich erstaunlicherweise) in den meisten Fällen. Dem Verkäufer signalisiert es, dass der Kunde a) Geld hat, b) den von Kunden genannten Preis auch wirklich bezahlen möchte und c) eine Erhöhung des Preises aussichtslos erscheint. Schlussendlich werden sich Verkäufer zu diesem Zeitpunkt nicht zweimal bitten lassen, den Verkauf abzuschliessen. Hauptsache die Ware ist (mit mehr oder weniger Profit) verkauft und das Geld hat den Besitzer gewechselt — denn der Verkäufer ist im Grunde ja nur daran interessiert.
  • Ein weiteres Druckmittel — und dieses sollte man bei jeder Preisverhandlung mindestens einmal angwendet haben — ist das Davonlaufen. In den Fällen, in denen der Verkäufer mit dem vom Kunden genannten Maximalpreis immer noch einen Profit macht, wird der davonspazierende Kunde innert Sekunden zurückgepfiffen und der Betrag wird nun plötzlich möglich. Rückblickend würde ich sagen, dass man dies bereits äusserst rasch nach Aufnahme der Verhandlungen durchführen sollte, und zwar mit einem Preis, der um vielleicht 75–100% unter demjenigen liegt, der der Verkäufer genannt hat. So merkt man rasch, ob dieser „tiefe“ Preis die Schmerzgrenze des Verkäufers wirklich unterschreitet, oder ob es doch viel eher am „gerechten“ Preis dran ist.

Dazu ein Beispiel: In Peking wollte ich mir im oben genannten Markt die besagten Kravatten kaufen. Am Vortag hatte ich es zusammen mit meinem ortsansässigen Kollegen bei einem anderen Verkaufsstand probiert — er hatte dabei einen Preis von 10 Yuan pro Kravatte vermutet, doch leider wollte mir die Verkäuferin die Kravatten für diesen Preis nicht überlassen. Als ich am nächsten Tag selber in die Verhandlungen stieg, startete die Verkäuferin mit einem Angebot von 80 Yuan pro Kravatte. Da ich deren vier kaufen wollte, ergab das einen stolzen Preis von 320 Yuan (oder 50 Franken). Dieser Preis war mir eindeutig viel, viel zu hoch. Nach einigem hin und her verstand sie langsam, dass ich ein harter Brocken war und von meinem Maximalpreis, den ich zu bezahlen bereit war (75 Yuan für 4 Kravatten), nicht mehr abrücken würde. Als ich den Betrag gegen Schluss auch noch aus der Hosentasche zauberte und geduldig bereit hielt, gab sie auf und überliess mir die Kravatten für den tollen Preis. Nachdem der Tausch erfolgreich war, durfte ich miterleben, wie die Verkäuferin an die Besitzerinnen der Nachbarstände gerichtet über mich herumfluchte. Das war die grösste Genugtuung des ganzen Einkaufes.

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